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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspäsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Oktober 1993, Zl. 4.291.394/3-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Oktober 1993 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 29. Juli 1991 ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem rumänischen Staatsangehörigen, der am 19. Jänner 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 23. Jänner 1990 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 29. Jänner 1990, daß er sich (vor seiner Einreise nach Österreich) am 19. Jänner 1990 in Ungarn aufgehalten habe, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/91/0256), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, und im übrigen vom Beschwerdeführer unbekämpft - die Rechtslage richtig erkannt hat.
Der Beschwerdeführer macht aber der belangten Behörde zum Vorwurf, es unterlassen zu haben, "sich von der tatsächlichen Situation in Ungarn im Jänner 1990 ein Bild zu machen". Er bringt dazu vor, daß es wohl richtig sei, "daß Ungarn zu diesem Zeitpunkt bereits der Genfer Konvention beigetreten war (14.03.1989) und die Genfer Konvention im Oktober 1989 ratifiziert hat" (siehe BGBl. Nr. 260/1992, woraus sich unter Bedachtnahme auf Art. 43 der Konvention deren Inkrafttreten schon am 12. Juni 1989 ergibt), "es jedoch noch kein innerungarisches Ausführungsgesetz gab". Im Jänner 1990 habe es in Ungarn "noch die alte kommunistische Regierung" gegeben, "die sehr wohl - sowohl vor als auch nach dem Beitritt zur Genfer Konvention Flüchtlinge aus Rumänien nach Rumänien zurückgeschickt hat", weshalb der Beschwerdeführer "nicht gewillt war, in Ungarn zu verbleiben". Er gehöre zwar der ungarischen Volksgruppe an, sei "jedoch vor einer Zurückweisung nach Rumänien trotzdem keineswegs sicher" gewesen. Es sei bekannt gewesen, "daß rumänische Staatsbürger an die Grenze in Gyula gebracht und von dort den rumänischen Behörden übergeben worden waren", und habe "das damalige Ungarische Demokratische Forum, das damals eine illegale außerparlamentarische Opposition war, gegen diese Verstöße der ungarischen Behörden wiederholt protestiert". Die angenommene "Verfolgungssicherheit" sei daher für ihn nicht gegeben gewesen.
Würden diese Behauptungen zutreffen, so könnte nicht mehr ohne weiteres davon die Rede sein, daß - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides - nichts dafür spreche, daß Ungarn die sich aus seiner Mitgliedschaft zur Genfer Flüchtlingskonvention ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Artikel 33 verankerte Refoulement-Verbot etwa vernachlässige, und anzunehmen sei, daß Ungarn von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz biete, dies jeweils bezogen auf den hiebei allein maßgebenden Zeitpunkt des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in diesem Land (vgl. u. a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, und vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/1522). Der Beschwerdeführer hat zwar diese Behauptungen erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt. Damit hat der Beschwerdeführer die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels aufgezeigt.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt) Sachverhalt Verfahrensmängel Verhältnis zu anderen Materien und Normen VwGG (siehe auch Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994010004.X00Im RIS seit
27.11.2000