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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §34 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über den Antrag des H in W, vertreten Dr. M, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur Zl. 93/08/0242 eingebrachten Beschwerde, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
Begründung
Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1993 wurde zur Zl. 93/08/0242 angeordnet, daß die beiliegende, vom Beschwerdeführer selbst verfaßte Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG dem im Rahmen der bewilligten Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt zur Behebung u.a. des Mangels der fehlenden Unterschrift eines Rechtsanwaltes zurückzustellen sei.
Diese Verfügung wurde dem Rechtsanwalt am 29. November 1993 zugestellt.
Innerhalb der gesetzten Frist kam der Vertreter des Beschwerdeführers diesem Auftrag nicht nach, sondern legte nur einen "ergänzenden Schriftsatz zur Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG" vor, in dem er u.a. anführte, er habe die Beschwerde mit seiner Unterschrift versehen und verweise diesbezüglich auf die Originale der Beschwerde, ohne sie allerdings - anders als in dem denselben Beschwerdeführer betreffenden Säumnisbeschwerdeverfahren zur hg. Zl. 93/08/0243 - auch vorzulegen.
Wegen dieser Unterlassung der auftragsgemäßen Mängelverbesserung wurde die Beschwerde mit Beschluß vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/08/0242, als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
Noch vor Zustellung dieses Beschlusses stellte der Beschwerdeführer am 15. Februar 1994 den vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der obgenannten Frist zur Vorlage der Beschwerde und legte zugleich die von ihm unterfertigte Beschwerde (in Ur- und Abschrift) vor. Den Wiedereinsetzungsantrag begründete er wie folgt:
Nach Zustellung der Berichterverfügung vom 5. November 1993 am 29. November 1993 sei die zweifache Beschwerde mit der Unterschrift des Verfahrenshelfers versehen worden und gleichzeitig mit einem ergänzenden Schriftsatz und dem Auftrag, diese Schriftstücke abzufertigen, der Kanzlei übergeben worden. Am 2. Februar 1994 sei der Akt dem Verfahrenshelfer aufgrund eines Anrufs des Beschwerdeführers vorgelegt worden. Dabei sei ihm aufgefallen, daß wohl der ergänzende Schriftsatz, nicht aber die zweifache Beschwerde fristgerecht an den Verwaltungsgerichtshof abgeschickt worden sei. Der Verfahrenshelfer, der sowohl den ergänzenden Schriftsatz als auch die Beschwerde fristgemäß und ordnungsgemäß unterfertigt habe, habe bis zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis davon gehabt, daß die Beschwerde dem ergänzenden Schriftsatz trotz ausdrücklicher Anordnung seinerseits nicht beigelegt worden sei. Das Versehen sei darauf zurückzuführen, daß die grundsätzlich sehr sorgfältige und genaue Sekretärin Elfriede Haselberger an diesem Tag auch die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 93/08/0243 nach Verbesserung abgefertigt habe und im Bewußtsein, bereits eine Beschwerde abgefertigt zu haben, auf den Anschluß der Beschwerde zur Zl. 93/08/0242 als Beilage zum ergänzenden Schriftsatz vergessen habe, sodaß diese wieder in den Akt geraten sei. Die Versäumung der Frist zur erneuten Vorlage der (vom Beschwerdeführer eigenhändig verfaßten) Beschwerde in zweifacher Ausfertigung sei auf ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis zurückzuführen, wobei den Verfahrenshelfer, der nach Unterfertigung der Urkunden davon habe ausgehen können, daß die Abfertigung reibungslos funktioniere, keinerlei Verschulden treffe.
Die als Bescheinigungsmittel angebotene Sekretärin Haselberger bestätigte diese Angaben im Wiedereinsetzungsantrag in ihrer niederschriftlichen Vernehmung vor dem Verwaltungsgerichtshof. Sowohl aus dem vom Verfahrenshelfer angegebenen Grund als auch deshalb, weil es vor Weihnachten 1993 in der Kanzlei sehr hektisch zugegangen sei, habe sie trotz des erfolgten Auftrages die vom Beschwerdeführer eigenhändig verfaßten und vom Verfahrenshelfer unterschriebenen Beschwerden dem ergänzenden Schriftsatz nicht angeschlossen. Dies sei vom Verfahrenshelfer erst an dem im Wiedereinsetzungsantrag genannten Tag aus Anlaß eines Anrufes des Beschwerdeführers entdeckt worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem den Beschluß vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/12/0238, mit weiteren Judikaturhinweisen) ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht (mit dem im zitierten Beschluß näher umschriebenen Inhalt) jenem Bediensteten gegenüber unterlassen hat.
Im vorliegenden Fall ist, ausgehend vom glaubhaft gemachten Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers keine die Versäumung der Frist bewirkende Verletzung der Überwachungspflicht anzulasten. Überläßt nämlich ein Rechtsanwalt nach Unterfertigung eines Beschwerdeschriftsatzes dessen Postaufgabe einer verläßlichen Kanzleikraft und unterläuft dieser hiebei ein Versehen, so liegt dem Rechtsanwalt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht zur Last (vgl. unter anderem die Beschlüsse vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0259, und vom 24. April 1990, Zl. 90/08/0047). Auf dem Boden dieser Rechtslage ist daher auch der gegenständliche Vorfall als ein für den Antragsteller unvorhergesehenes und von ihm nicht verschuldetes Ereignis anzusehen, das ihn an der vollständigen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages und damit (vgl. Beschluß eines verstärkten Senates vom 21. Juni 1988, Zl. 87/07/0049) an der Einhaltung der Mängelbehebungsfrist gehindert hat (vgl. den Beschluß vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0163).
Dem Wiedereinsetzungsantrag war somit gemäß § 46 VwGG stattzugeben.
Schlagworte
FristEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994080038.X00Im RIS seit
20.11.2000