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L5 KulturrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Vlbg PflichtschulzeitG betreffend die Schulfreierklärung der Samstage mangels Legitimation; kein Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Erziehungsberechtigten (bzw Lehrer); bloßes Anhörungsrecht der Erziehungsberechtigten und Lehrer bei Erlassung einer Verordnung betreffs die Schulfreierklärung des SamstagsSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die Antragsteller begehren mit ihrem auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten (Individual-)Antrag mit näherer Begründung, die Worte "von zwei Dritteln" in §4 Abs1 lita des (Vbg.) Pflichtschulzeitgesetzes, LGBl. 23/1979, idF der Novelle LGBl. 24/1990, in eventu §4 Abs1 lita des (Vbg.) PflichtschulzeitG, in eventu §4 Abs1 des (Vbg.) PflichtschulzeitG, in eventu §4 Abs1 bis 7 des (Vbg.) PflichtschulzeitG, als verfassungswidrig aufzuheben.
2. §4 des (Vbg.) PflichtschulzeitG idF der Novelle LGBl. 24/1990 lautet:
"§4
Schulfreier Samstag
(1) Für einzelne Volksschulen und Sonderschulen - ausgenommen jene, die nach dem Lehrplan der Hauptschule geführt werden - sind die Samstage schulfrei zu erklären, wenn
a) sich die Erziehungsberechtigten der Schüler, die im nächsten Schuljahr voraussichtlich die Schule besuchen werden, mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen dafür aussprechen,
b) sich die Lehrer der Schule mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen dafür aussprechen und
c) der gesetzliche Schulerhalter aus Gründen der Schulerhaltung dagegen keinen Einwand erhebt.
(2) Ein Verfahren nach Abs1 ist durchzuführen, wenn dies das Schulforum oder die Erziehungsberechtigten eines Viertels der Schüler, die im nächsten Schuljahr voraussichtlich die Schule besuchen werden, bis spätestens zum 31. Mai beantragen.
(3) Die Schulfreierklärung der Samstage hat vor Beginn jenes Schuljahres zu erfolgen, welches auf eine Antragstellung nach Abs2 folgt. Sie gilt jeweils bis zum Ablauf des Schuljahres, in dem ein neuerlicher Antrag nach Abs2 gestellt wird.
(4) Vor der Befragung nach Abs1 ist den Erziehungsberechtigten eine umfassende mündliche und schriftliche Information über die Auswirkungen der Schulfreierklärung, insbesondere in pädagogischer, stundenplanmäßiger, gesundheitlicher und sozialer Sicht, zu erteilen. Der Schularzt und ein allenfalls bestehender Elternverein der Schule sind zur Teilnahme an der mündlichen Informationsveranstaltung einzuladen. Außerdem sind sie vor Festlegung der schriftlichen Information zu hören.
(5) Die Befragung der Erziehungsberechtigten und der Lehrer hat in Form einer geheimen und brieflichen Abstimmung zu erfolgen. Die Erziehungsberechtigten haben für jedes ihrer Kinder an der betreffenden Schule eine Stimme. Die Stimmzettel und die Abstimmungskuverts sowie die schriftliche Information nach Abs4 sind den Stimmberechtigten spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Frist für die Stimmabgabe zuzuleiten. Die Vorbereitung und Leitung des Abstimmungsvorganges sowie die Ermittlung des Ergebnisses obliegen dem Schulforum.
(6) Die Rechte nach Abs2 und 5 stehen mehreren Erziehungsberechtigten desselben Schülers gemeinsam zu. Die Ausübung der Rechte durch einen Erziehungsberechtigten erfolgt mithin auch für den anderen.
(7) Die Schulfreierklärung nach Abs1 hat durch Verordnung des Schulleiters zu erfolgen. Sie ist der Bezirkshauptmannschaft unverzüglich zur Kenntnis zu bringen. Die Landesregierung kann durch Verordnung nähere Bestimmungen über das Verfahren zur Schulfreierklärung, insbesondere über die Abstimmung nach Abs5, erlassen.
(8) ..."
3. Die Antragsteller, die dem Antrag zufolge jeweils Erziehungsberechtigte von schulpflichtigen Kindern sind, die im Schuljahr 1990/91 verschiedene Klassen der öffentlichen Volksschule Bregenz Augasse besuchten, bringen zur Begründung ihrer Antragslegitimation - zusammengefaßt - folgendes vor:
Im Herbst 1990 sei an der Volksschule Bregenz Augasse ein Verfahren nach §4 Abs1 des (Vbg.) PflichtschulzeitG durchgeführt worden, und zwar nach den Sonderbestimmungen des ArtII Abs2 der Novelle LGBl. 24/1990. Dabei habe sich zwar die Mehrheit der Lehrer für einen schulfreien Samstag, mehr als ein Drittel der Eltern aber dagegen ausgesprochen, sodaß weniger als zwei Drittel der Eltern für einen schulfreien Samstag gewesen seien. Auf Grund dieses Ergebnisses seien für die Volksschule Bregenz Augasse die Samstage nicht schulfrei erklärt worden.
