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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1438;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):93/08/0247 93/08/0266 93/08/0265 93/08/0248Betreff
Der VwGH hat über die Beschwerden des J in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Salzburg 1. vom 28. Juni 1993, Zl. 3/07-12.570/3-1993, 2. und 3. vom 10. September 1993, Zl. 3/01-12.570/4-1993, 4. und 5. vom 7. Oktober 1993, Zl. 3/01-12.570/5-1993, betreffend die Aufhebung der Vollstreckbarkeit von Rückstandsausweisen (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.300,-- und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 55.600,-- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Bezirksgericht Tamsweg bewilligte der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse über deren Anträge aufgrund vollstreckbarer Rückstandsausweise (vom 30. Dezember 1992, vom 29. Jänner 1993, vom 26. Februar 1993, vom 26. März 1993 und vom 30. April 1993) mit den Beschlüssen vom 25. Jänner 1993, 19. März 1993 (zwei), 29. April 1993 und 19. Mai 1993 die Fahrnisexekution gegen den Beschwerdeführer zur Hereinbringung vollstreckbarer Forderungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse an Sozialversicherungsbeiträgen s.A. (für Oktober 1992 von S 173.990,94, für November 1992 von S 293.470,46, für Dezember 1992 von S 152.740,48, für Jänner 1993 von S 152.199,10 und für Februar 1993 von S 147.441,57).
Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin (mit im wesentlichen inhaltsgleichen Schriftsätzen vom 8. Februar 1993, 23. April 1993 und 7. Juni 1993) bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gemäß § 3 Abs. 2 VVG, 1. die Vollstreckbarkeit der Rückstandsausweise aufzuheben und 2. die beim Bezirksgericht Tamsweg behängenden Exekutionsverfahren zur Einstellung zu bringen. Begründet wurden diese Anträge damit, daß nach Auffassung des Beschwerdeführers die Bestätigung der Vollstreckbarkeit der Rückstandsausweise aus nachstehenden Gründen gesetzwidrig oder irrtümlich erteilt worden sei und daher nachfolgende Einwendungen gegen die Ansprüche im Sinne des § 35 EO bestünden, die nach § 7 Abs. 4 EO und § 3 Abs. 2 VVG bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, von der die Exekutionstitel ausgegangen seien, anzubringen seien:
Dem Beschwerdeführer stünden als Mitglied der ARGE B gegenüber der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse aus durchgeführten Elektroinstallationsarbeiten fällige Forderungen (nach der der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse übermittelten Aufstellung vom 9. Oktober 1992 in Höhe von S 2,166.702,65 netto ohne Mehrwertsteuer und weitere S 6,000.000,-- für erbrachte Leistungen) zu, die den jeweils in Exekution gezogenen Betrag bei weitem überstiegen. Diese Forderungen des Beschwerdeführers würden bis zur Höhe der Exekutionsansprüche der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse kompensando eingewendet. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stelle die Aufrechnung einen tauglichen Oppositionsgrund dar und seien - bei Fehlen konkreter Regelungen über sie (in den Verwaltungsvorschriften) - zu ihrer Beurteilung die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes heranzuziehen.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse lehnte diese Anträge mit Bescheid vom 19. Februar 1993 (berichtigt mit Bescheid vom 9. März 1993) und mit je zwei Bescheiden vom 18. Mai 1993 und 22. Juli 1993 gemäß § 3 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 410 ASVG und § 7 Abs. 4 EO ab. In den (im wesentlichen inhaltsgleichen) Begründungen verwies die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zunächst darauf, daß die gegenständlichen Rückstandsausweise vom Beschwerdeführer weder dem Grunde noch der Höhe nach bestritten worden seien und daher als außer Streit stehend betrachtet werden könnten. Den erhobenen Einwänden gegen die sich aus diesen Rückstandsausweisen ergebenden Ansprüche werde Nachstehendes entgegengehalten:
