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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FinStrG §33 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 12. Februar 1993, 617/1-2/T-1993, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf die hg Erkenntnisse vom 17. Oktober 1989, 86/14/0193, und vom heutigen Tag, 91/14/0129, 93/14/0015, 0082, (in der Folge: Vorerkenntnisse) verwiesen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Administrativbeschwerde gegen den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens vom 20. Dezember 1991 nicht Folge.
Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er habe als Abgabepflichtiger vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht betreffend die Veranlagungsjahre 1986 bis 1989 eine Verkürzung an Umsatzsteuer von insgesamt 55.472 S bewirkt sowie betreffend das Veranlagungsjahr 1990 eine Verkürzung an Umsatzsteuer von 11.900 S zu bewirken versucht. Der Beschwerdeführer habe für seinen zur Gänze betrieblich genutzten Kraftwagen der Type Mercedes 280 SE (in der Folge: Mercedes) zu Unrecht die Vorsteuern aus dessen Betrieb in den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1986 bis 1990 abgezogen. Er habe offensichtlich bereits in den Zeitpunkten der Einreichung der Umsatzsteuererklärungen genaue Kenntnis der Rechtslage gehabt, wonach für Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Betrieb des Mercedes die Geltendmachung von Vorsteuern gemäß § 12 Abs 2 Z 2 lit c UStG 1972 unzulässig gewesen sei, weil der am 1. Dezember 1980 bestellte, jedoch erst am 20. März 1981 gelieferte Mercedes nicht als "Fiskal-Lkw" behandelt werden könne. Der Beschwerdeführer sei auf Grund seiner Anfrage vom 9. Jänner 1981 bereits mit Schreiben der Finanzlandesdirektion vom 16. Februar 1981 erstmals von dieser Rechtslage in Kenntnis gesetzt worden. In der Folge sei ihm diese anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung (Schlußbesprechung am 7. November 1983), im Rechtsmittelverfahren (Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion vom 20. Oktober 1986 betreffend unter anderem Umsatzsteuer für die Jahre 1981 und 1982) sowie durch das erstgenannte Vorerkenntnis bekanntgegeben worden. Anläßlich einer die Veranlagungsjahre 1983 bis 1985 betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer wiederum im Zusammenhang mit dem Betrieb des Mercedes zu Unrecht Vorsteuern geltend gemacht habe. Vor Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung seien die Abgaben im Vertrauen auf die Korrektheit der Angaben des Beschwerdeführers erklärungsgemäß veranlagt worden. Auch in den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1986 bis 1990 habe der Beschwerdeführer trotz der ausjudizierten und zweifelsfreien Rechtslage Vorsteuern im Zusammenhang mit dem Betrieb des Mercedes geltend gemacht, ohne daß dies in irgendeiner Weise aus den Erklärungen bzw Beilagen, die beim Finanzamt eingereicht worden seien, ersichtlich gewesen wäre. Daß die Geltendmachung zu Unrecht erfolgt sei, sei erst anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung im September 1991 aufgefallen. Bei dieser Sachlage sei der Verdacht gegeben, der Beschwerdeführer habe ernsthaft damit gerechnet, es werde auch hinsichtlich der Veranlagungsjahre 1986 bis 1990 - zumindest vorläufig - eine zu niedrige Festsetzung an Umsatzsteuer erfolgen. Er habe damit eine Abgabenverkürzung gemäß § 33 Abs 1 in Verbindung mit Abs 3 lit a FinStrG zu verantworten. Daran könne auch die in der Administrativbeschwerde vorgebrachte Rechtfertigung, seine Vorgangsweise sei zur Ausschöpfung des ordentlichen Rechtsweges als Voraussetzung für die Geltendmachung etwaiger Schadenersatzansprüche im Amtshaftungsverfahren erforderlich gewesen, nichts ändern. Durch die Verheimlichung des Umstandes, daß er weiterhin Vorsteuern in Anspruch nehme, habe er sich gerade der Möglichkeit begeben, Umsatzsteuerbescheide zu erhalten, welche er zur Durchsetzung seines Rechtsstandpunktes bekämpfen hätte können. Ob der Verdacht der Behörde zur Überzeugung führen werde, der Beschwerdeführer habe das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen, sei dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens und dem Straferkenntnis vorbehalten.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in der im wesentlichen ausgeführt wird, es bestünden nicht genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens. Da die Rechtslage betreffend Zulässigkeit des Vorsteuerabzuges wegen der noch laufenden Verfahren nicht unbestritten sei, könne dem Beschwerdeführer ein vorsätzliches Handeln nicht vorgeworfen werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik zur Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 82 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß §§ 80 oder 81 leg cit zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt. Die Prüfung ist nach den für die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Untersuchungsverfahren geltenden Bestimmungen vorzunehmen. Ergibt sich, daß die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Strafverfahren einzuleiten. Von der Einleitung des Strafverfahrens hat sie unter anderem dann abzusehen, wenn die Tat mangels ausreichender Anhaltspunkte voraussichtlich nicht erwiesen werden kann oder der Verdächtige die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat.