Das angefochtene Gesetz sei für die Antragsteller deshalb unmittelbar wirksam, weil der Gesetzgeber für den Fall, daß ein Verfahren nach §4 Abs1 des (Vbg.) PflichtschulzeitG keine Mehrheit für den schulfreien Samstag ergibt, keinen weiteren Rechtssetzungsakt vorgesehen und es deshalb bei der grundsätzlichen gesetzlichen Regelung des §2 Abs5 des (Vbg.) PflichtschulzeitG (danach sind alle Tage des Unterrichtsjahres, die nicht nach den Bestimmungen der §§3 und 4 dieses Gesetzes schulfrei sind, Schultage) zu verbleiben habe. Es sei zwar an sich möglich, die Erfüllung der Schulpflicht an Samstagen dadurch zu verweigern, daß die Antragsteller ihre Kinder anweisen, an diesen Tagen die Schule nicht zu besuchen, um dadurch einen individuellen Verwaltungsakt zu provozieren und diesen dann im Instanzenzug zu bekämpfen; dies würde aber einen unzumutbaren Umweg bedeuten.
4. Als Anfechtungsgründe machen die Antragsteller - zusammengefaßt - geltend, daß durch die in §4 Abs1 des (Vbg.) PflichtschulzeitG vorgesehene Abstimmung die im Schulzeitgesetz 1985, BGBl. 77, normierte Anhörung in verfassungswidriger Weise zu einem Mitbestimmungsakt der Betroffenen im Bereich der Vollziehung ausgeweitet würde. Der - für diese Art des Wahlrechts geltende - Gleichheitssatz gebiete, daß bei Abstimmungen stets die einfache Mehrheit der Stimmen den Ausschlag gebe. Die Festlegung des Erfordernisses einer Zwei-Drittel-Mehrheit in §4 Abs1 lita des (Vbg.) PflichtschulzeitG verstoße daher gegen Bundes- und Landesverfassungsrecht.
5. Die zur Abgabe einer Äußerung eingeladene Vorarlberger Landesregierung hat mit näherer Begründung die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen des (Vbg.) PflichtschulzeitG verteidigt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage der Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).
2. Die Regelung der Unterrichtszeit ist eine Angelegenheit der äußeren Organisation der Schulen (Art14 Abs3 litb B-VG), die gemäß Art14 Abs3 litb B-VG hinsichtlich der Grundsatzgesetzgebung in die Zuständigkeit des Bundes, hinsichtlich der Erlassung von Ausführungsgesetzen und der Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder fällt. Sowohl die grundsatzgesetzliche Vorschrift des §16 Abs1 erster Satz des Schulzeitgesetzes 1985 als auch die ausführungsgesetzliche Regelung des §1 Abs3 erster Satz des (Vbg.) PflichtschulzeitG bestimmen ausdrücklich, daß sich die Vorschriften über die Schulzeit auf das Verhältnis zwischen Schule und Schüler beziehen. Die Erziehungsberechtigten sind - von der noch zu erwähnenden Ausnahme abgesehen - nicht Adressaten der gesetzlichen Regelungen über die Festsetzung der Schulzeit, mögen diese Regelungen auch faktische Auswirkungen auf sie haben.
Wie sich aus dem Zusammenhang der Regelungen des §4 des (Vbg.) PflichtschulzeitG ergibt, richten sich diese primär an die Schulverwaltung. Den Erziehungsberechtigten wird im Verfahren zur Schulfreierklärung der Samstage (nur) durch §4 Abs1 lita des (Vbg.) PflichtschulzeitG die Möglichkeit, angehört zu werden, eröffnet (vgl. dazu das zur insoweit vergleichbaren Regelung des §56 Abs7 und 8 des Wiener Schulgesetzes, LGBl. 20/1976 idF LGBl. 16/1979, ergangene Erkenntnis VfSlg. 10359/1985). Nur in Bezug auf diese Regelung sind sie Normadressaten. Ein über das Recht, angehört zu werden, hinausgehendes Recht (oder gar eine Pflicht) der Erziehungsberechtigten wird nicht normiert (vgl. auch dazu VfSlg. 10359/1985). Es greift daher die primär angefochtene Norm (die Worte "von zwei Dritteln" in §4 Abs1 lita des (Vbg.) PflichtschulzeitG) ebenso wie die hilfsweise angefochtenen Normen (§4 Abs1 lita bzw. §4 Abs1 bzw. §4 Abs1 bis 7 des (Vbg.) PflichtschulzeitG) nicht in die Rechtssphäre der Antragsteller ein.
3. Da die angefochtenen Normen nicht in die Rechtssphäre der Antragsteller - soweit sie überhaupt Normadressaten sind - eingreifen, fehlt den Antragstellern die Antragslegitimation.
4. Der Antrag ist daher mangels Legitimation der Antragsteller gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Schulen, Schulzeit, Anhörungsrecht (bei Verordnungserlassung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:G101.1991Dokumentnummer
JFT_10088875_91G00101_00