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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde
1. des Josef H und 2. der Christine H in K, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. Jänner 1992, Zl. R/1-V-9150, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Johann X und 2. Elfriede X, beide in K, beide vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in S,
3. Gemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- sowie dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.120,--, je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren des Erst- und der Zweitmitbeteiligten sowie das Kostenbegehren der Drittmitbeteiligten werden abgewiesen.
Begründung
Das Grundstück der Beschwerdeführer Nr. 7 grenzt an seiner Westseite an das Grundstück der mitbeteiligten Bauwerber Nr. 6, beide Gründstücke liegen an der Landeshauptstraße. Die Bauwerber suchten am 1. Oktober 1990 beim Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde um die Baubewilligung für den Abbruch eines Nebengebäudes an. Dieses Nebengebäude befindet sich an der Nachbargrenze zu den Beschwerdeführern und ist gegenüber der Straßenflucht des bestehenden Wohnhauses der Bauwerber (an der Grundstücksgrenze zum Grundstück Nr. 5 angebaut) um 4,4 m - entsprechend der Fluchtlinie der Vorderfront des Hauses der Beschwerdeführer - zurückversetzt. Weiters suchten sie um Baubewilligung zur Errichtung eines 37,94 m2 großen Abstellraumes an der Grundgrenze zu den Beschwerdeführern, allerdings unmittelbar an die Straßenfront vorgezogen, sowie zur Errichtung einer Einfahrt zwischen dem bestehenden Wohnhaus und dem neu zu schaffenden Abstellraum an. Bei der Bauverhandlung am 26. November 1990 erhoben die Beschwerdeführer nachstehende Einwendungen:
"Die erschienenen Anrainer Familie H, rechtsseitiger Anrainer, erhebt gegen die im Plan ersichtliche Bauflucht Einspruch und verlangt eine Rücksetzung des Zubaues bis in die Flucht ihres eigenen Wohngebäudes, ebenso wird eine Vertikalisolierung zwischen ihrem Wohngebäude und dem neu zu errichtenden Objekt verlangt. ..."
Mit Bescheiden vom 9. Jänner 1991 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde antragsgemäß die Bewilligung zum Abbruch des alten Nebengebäudes und zur Errichtung des Zubaues samt Einfahrt.
Die Beschwerdeführer erhoben gegen die Baubewilligung betreffend den Zubau Berufung und führten darin im wesentlichen folgendes aus:
"Durch die Bewilligung des Zubaues von einem Abstellraum, die mit Bescheid vom 9.1.1991 ausgesprochen wurde, würden zwei Wohnräume unserers Hauses sehr stark in Mitleidenschaft gezogen werden, die Licht- und Sonneneinstrahlung der beiden angrenzenden Wohnräume würden besonders stark vermindert werden. Es würden dunkle Wohnräume entstehen, da der Vorbau 4,4 m beträgt. Unser Wohnhaus wurde bereits 1964 errichtet und liegt in der Flucht mit unseren Nachbarn L und B. Das Wohngebäude der Familie wurde viel später errichtet. Die Baulinie wurde aber nicht eingehalten, das nur mit Mithilfe des damaligen Bürgermeisters von K möglich war, daher können wir uns mit der Errichtung eines Vorbaues von 4,4 m nicht einverstanden erklären und dunkle Wohnräume in Kauf nehmen."
Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde gab der Berufung mit Bescheid vom 8. März 1991 mit der Begründung keine Folge, daß das geplante Bauvorhaben sowohl den einschlägigen Bestimmungen der NÖ Bauordnung 1976 als auch dem geltenden Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan entspreche. Der Einwand der Beschwerdeführer, daß die Baufluchtlinie nicht eingehalten werde, sei daher nicht zutreffend.