Es ist daher zu prüfen, ob die belangte Behörde die auf der Grundlage des § 82 Abs 1 FinStrG sich stellende Rechtsfrage des Vorliegens von genügenden Verdachtsgründen für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens dem Gesetz entsprechend beantwortet hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom 8. März 1994, 93/14/0013, 0068, mwA), muß im Spruch eines Einleitungsbescheides das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Finanzvergehen erachtet wird, nur in groben Umrissen beschrieben werden. Die einzelnen Fakten müssen nicht "bestimmt", somit nicht in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten geschildert werden. In der Begründung des Einleitungsbescheides ist darzulegen, von welchem Sachverhalt die Finanzstrafbehörde ausgegangen ist und welches schuldhafte Verhalten dem Beschuldigten vorgeworfen wird. Der Verdacht muß sich sowohl auf den objektiven als auch auf den subjektiven Tatbestand erstrecken. Für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens genügt es somit, wenn gegen den Verdächtigen genügend Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt. Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlußfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom (vermuteten) Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung. Er ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann.
Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er habe gemäß § 33 Abs 1 in Verbindung mit Abs 3 lit a FinStrG vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht betreffend die Veranlagungsjahre 1986 bis 1989 eine Verkürzung an Umsatzsteuer von insgesamt 55.472 S bewirkt sowie betreffend das Veranlagungsjahr 1990 eine Verkürzung an Umsatzsteuer von 11.900 S zu bewirken versucht.
Der Beschwerdeführer bekämpft ausschließlich die subjektive Tatseite. Er meint, zum Zeitpunkt der Einleitung des Finanzstrafverfahrens sei über seine Berufung vom 30. Oktober 1991 (betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1986 bis 1990) noch nicht entschieden worden, weshalb die Rechtslage zu diesem Zeitpunkt vor Ausschöpfung des ordentlichen Instanzenzuges nicht unbestritten gewesen sei. Da ihm somit kein "böser Vorsatz" angelastet werden könne, liege nicht einmal ein Verdacht auf Begehung einer Abgabenverkürzung vor, noch weniger könne er den Verkürzungstatbestand bereits verwirklicht haben. Er sei seiner Wahrheitspflicht immer nachgekommen, habe alles offengelegt und seinen Rechtsstandpunkt nie verheimlicht. Auch aus dem Urteil des Obersten Gerichtshofes im Amtshaftungsverfahren vom 15. Jänner 1992, 1 Ob 43/91, mit dem sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt habe, sei ersichtlich, daß keineswegs eine unstrittige Rechtslage vorgelegen sei. Er habe sich somit nicht einmal einer fahrlässigen Vorgangsweise schuldig gemacht.
