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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der K-Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, vom 20. November 1991, GZ. 6/1-1137/89-01, betreffend Umsatz- und Gewerbesteuer sowie Feststellung von Einkünften für 1984, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Abspruches über Umsatz- und Gewerbesteuer 1984 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende GmbH war in der Zeit vom 1. Mai 1984 bis zum 5. November 1984 persönlich haftende Gesellschafterin der S.T. & Co KG. In den Akten erliegt eine Vollmacht der KG für den Wirtschaftstreuhänder Dr. B. vom 12. Jänner 1987.
Bei einer im Jahre 1987 vorgenommenen abgabenbehördlichen Prüfung der KG wurde dem von der Prüferin verfaßten Bericht zufolge festgestellt, daß im Streitjahr der Rohaufschlag vom 1. Jänner bis 30. April 1984 erheblich von den in den Jahren 1981 und 1982 sowie für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 1984 erklärten Rohaufschlägen abgewichen sei. Es sei daher im Einvernehmen mit dem Steuerberater eine Umsatz- und Gewinnzurechnung vorgenommen worden.
Das Finanzamt erließ sodann im Sinne des Prüfungsberichtes Bescheide betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1984 sowie Umsatz- und Gewerbesteuer 1984. Der Anteil der Beschwerdeführerin an den Einkünften wurde mit S 0,-- festgestellt. Die Bescheide waren an die KG gerichtet.
Gegen diese Bescheide wurde von einer Wirtschaftstreuhandgesellschaft m.b.H. namens der Beschwerdeführerin Berufung erhoben. In der Berufung wurde geltend gemacht, die Beschwerdeführerin habe keine Gelegenheit gehabt, zu den Prüfungsfeststellungen Stellung zu nehmen. Es wurde beantragt, "den Zeitraum 1. Mai bis 31. Dezember 1984 vorerst bescheidmäßig nicht zu erfassen, bis geklärt ist, ob der jetzige Besitzer des Unternehmens nicht doch die Buchhaltungsunterlagen beibringen kann".
Nach einem Mängelbehebungsauftrag wurde in einer die Berufung ergänzenden Eingabe vom 19. August 1991 darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin erst durch die Steuervorschreibungen von der Durchführung der Betriebsprüfung erfahren habe. Als Anfechtungserklärung wurde die "ungerechtfertigte Vorschreibung von Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1984" angegeben. Beantragt wurde die Aufhebung der Steuervorschreibungen.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung der Berufungsentscheidung wurde ausgeführt, es sei zwar der Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs gerechtfertigt. Durch die Einbringung des Rechtsmittels sei die Beschwerdeführerin jedoch in die Lage versetzt worden, versäumte Einwendungen nachzuholen, wovon die Beschwerdeführerin aber keinen Gebrauch gemacht habe. Das Betriebsergebnis in der Zeit vom 1. Jänner bis 30. April 1984 sei offensichtlich unrichtig gewesen, was zur einvernehmlichen Schätzung der Bemessungsgrundlage geführt habe.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen
inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Umsatz- und Gewerbesteuer
Gemäß § 246 Abs. 1 BAO ist zur Einbringung einer Berufung gegen einen Abgabenbescheid nur befugt, an wen der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist. Hingegen steht einem Gesamtschuldner, der noch nicht zur Abgabenleistung herangezogen worden ist, ein Berufungsrecht nicht zu (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 1970, Zlen. 1081/69, 1377/69, Slg. Nr. 4165/F). Auch einer Person, die als Haftungspflichtige in Betracht kommt, steht ein Berufungsrecht nicht zu.
Die in Rede stehende Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1984 hinsichtlich des Betriebes des gewerblichen Unternehmens der S.T. & Co KG wurde mit dem an diese Personengesellschaft gerichteten Abgabenbescheid vom 18. Mai 1987 vorgeschrieben.