In ihrer Vorstellung machten die Beschwerdeführer geltend, daß sie, auch wenn sie in ihrem bisherigen Vorbringen nur auf die Baufluchtlinie hingewiesen hätten, schon durch die Erhebung von Einwendungen im Sinne des § 42 AVG die Verletzung eines subjektiven Anrainerrechtes behauptet hätten. Eine Präklusion ihrer Einwendungen könne daher für alle den Bebauungsplan betreffenden Fragen jedenfalls nicht eingetreten sein. Sie brachten zu den bisherigen Einwendungen ergänzend vor, daß das Verfahren deshalb mangelhaft geblieben sei, weil die Frage der Bebauungsdichte nicht geprüft worden sei. Nach dem Bebauungsplan betrage die Bebauungsdichte im gegenständlichen Gebiet 50 %. Durch das geplante Vorhaben werde diese Bebauungsdichte überschritten. Aus den Vorschriften über die Bebauungsdichte erwachse ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht.
Die belangte Behörde gab der Vorstellung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Im Hinblick auf die im Bebauungsplan der mitbeteiligten Gemeinde festgelegte geschlossene Bebauungsweise bestehe kein Anspruch der Beschwerdeführer als Eigentümer des seitlich anrainenden Grundstückes auf den Bezug von Belichtung und Besonnung aus der Richtung des Grundstückes der mitbeteiligten Bauwerber. Insoweit diene auch die Einhaltung der vorderen Baufluchtlinie nur dem öffentlichen Interesse und nicht dem Interesse der Beschwerdeführer, weil es sich bei dieser Baufluchtlinie um keine solche zur "Erzielung einer ausreichenden Belichtung" im Sinne des § 118 Abs. 9 Z. 4 der NÖ Bauordnung 1976 für das Grundstück der Beschwerdeführer handle.
Das Vorbringen der Beschwerdeführer hinsichtlich der Bebauungsdichte, welches weder in der Bauverhandlung noch in der Berufung erstattet worden sei, habe vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde schon deshalb nicht behandelt werden können, weil die Berufungsbehörde über das in der Bauverhandlung Vorgebrachte nicht hinausgehen dürfe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit dem Antrag, "den angefochtenen Bescheid aufzuheben und der Behörde die Durchführung eines geeigneten Ermittlungsverfahrens aufzutragen". Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie der Erst- und die Zweitmitbeteiligte eine Gegenschrift; die drittmitbeteiligte Gemeinde legte eine Stellungnahme vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 118 Abs. 9 Z. 4 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8.200-0 lautet:
"(9) Subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer werden durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über
...
4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung."
Die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde und damit auch der Gemeindeaufsichtsbehörde sowie der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist nach ständiger hg. Rechtsprechung (siehe das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, VwSlg. Nr. 10.317/A) im Falle einer beschränkten Parteistellung des Berufungswerbers, wie es für den Nachbarn im Baubewilligungsverfahren typisch ist, auf jenen Themenkreis eingeschränkt, in dem diese Partei mitzuwirken berechtigt ist. Sowohl die Berufungsbehörde als auch die Gemeindeaufsichtsbehörde und in der Folge die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes sind durch eine gemäß § 42 AVG eingetretene Präklusion auf die Prüfung rechtzeitig erhobener Einwendungen beschränkt. Eine Einwendung im Rechtssinne liegt nur vor, wenn das Vorbringen die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat. Gefordert wird, daß wenigstens erkennbar ist, aus welchen Gründen sich der Nachbar gegen das Bauvorhaben des Bauwerbers wendet, also welche Rechtsverletzung behauptet wird (siehe Hauer, Der Nachbar im Baurecht3, 66 mwN).
Die Einwendung der Beschwerdeführer in der Bauverhandlung richtete sich "gegen die im Plan ersichtliche Bauflucht"; sie begehrten "eine Rücksetzung des Zubaues bis in die Flucht des eigenen Wohngebäudes". Damit machen sie das ihrer Ansicht nach gegebene Recht auf Einhaltung der vorderen Baufluchtlinie geltend.
