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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §41 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. April 1993, Zl. MA 63 - V 114/92, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. April 1993 wurde dem Beschwerdeführer die ihm bis dahin zustehende Gewerbeberechtigung "Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973, beschränkt auf den Kleinhandel im Standort in Z-Gasse 20/4", gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 iVm § 13 Abs. 3 und 4 GewO 1973 entzogen.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, gegen den Beschwerdeführer sei bereits einmal der Antrag auf Konkurseröffnung gestellt worden. Dieser sei mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 21. Juni 1990 mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Es sei daher nur noch zu prüfen, ob die weitere Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen sei, sodaß von einer Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen sei. Im Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, daß die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine Gläubigerin des Beschwerdeführers sei. Diese habe mit Schreiben vom 21. November 1991 mitgeteilt, daß der Beschwerdeführer am 26. Juni 1991 eine Ratenvereinbarung abgeschlossen habe, jedoch keine einzige Monatsrate bezahlt habe. Zum Stichtag 3. November 1991 bestehe ein Beitragsrückstand von S 45.265,--. Im Schreiben vom 5. März 1992 habe die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bekanntgegeben, daß der Beschwerdeführer seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkomme und von der bewilligten Ratenvereinbarung keine einzige Rate bezahlt habe. Auch die laufenden Beiträge würden nicht entrichtet. Im Schreiben vom 3. August 1992 habe die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ausgeführt, daß der Beschwerdeführer weiterhin seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkomme und von der bewilligten Ratenvereinbarung keine einzige Rate bezahlt habe. Zum Stichtag 19. Juni 1992 betrage der Beitragsrückstand S 66.175,90. Zuletzt mit Schreiben vom 18. März 1993 habe die Gläubigerin bekanntgegeben, daß der Beschwerdeführer die laufenden Beiträge nicht entrichte und zum Stichtag 18. März 1993 ein Beitragsrückstand von S 94.630,37 bestehe. Ein Interesse an der weiteren Gewerbeausübung sei somit nicht gegeben. Auf Grund dieser Mitteilungen der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft sei erkennbar, daß ein stetes Anwachsen der Beitragsschuld stattfinde. Die Berufungsbehörde könne daher nicht finden, daß die weitere Gewerbeausübung überwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen sei. Vielmehr sei zur Vermeidung einer weiteren Erhöhung der Schulden gegenüber der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die Entziehung der Gewerbeberechtigung durch die Behörde erster Instanz zu bestätigen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Nichtentziehung der in Rede stehenden Gewerbeberechtigung verletzt. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde sei mangelhaft gewesen und es sei die Interpretation des § 87 Abs. 2 GewO 1973 unzutreffend. Wie aus der (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten) Beilage ersichtlich sei, habe die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft den am 15. Dezember 1992 gestellten Konkursantrag zurückgezogen, da zwischenzeitig Leistungen in zufriedenstellender Höhe an die Sozialversicherung durch den Beschwerdeführer entrichtet worden seien. Die belangte Behörde habe offensichtlich weder vom Konkursantrag noch von der Zurückziehung des Konkursantrages bzw. von der zwischenzeitig erbrachten Leistung etwas gewußt. Die Kenntnis dieses Umstandes sei aber deswegen von wesentlicher Bedeutung, weil der "nunmehr vorliegende" Sachverhalt durch die belangte Behörde anders zu beurteilen gewesen wäre. Durch die Zurückziehung des Konkursantrages durch die Sozialversicherungsanstalt habe diese sehr wohl ein gesteigertes Interesse daran, daß das Gewerbe weiter "ausgeführt" werde, um die noch ausstehenden Beiträge zahlen zu können.
Gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1973 - in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993 - kann die Behörde von der im Abs. 1 Z. 1 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder zweimaliger Eröffnung des Ausgleichsverfahrens oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ist gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1973 von der im Abs. 1 Z. 1 dieses Paragraphen - in Verbindung mit § 13 Abs. 3 und 4 leg. cit. - vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage von der natürlichen Person erwartet werden kann, daß sie auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, was jedenfalls voraussetzt, daß die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden sind. Hingegen ist es nicht schon allein entscheidungsrelevant, daß das entzogene Gewerbe ausgeübt wird, damit die vorhandenen Forderungen berichtigt werden. Die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzung ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen, weshalb auch allfällige Erklärungen von Gläubigern, wegen ihrer offenen Forderungen ein Interesse an der Weiterführung des betreffenden Gewerbes zu haben, allein für eine derartige Annahme noch nicht als ausreichend anzusehen sind. Dies insbesondere auch deshalb, da, abgesehen von den bereits bestehenden Gläubigerforderungen, im Sinne der obigen Darlegungen auch zu berücksichtigen ist, daß die im Zusammenhang mit einer weiteren Gewerbeausübung zu erwartenden Verbindlichkeiten durch liquide Mittel beglichen werden können, um nicht eine Schädigung weiterer Gläubiger durch die fortgesetzte Gewerbeausübung eintreten zu lassen (vgl. hiezu u. a. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0038, und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung).
Ausgehend von dieser Rechtsprechung, von der abzugehen der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß findet, vermag der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm gestellten Prüfungsaufgabe eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erkennen. Daran vermag insbesondere auch nichts zu ändern, wenn in der Beschwerde auf die (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegte) Zurückziehung des (neuerlichen) Konkursantrages (die nach der vorgelegten Fotokopie des Schriftsatzes beim Handelsgericht am 10. Mai 1993 eingelangt ist) verwiesen wird. Im Grunde des § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen. Ausgehend von dem daraus abzuleitenden Neuerungsverbot ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, bei seinen Entscheidungen Tatsachen zu berücksichtigen, die erst NACH ERLASSUNG DES ANGEFOCHTENEN BESCHEIDES (Zustellung des angefochtenen Bescheides mit 4. Mai 1993) eingetreten sind.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993040212.X00Im RIS seit
20.11.2000