1. Die dem Beschwerdeführer möglicherweise zustehenden "Honorarforderungen" seien weder bestimmt, noch fällig, noch unbestritten und bildeten daher nicht einmal nach den §§ 1438 ff ABGB taugliche Aufrechnungsgründe. Die aus dem Beschwerdeführer und der Fa. R gebildete ARGE B sei nämlich mit Auftragsschreiben vom 7. Juni 1988 unter Zugrundelegung einer Anbotsumme von 13,305.225 (excl. 20 % Mehrwertsteuer) mit der Ausführung der Elektroinstallationsarbeiten im Zuge des Umbaus des Gebäudes der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse beauftragt worden. Wie sich aus einem noch beim Landesgericht Salzburg behängenden Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer u.a. wegen des Verdachtes strafbarer Handlungen gemäß den §§ 146 ff StGB (dadurch, daß sie in kumulierten Teilrechnungen Leistungen in Rechnung gestellt hätten, die in dieser Höhe tatsächlich nicht erbracht worden seien) ergebe, seien an die ARGE im Zuge der Abwicklung des erteilten Auftrages mit größter Wahrscheinlichkeit zu hohe Teilbeträge (schon nach dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen ca. 1,700.000,-- ohne Mehrwertsteuer) bezahlt worden. Da nicht feststehe, wie hoch die der ARGE zustehenden Forderungen tatsächlich seien - eine endgültige Klärung könne möglicherweise das Urteil im behängenden Strafverfahren bringen - habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse weitere Zahlungen eingestellt, um Mängel- und Schadenersatzforderungen sicherzustellen. Eine Schlußrechnung sei im übrigen noch nicht erstellt worden. Es handle sich daher bei den geltend gemachten Forderungen - sofern sie dem Beschwerdeführer überhaupt zustünden - keineswegs um bestimmte, fällige und unbestrittene Forderungen.
2. Selbst wenn aber die - möglicherweise bestehenden - Forderungen einen tauglichen Oppositionsgrund darstellten, könnte keine Kompensation mit den unstrittigen Sozialversicherungsansprüchen vorgenommen werden. Denn ungeachtet aller übrigen Voraussetzungen für eine Aufrechnung im Sinne der §§ 1438 ff ABGB hätten es die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 1970, Slg 6198, sowie die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1982, Zl. 82/07/0155, und vom 7. November 1986, Zl. 86/18/0193) regelmäßig als ein Hindernis für die Möglichkeit einer Kompensation angesehen, wenn für Forderungen und Gegenforderungen verschiedene Rechtswegzulässigkeiten vorgesehen seien. Diese Rechtsprechung stehe im Einklang mit der zivilrechtlichen Lehre. Auch in einer neueren Entscheidung vom 5. März 1991, "Zl. 87/07/0030" (richtig: Zl. 89/08/0147) habe der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt,daß die (damals) belangte Behörde auf eine (Aufrechnungs-)Einrede schon deshalb mit Recht nicht Bedacht genommen habe, weil eine Kompensation im Sinne der §§ 1438 ff ABGB unter anderem voraussetze, daß Forderung und Gegenforderung einander aufrechenbar im Sinne der Liquidität gegenüberstünden. Eine solche sei aber jedenfalls dann zu verneinen, wenn für Forderung und Gegenforderung verschiedene Rechtswegzulässigkeiten vorgesehen seien. Im gegenständlichen Fall handle es sich bei den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Forderungen um solche auf Entgelt für Leistungen aus einem Werkvertrag, also um zivilrechtliche Ansprüche, die grundsätzlich nur im Zivilrechtsweg durchgesetzt werden könnten. Forderungen auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen seien hingegen öffentlich-rechtliche Ansprüche, über die nur im Verwaltungsverfahren entschieden werden könne. Wegen dieser unterschiedlichen Rechtswegzulässigkeiten komme eine Aufrechnung nicht in Frage. Dazu komme, daß die in Exekution gezogenen Sozialversicherungsbeiträge auch solche der Pensions- und Unfallversicherung sowie Umlagen für die Kammer der Arbeiter und Angestellte sowie Wohnbauförderungsbeiträge beinhalte. Die Träger dieser Beitrags- und Umlagenforderungen könnten jedoch keineswegs als Schuldner des Beschwerdeführers für Forderungen aus dem Umbau des Gebäudes der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse angesehen werden. Es sei daher auch aus diesem Grund eine Aufrechnung nicht möglich.