Die Beschwerdeführerin war somit zur Erhebung einer Berufung gegen den allein an die KG gerichteten Abgabenbescheid nicht legitimiert. Zur Klarstellung wird dabei darauf hingewiesen, daß ein (vorerst zur Abgabenleistung nicht herangezogener) Gesamtschuldner oder Haftungspflichtiger im Falle seiner späteren Heranziehung durch die Rechtskraft eines in einem anderen Verfahren erlassenen Bescheides in seinen Verteidigungsmöglichkeiten nicht beschränkt wird (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1962, B 189/61, Slg. 4129).
Die belangte Behörde durfte daher die Berufung der Beschwerdeführerin insoweit, als sie sich gegen Umsatz- und Gewerbesteuer 1984 richtete, nicht in sachliche Behandlung nehmen, sondern hätte sie als unzulässig zurückweisen müssen. Dadurch, daß die belangte Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin eine Sachentscheidung - deren Spruch inhaltlich so zu werten ist, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem Bescheid der unteren Instanz übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hätte, der fortan an die Stelle des erstinstanzlichen Bescheides tritt (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, S. 684) - getroffen hat, hat sie die Beschwerdeführerin im Ergebnis erstmals zur Steuerleistung herangezogen. Eine solche Entscheidung fällt aber nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde; dies belastet den Berufungsbescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG, welcher Aufhebungsgrund gemäß § 41 VwGG von Amts wegen wahrzunehmen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Dezember 1992, 91/13/0013).
2. Gewinnfeststellung 1984
Ungeachtet der Bezeichnung des Beschwerdegrundes wird der belangten Behörde nach dem Inhalt der Beschwerde in Wahrheit die Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Last gelegt. Ausdrücklich werden von der Beschwerdeführerin zunächst Mängel des "Prüfungsverfahrens", somit des Verfahrens der Abgabenbehörde erster Instanz, behauptet. Eine dabei allenfalls erfolgte Verletzung des Parteiengehörs ist schon deswegen nicht stichhältig, weil der Beschwerdeführerin jedenfalls nach der Einbringung der Berufung im länger andauernden Berufungsverfahren - vgl. unter anderem die Stellungnahme der Prüferin zur Berufung - Gelegenheit gegeben worden war, ihren Standpunkt darzulegen (siehe dazu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 612, und die dort wiedergegebene Rechtsprechung). Daß die Beschwerdeführerin es unterließ, im Berufungsverfahren - allenfalls nach einer ihr dem Gesetz zufolge jederzeit offenstehenden Akteneinsicht - substantielle Einwendungen gegen die Höhe der im Prüfungsbericht ausreichend begründeten Schätzung vorzubringen, kann der belangten Behörde nicht angelastet werden.
Mit dem Einwand, die belangte Behörde hätte davon ausgehen müssen, daß in der Zeit vom 1. Mai bis 5. November 1984 - der Zeit, in der die Beschwerdeführerin persönlich haftende Gesellschafterin gewesen sei - eine Buchhaltung geführt worden sei, übersieht sie, daß sich die Einnahmenschätzung nach dem deutlichen Inhalt der angefochtenen Berufungsentscheidung ausschließlich auf die Zeit vom 1. Jänner bis 30. April 1984 beschränkt hat.
Der Umstand, daß der Grund für das Fehlen von Buchhaltungsunterlagen in der Sachverhaltsdarstellung des angefochtenen Bescheides mit einem Verlust auf dem Kennedy Airport in New York unrichtig wiedergegeben worden ist (die Behörde hat dabei offenkundig den Sachverhalt mit jenem verwechselt, der der zu hg. Zl. 92/13/0011 protokollierten Beschwerde zugrunde lag), stellt keinen maßgeblichen Verfahrensmangel dar, weil diese Darstellung den Spruch des angefochtenen Bescheides in keiner Weise trägt.
Die Beschwerde erweist sich somit insoweit, als sie sich gegen die Feststellung von Einkünften wendet, als unbegründet, sodaß sie diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, wobei darauf hinzuweisen ist, daß im pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete GesetzesbestimmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992130016.X00Im RIS seit
11.07.2001