§ 2 Z. 3 der NÖ Bauorndnung 1976 in der Fassung LGBl. 8.200-1 (im folgenden: BO) definiert als Baufluchtlinien die Abgrenzungen innerhalb eines Grundstückes, welche grundsätzlich nicht überschritten werden dürfen. Demnach gibt es vordere, hintere, seitliche und innere Baufluchtlinien.
§ 2 Z. 10 BO bezeichnet als Bebauungsdichte das Verhältnis der bebauten Fläche zur Fläche des Bauplatzes.
§ 4 Abs. 1 BO zählt verschiedene inhaltliche Kriterien eines Bebauungsplanes u.a. unter Z. 2 je vordere Baufluchtlinien, Z. 3 die Bebauungsweise und Z. 5 die Bebauungsdichte auf.
§ 5 Abs. 1 BO differenziert u.a. zwischen Bebauungsweise und Bebauungsdichte.
Aus den genannten Bestimmungen im Zusammenhang mit § 118 Abs. 9 Z. 4 BO ergibt sich, daß der Gesetzgeber zweifellos den Begriffen "Baufluchtlinie", "Bebauungsweise" und "Bebauungsdichte" eine ganz verschiedenartige Bedeutung zumißt. Die Beschwerdeführer verkennen diese Differenzierung, wenn sie vermeinen, bei einer Bauverhandlung "die Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten durch Verletzung der Vorschriften über die Bebauungsweise und den Bebauungsplan, zu welchen Vorschriften u.a. auch die Bebauungsdichte gehört", mit der Einwendung betreffend die vordere Baufluchtlinien geltend gemacht zu haben. Sie sind daher mit ihrer erst in der Vorstellung und in der Beschwerde vorgebrachten Einwendung, die zulässige Bebauungsdichte werde durch das Vorhaben der mitbeteiligten Bauwerber überschritten, präkludiert. Die Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde bezog sich nicht auf diese Frage. In gleicher Weise ist die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes eingeschränkt.
In dem von den Beschwerdeführern herangezogenen Erkenntnis vom 6. Februar 1969, Zl. 1309/68, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, daß sich die Präklusionsfolgen nur auf die Einwendung selbst, also das Recht, dessen Verletzung bekämpft wird, bezögen, und nicht auf die Gründe, auf die sich diese Bekämpfung stützt. Hier werden aber nicht für dieselben Einwendungen andere Gründe herangezogen, sondern es wurde in der Vorstellung eine neue Einwendung erhoben.
Die Beschwerdeführer machen in der Beschwerde ausschließlich geltend, in ihrem Recht auf Einhaltung der Bebauungsdichte verletzt zu sein. Zur Begründung der Verletzung dieses Rechtes weisen sie darauf hin, daß sie "immer wieder auch eine Zurückversetzung des Gebäudes verlangt" hätten, was zu einer Verkleinerung und damit zu einer Verringerung der Bebauungsdichte geführt hätte. Dieses Vorbringen kann nicht nachvollzogen werden, weil eine bloße Versetzung des Gebäudes auf die Bebauungsdichte keinen Einfluß hat; das Vorhandensein einer inneren oder hinteren Baufluchtlinie, welche möglicherweise eine derartige Verringerung herbeigeführt hätte, wurde nie behauptet.
Da sich die Beschwerde somit nur auf eine präkludierte Einwendung stützt, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Soweit die Ansätze dieser Verordnung durch das nicht im Gesetz gedeckte Begehren des Erst- und der Zweitmitbeteiligten auf Ersatz von Umsatzsteuer überschritten wurden, war mit einer Abweisung vorzugehen. Was den Schriftsatz der mitbeteiligten Gemeinde betrifft, hat ein Mitbeteiligter als obsiegende Partei wohl Anspruch auf Ersatz des Aufwandes, der für ihn mit der Einbringung einer schriftlichen Äußerung ZUR BESCHWERDE verbunden war (§ 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG). Der Stellungnahme der mitbeteiligten Gemeinde ist aber ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992050048.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
07.08.2009