In seinen (im wesentlichen inhaltsgleichen) Einsprüchen gegen diese Bescheide wiederholte der Beschwerdeführer zunächst sein Vorbringen in den obgenannten Anträgen, bestritt die Feststellungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in ihren Bescheiden zu seinen Gegenforderungen und verwies zu den diesbezüglichen "ungerechtfertigten Vorwürfen" auf seine umfassende Stellungnahme im Strafverfahren. Zum Zwecke der Vermeidung einer Duplizität der komplexen Aufnahme von Sachverständigenbeweisen werde beantragt, die gegenständlichen Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des anhängigen Strafverfahrens zu unterbrechen. Sofern diesen Anträgen nicht Folge geleistet werde, behalte sich der Beschwerdeführer ein umfangreiches Vorbringen unter Namhaftmachung von Zeugen und Sachverständigen vor, durch welche die unrichtigen Ausführungen in den bekämpften Bescheiden widerlegt werden könnten. Er beantrage daher, die bekämpften Bescheide aufzuheben und im Sinne seiner Anträge zu entscheiden.
Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Einsprüchen gemäß § 64 ASVG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 VVG keine Folge, bestätigte die Vollstreckbarkeit der obgenannten Rückstandsausweise und verwies die Anträge des Beschwerdeführers, die beim Bezirksgericht Tamsweg behängenden Exekutionsverfahren zur Einstellung zu bringen, gemäß den §§ 1 und 6 AVG im Zusammenhalt mit § 3 VVG und § 7 Abs. 5 EO an das Bezirksgericht Tamsweg. In den (im wesentlichen inhaltsgleichen) Bescheidbegründungen wird nach Wiedergabe des Einspruchsvorbringens ausgeführt, es erübrige sich im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer die Richtigkeit der Rückstandsausweise nicht bekämpfe, eine diesbezügliche Erörterung. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sei aber die Bestätigung der Vollstreckbarkeit dieser Rückstandsausweise weder gesetzwidrig noch irrtümlich erteilt worden und bestünden keine "Einwendungen gegen den Anspruch" im Sinne des § 35 EO, die gemäß § 3 Abs. 2 VVG die Vollstreckbarkeit der Rückstandsausweise hemmen würde. Die Gegenforderungen bildeten (im wesentlichen aus den von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse angeführten Gründen) schon zivilrechtlich keine tauglichen Aufrechnungstitel. Die Bestreitung der diesbezüglichen Feststellungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei unerheblich, weil, wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ebenfalls zutreffend ausgeführt habe, nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes öffentlich-rechtliche Forderungen und zivilrechtliche Forderungen aufgrund völlig verschiedener Rechtswegzuständigkeiten nicht aufgerechnet werden könnten. Zur Entscheidung der vorliegenden Verwaltungssachen bedürfe es daher keiner zusätzlichen Sachverhaltsfeststellungen. Aus der fehlenden Aufrechenbarkeit folge aber auch, daß es sich bei der Frage des rechtmäßigen Bestehens der vom Beschwerdeführer behaupteten Gegenforderungen nicht um eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG handle, weshalb die Voraussetzungen der beantragten Unterbrechung der gegenständlichen Verwaltungsverfahren nicht gegeben seien.