Die für die Jahre 1986 bis 1990 wesentliche Frage der Abzugsfähigkeit der Vorsteuern aus dem Betrieb des Mercedes ist mit der bereits für das Veranlagungsjahr 1981 beantworteten Rechtsfrage, ob der am 20. März 1981 angeschaffte Mercedes ein "Fiskal-Lkw" ist, untrennbar verbunden. Wie aus den Vorerkenntnissen ersichtlich, wurde diese Frage zunächst mit Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion vom 20. Oktober 1986 (betreffend unter anderem Umsatzsteuer für die Jahre 1981 und 1982) und in der Folge durch das erstgenannte Vorerkenntnis verneint. Auch wenn der Beschwerdeführer in der Folge immer wieder Rechtsmittel erhob (darunter die Berufungen betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1983 bis 1985 sowie für die Jahre 1986 bis 1990), Nachsichtsansuchen stellte und ein Amtshaftungsverfahren vor den Zivilgerichten führte, ändert dies nichts daran, daß bereits am 20. Oktober 1986 die für die Beurteilung der strittigen Frage zuständige Behörde entschieden hat. In dem für die Beurteilung des Vorliegens eines Vorsatzes des Beschwerdeführers maßgebenden Zeitpunkten der Einreichung der Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1986 bis 1990 beim Finanzamt (die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1986 ist laut den vorgelegten Verwaltungsakten am 30. Oktober 1987, die weiteren Umsatzsteuererklärungen sind in den folgenden Jahren eingereicht worden) lag somit bereits eine rechtskräftige Entscheidung der im ordentlichen Rechtsweg letztinstanzlichen Behörde vor. Die vom Beschwerdeführer vertretene Ansicht, in den maßgeblichen Zeitpunkten sei die Rechtslage noch strittig gewesen, trifft somit für das Verfahren vor der Abgabenbehörde nicht zu.
Wenn der Beschwerdeführer die Rechtsmeinung der Abgabenbehörde auch nicht geteilt hat, so war sie ihm doch zweifelsfrei bekannt. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer dennoch die entsprechenden Vorsteuern in den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1986 bis 1990 abgezogen hat, ohne in den Erklärungen oder in deren Beilagen auf diesen Umstand hinzuweisen, durfte die belangte Behörde zu dem für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens ausreichenden Verdacht gelangen, der Beschwerdeführer habe zumindest mit - für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 33 Abs 1 in Verbindung mit Abs 3 lit a FinStrG ausreichendem - bedingtem Vorsatz gehandelt. Bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn der Täter die Verwirklichung des Unrechtes des Sachverhaltes zwar nicht anstrebt, nicht einmal mit Bestimmtheit mit dem Eintritt des verpönten Erfolges rechnet, dies jedoch für möglich hält, somit als naheliegend ansieht und einen solchen Erfolg hinzunehmen gewillt ist (vgl das hg Erkenntnis vom 8. Februar 1990, 89/16/0201, mwA). Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie den für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens nötigen Verdacht vorsätzlichen Handelns angenommen hat.
Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer in zahlreichen Eingaben stets seinen Rechtsstandpunkt offengelegt hat, steht der Verletzung der Offenlegungspflicht im Sinn des § 33 Abs 1 FinStrG nicht entgegen. Um diese Verletzung zu vermeiden, wäre es nämlich erforderlich gewesen, in den Umsatzsteuererklärungen oder deren Beilagen darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer - seinem Rechtsstandpunkt entsprechend - die auf den Betrieb des Mercedes entfallenden Vorsteuern tatsächlich abgezogen hat.
Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde ist auszuführen, daß mit dem Vorwurf, die belangte Behörde habe sich nicht mit dem bereits erwähnten Urteil des Obersten Gerichtshofes auseinandergesetzt sowie, sie hätte auch das Vorliegen von Fahrlässigkeit prüfen müssen, kein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinn des § 42 Abs 2 Z 3 VwGG dargetan wird. An Hand der Aktenlage konnte der Verwaltungsgerichtshof eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften auch von sich aus nicht feststellen.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die vom Beschwerdeführer beantragte Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG unterbleiben, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war auch durch Art 6 Abs 1 MRK schon deshalb nicht geboten, weil es bei der Einleitung des Finanzstrafverfahrens (noch) nicht um die Entscheidung über die Stichhältigkeit einer erhobenen strafrechtlichen Anklage geht.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993140052.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
02.02.2010