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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, in der Beschwerdesache des J in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen die Erledigung der Wiener Landesregierung vom 2. Februar 1994, Zl. MA 61/III-F 15/93, betreffend Staatsbürgerschaft, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Die gegenständliche, vom Beschwerdeführer bekämpfte Erledigung vom 2. Februar 1994 wurde - wie sich aus der der Beschwerde angeschlossenen Ausfertigung ergibt - für die Wiener Landesregierung gefertigt, richtet sich, nach Anführung der Aktenzahl und dem Vermerk "J, Staatsbürgerschaft" links oben, namentlich an den nunmehrigen Beschwerdevertreter Dr. N und beginnt nach den Worten "Sehr geehrter Herr Doktor" inhaltlich wie folgt:
"Zu Ihren Anträgen vom 27. September 1993 und 15. November 1993 um Ausstellung eines österreichischen Staatsbürgerschaftsnachweises für J in W, beehrt sich das Amt der Wiener Landesregierung mitzuteilen, daß Genannter nach dem durchgeführten Feststellungsverfahren die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Er hat sie weder mit Geburt noch zu einem späteren Zeitpunkt erworben."
Anschließend werden im einzelnen die Gründe für diese Rechtsauffassung dargelegt, worauf es abschließend (auf Seite 4) heißt:
"Da das Amt der Wiener Landesregierung ausschließlich Feststellungen über den Besitz oder Nichtbesitz der österreichischen Staatsbürgerschaft treffen kann, darf daher für J empfohlen werden, den tatsächlichen Erwerb der deutschen bzw. der italienischen Staatsangehörigkeit bei den zuständigen ausländischen Behörden abklären zu lassen, um auch die entsprechenden Staatsangehörigkeitsdokumente erhalten zu können.
Das Amt der Wiener Landesregierung bedauert, keine günstigere Nachricht geben zu können und ersucht abschließend, zur Vergebührung der ungestempelten Eingaben und Beilagen S 480,-- mittels beiliegendem Erlagschein einzuzahlen."
Der Beschwerdeführer vertritt den Standpunkt, daß das von ihm selbst als solches bezeichnete "Schreiben" der belangten Behörde, obwohl es nicht als "Bescheid" bezeichnet wurde, "jedoch alle geforderten Bescheidmerkmale aufweist, um als "Bescheid" qualifiziert zu werden", und beruft sich diesbezüglich auch auf den Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A, ohne aber dessen hiebei wesentliche Rechtssätze wiederzugeben. Nach der ständigen, auf dem genannten Beschluß beruhenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Bescheid zwar auch ohne förmliche Bezeichnung als solcher dann vorliegen, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die (leserliche) Unterschrift (oder auch die Beglaubigung) enthält. Auf die ausdrückliche Bezeichnung kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch EINDEUTIG ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsverfahrens ENTSCHIEDEN hat. Der normative Inhalt muß sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, in diesem Sinn also auch aus der Form der Erledigung, ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht oder von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden. Nur dann, wenn sich aus dem Wortlaut der behördlichen Erledigung für jedermann eindeutig ergibt, daß ein rechtsverbindlicher Abspruch vorliegt, ist ungeachtet des Fehlens der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid ein solcher als gegeben anzusehen. Der mit der Bestimmung des § 58 Abs. 1 AVG angestrebte Zweck, durch die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Betroffenen Klarheit und damit Rechtssicherheit zu schaffen, ist nämlich nur dann erreicht, wenn die Bestimmung über den Spruch des Bescheides in eindeutiger Form eingehalten und verwirklicht ist (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1993, Zl. 92/01/0741). Im vorliegenden Fall ist aber das in Beschwerde gezogene Schreiben nicht so gefaßt, daß daraus jedermann zweifelsfrei erkennen könnte, daß damit über eine Verwaltungsrechtssache rechtsverbindlich abgesprochen werden sollte.
Wenn der Beschwerdeführer meint, daß durch diesen Behördenakt "ein autoritativer Wille dadurch zum Ausdruck gebracht wird, daß dem Beschwerdeführer die Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises verweigert wird", und das gegenständliche Schreiben, "nachdem der Beschwerdeführer vor mehr als fünf Monaten einen Antrag gemäß § 13 AVG bei der Behörde eingebracht hat, nur als abweisender Bescheid qualifiziert werden kann", so übersieht er auch, daß auf Grund des § 41 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 zur Ausstellung von Bestätigungen in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft und zur Entscheidung über derartige Anträge die Gemeinde (Gemeindeverband) zuständig ist, sodaß schon aus diesem Grunde in Verbindung mit § 43 Abs. 3 leg. cit. nicht angenommen werden kann, die belangte Behörde habe insofern, ohne hiefür zuständig zu sein, einen Bescheid erlassen. Dafür, daß es sich um einen Feststellungsbescheid gemäß § 42 leg. cit. handelte, für dessen Erlassung die belangte Behörde gemäß § 39 Abs. 1 leg. cit. zuständig wäre, besteht - abgesehen von den dargelegten grundsätzlichen Erwägungen und dem Umstand, daß diese Erledigung den Beschwerdeführer gar nicht als individuellen Normadressaten ausweist - deshalb kein Anhaltspunkt, weil weder auf Grund der Beschwerde noch der angefochtenen Erledigung erkennbar ist, daß hiefür überhaupt die gesetzlichen Voraussetzungen (nach Abs. 1, 2 oder 3 jener Gesetzesstelle) vorgelegen wären. In der angefochtenen Erledigung ist vielmehr eine bloße, wenn auch näher begründete Mitteilung an den Beschwerdevertreter zur Frage der Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers zu erblicken.
Die Beschwerde war somit wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen, wobei die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat ergangen ist.
Schlagworte
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Mitteilungen und RechtsbelehrungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994010336.X00Im RIS seit
20.11.2000