Gegen diese Bescheide richten sich die (im wesentlichen inhaltsgleichen) Beschwerden, nach denen sich der Beschwerdeführer in den ihm aus § 3 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 35 EO zustehenden Rechten verletzt erachtet. In Ausführung dieser Beschwerdepunkte hält der Beschwerdeführer (nach Darlegung der Rechtsprechung und des Schrifttums zur grundsätzlichen Verpflichtung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und daher auch der belangten Behörde zur materiellen Erledigung von Einwendungen im Sinne des § 35 EO unter Mitberücksichtigung geltend gemachter Aufrechnungen) der entscheidungswesentlichen Auffassung der belangten Behörde zur fehlenden Aufrechenbarkeit zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Ansprüche - unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes - entgegen, daß sie nach Rummel (in Rummel2, Rz 3 zu § 1438) der herrschenden Ansicht, die vor allem in der Entscheidung des OGH vom 4. März 1970, SZ 43/60 (= JBl. 1970, 418 mit Anmerkungen von Bydlinski) zum Ausdruck komme, widerspreche. Darin gehe nämlich der OGH (und ihm folgend Bydlinski) - vor dem Hintergrund der Unterscheidung zwischen Prozeßaufrechnung und materiellrechtlicher Aufrechnung - davon aus, daß ein öffentlich-rechtlicher Anspruch, gegen den eine privatrechtliche Forderung "außergerichtlich" (gemeint im Sinn der Ausführungen in EvBl. 1979/171 und SZ 50/35 auch als Schuldtilgungseinwand im Verfahren) aufgerechnet worden sei, in materiellrechtlicher Hinsicht als getilgt zu betrachten sei, und zwar unbeschadet der Frage der Zuständigkeit zur Entscheidung über diese privatrechtliche Gegenforderung. Da es keinen Zweifel gebe, daß aufgrund des § 3 Abs. 2 VVG im Zusammenhang mit § 35 EO für die Frage der Zulässigkeit einer Kompensation die materiell-rechtlichen Bestimmungen über die Aufrechnung heranzuziehen seien, erscheine es auch geboten, die Entscheidungen des OGH sowie die Lehrmeinungen so bedeutender Repräsentanten von Lehre und Forschung wie Bydlinski zur materiellen Beurteilung der Zulässigkeit der Aufrechnung heranzuziehen. Dies umsomehr, als gemäß dem Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG der Rechtsansicht des OGH über die Beurteilung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Aufrechnung keine gesetzlichen Bestimmungen entgegenstünden, welche die Verschiedenheit des Rechtsweges als Aufrechnungshindernis normierten. Erwägungen von Zweckmäßigkeit aufgrund von Zuständigkeitsvorschriften könnten den Inhalt des materiellen Rechtes nicht beeinflussen, zumal sowohl Verwaltungsbehörden vielfach auch zivilrechtliche Fragen bzw. Vorfragen als auch Gerichte verwaltungsrechtliche Fragen bzw. Vorfragen zu überprüfen hätten. Schon das Postulat der Einheitlichkeit der Rechtsordnung gebiete es, daß diese für die einzelnen Organe des Staates einheitlich sei. Bemerkt sei, daß inzwischen das obgenannte Strafverfahren eingestellt worden sei.
Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor, erstattete aber keine Gegenschriften. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse beantragte in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:
Gemäß § 64 Abs. 1 ASVG ist den Versicherungsträgern zur Eintreibung nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge die Einbringung im Verwaltungswege gewährt (§ 3 Abs. 3 VVG). Sie können daher nach der in der Klammer zitierten Bestimmung die Eintreibung einer Geldleistung unmittelbar beim zuständigen Gericht beantragen.
Nach § 64 Abs. 2 ASVG hat der Versicherungsträger, der nach § 58 Abs. 5 berufen ist, die Beitragsforderung rechtlich geltend zu machen, zur Eintreibung nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge einen Rückstandsausweis auszufertigen. Dieser Ausweis hat u.a. den Vermerk des Versicherungsträgers zu enthalten, daß der Rückstandsausweis einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliegt. Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO.
Gemäß § 3 Abs. 2 VVG sind Bescheide und Rückstandsausweise, die von der erkennenden oder verfügenden Stelle oder von der Vollstreckungsbehörde mit der Bestätigung versehen sind, daß sie einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliegen, Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO. Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 EO sind bei der Stelle anzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist.
Der Beschwerdeführer hat daher seine oben wiedergegebenen Einwendungen gegen die in den obgenannten (nicht als Bescheide zu wertenden) Rückstandsausweisen bestätigten öffentlich-rechtlichen Ansprüche im Sinne des § 35 EO zutreffend (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 15. Oktober 1959, Slg. Nr. 5076/A, vom 9. März 1960, Slg. Nr. 5230/A, vom 12. Februar 1987, Zl. 86/08/0013, und vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0147) bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse eingebracht, die darüber gemäß den §§ 64, 355 Z 3, 409, 410 ASVG bescheidmäßig, und zwar zufolge Vorliegens der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen meritorisch, zu entscheiden hatte und darüber mit den obgenannten Bescheiden auch in dieser Weise entschieden hat; ihre Bescheide konnte der Beschwerdeführer deshalb gemäß § 412 Abs. 1 ASVG mit Einsprüchen an die belangte Behörde bekämpfen.
Die Rechtswidrigkeit der über diese Einsprüche ergangenen angefochtenen Bescheide hängt - bei ihrer Überprüfung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte gemäß § 41 VwGG - primär von der Beantwortung der Frage ab, ob es zutrifft, daß auf die vom Beschwerdeführer in den jeweiligen Einwendungen gegenüber der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse geltend gemachten Aufrechnungen mit seinen behaupteten zivilrechtlichen Ansprüchen gegen die unstrittigen öffentlich-rechtlichen Forderungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse schon wegen der unterschiedlichen Rechtswegzulässigkeiten der beiden Forderungen im Sinne der zitierten Rechtsprechung (vgl. überdies die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1988, Zl. 87/07/0030, und vom 15. Dezember 1988, Zl. 88/08/0252) nicht als - die öffentlich-rechtlichen Ansprüche aufhebende - Tatsachen im Sinne des § 35 Abs. 1 EO Bedacht zu nehmen war.
Die vom Beschwerdeführer gegen die Bejahung dieser Frage erhobenen, oben wiedergegebenen Einwände sind nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide zu erweisen.
Denn auch wenn man - ausgehend von der grundsätzlichen Zulässigkeit der vom Beschwerdeführer vorgenommenen Aufrechnungen (vgl. dazu Rummel in Rummel2, Rz 3 zu § 1438; Pesendorfer, "Übergenuß" bei öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnissen, JBl. 1991, 152; OGH, WBl. 1989,
254) - diese Aufrechnungserklärungen im Sinne der Unterscheidung von Prozeßaufrechnung und (bei Geltendmachung während des Verfahrens Schuldtilgungseinwand genannter) materiellrechtlicher Aufrechnung (dazu Rummel in Rummel2, Rz 20 zu § 1438; aus der Judikatur vor allem SZ 50/35) bzw. in Übertragung der Lehre von den doppelfunktionellen Prozeßhandlungen (vgl. Fasching, Lehrbuch des östereichischen Zivilprozeßrechts2, Rzen. 766 ff) als gegenüber der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorgenommene materiellrechtliche Aufrechnungen (Schuldtilgungseinwände) wertete und dem Beschwerdeführer darin beipflichtete, daß unterschiedliche Rechtswegzulässigkeiten der beiden betroffenen Forderungen nicht zu den MATERIELLRECHTLICHEN Aufrechnungsvoraussetzungen zählen (auch die in der Rechtsprechung immer wieder zitierten Ausführungen Rummels in Rummel2, Rz 26 zu § 1438, beziehen sich nur auf die Prozeßaufrechnung, nicht hingegen auf die materiellrechtliche Frage der Aufrechnung), wäre für den Beschwerdeführer nichts gewonnen.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt nämlich seit seinem Erkenntnis vom 16. Februar 1951, Slg. Nr. 1936/A (vgl. das darauf verweisende Erkenntnis vom 7. November 1986, Zl. 86/18/0193, sowie die sich wiederum auf diese Entscheidung beziehenden Erkenntnisse vom 23. März 1988, Zl. 87/07/0030, vom 15. Dezember 1988, Zl. 88/08/0252, und vom vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0147) die Auffassung, daß - sofern (wie in den im Beschwerdefall anzuwendenden Normen) nichts Gegenteiliges angeordnet ist - eine einseitige Aufrechnung mit einer zivilrechtlichen Forderung gegen einen öffentlich-rechtlichen Anspruch im Sinne der §§ 1438 ff ABGB (anders als eine einverständliche Aufrechnung: vgl. u.a. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zlen. 91/08/0068, 0113, 0114) u.a. Liquidität der zivilrechtlichen Forderung als Erfordernis ihrer Richtigkeit im Sinne der §§ 1438, 1439 ABGB) voraussetzt und daher die zivilrechtliche Gegenforderung auch im Zuge von Einwendungen im Sinne des § 35 EO gegen einen diesen öffentlich-rechtlichen Anspruch bestätigenden Rückstandsausweis (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 10. März 1961, Slg. Nr. 2400/F, und vom 23. März 1988, Zl. 87/07/0030) nur dann mit Erfolg einredeweise (auch im Sinne eines Schuldtilgungseinwandes) geltend gemacht werden kann, wenn die zivilrechtliche Forderung anerkannt oder im Prozeßweg rechtskräftig festgestellt worden ist, d.h. formelle Liquidität (vgl. Rummel in Rummel2, Rz 6 zu § 1439) gegeben ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Rechtsauffassung auch angesichts der oben wiedergegebenen Beschwerdeeinwände, insbesondere des angesprochenen Postulats nach "Einheitlichkeit der Rechtsordnung", aufrecht. Wie nämlich Rummel in Rummel2, Rz 6 zu § 1439, ausführlich darlegt, besteht diesbezüglich Einigkeit nur darüber, daß im Anwendungsbereich des § 391 Abs. 3 ZPO das Erfordernis der Liquidität beseitigt ist; im übrigen ist diese Frage aber überaus kontrovers. In der jüngeren, von der früheren (etwa SZ 22/50, 31/119, 37/1) abweichenden Rechtsprechung nennt der OGH zwar die Auffassung, wonach die Liquidität der Gegenforderung schlechthin kein Aufrechnungserfordernis mehr sei, herrschende Auffassung (SZ 63/201, SZ 43/60: weil "durch § 391 Abs. 3 ZPO obsolet geworden"; mit Modifikationen: SZ 50/35; offensichtlich anderer Auffassung: JBl. 1988, 735); es gibt aber weiterhin gewichtige Gründe dafür, daß die Geltung des § 391 Abs. 3 ZPO auf die Prozeßaufrechnung beschränkt ist und daher nach wie vor die Liquidität als Erfordernis der Richtigkeit sowohl für außergerichtliche als auch für Aufrechnungen in Verfahren, in denen, so wie auch im Verwaltungsverfahren, § 391 Abs. 3 ZPO nicht gilt, Aufrechnungsvoraussetzung ist (vgl. dazu das bei Rummel in Rummel2, Rz 6 zu § 1439, angeführte Schrifttum). Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Auffassung und ihrer Begründung jedenfalls für die Beurteilung der Zulässigkeit der Aufrechnung mit einer privatrechtlichen Forderung gegen einen öffentlich-rechtlichen Anspruch an.
Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, daß die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht von einer fehlenden Aufrechenbarkeit der vom Beschwerdeführer in seinen Einwendungen geltend gemachten, im obigen Sinn illiquiden zivilrechtlichen Forderungen gegen die öffentlich-rechtlichen Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge ausgegangen ist und daher (in konsequenter Verneinung der Präjudizialität der Frage, ob die Gegenforderungen zu Recht bestehen, im Sinne des § 38 AVG) den Einsprüchen schon deshalb zu Recht keine Folge gegeben hat.
Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, hinsichtlich des Kostenbegehrens der belangten Behörde allerdings nur in den Grenzen ihrer Anträge.
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete SozialversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993080194.X00Im RIS seit
03.04.2001Zuletzt aktualisiert am
29.04.2009