TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/4 94/18/0199

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Veröffentlicht am 04.05.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §5 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §68 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, in der Beschwerdesache des E in N, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 21. März 1994, Zl. Fr 291/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Fremdengesetz (FrG) ein bis zum 31. Mai 1998 befristetes Aufenthaltverbot erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 8. Februar 1992 unter Umgehung der Grenzkontrolle von Ungarn nach Österreich eingereist. Seinen Asylantrag vom 17. Februar 1992 habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung habe der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 22. Juni 1992 als verspätet zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer sei von der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen wegen der Übertretungen nach § 14b Abs. 1 Z. 3 und 4 Fremdenpolizeigesetz rechtskräftig bestraft worden. Weitere Verfahren wegen der Übertretungen des § 14b Abs. 1 Z. 4 Fremdenpolizeigesetz, des § 40 Abs. 2 Paßgesetz 1969 und des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG seien noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Bei seiner Vernehmung vom 5. Februar 1993 habe der Beschwerdeführer angegeben, mittellos zu sein und über keine gültige Krankenversicherung zu verfügen. Er besitze kein Dokument, das ihn zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtige. Ein von der erstinstanzlichen Behörde am 5. Februar 1993 gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 2 und 7 FrG erlassenes Aufenthaltsverbot sei nach Vorlage einer Verpflichtungserklärung und einer privaten Krankenversicherung mit Bescheid vom 15. Februar 1993 gemäß § 68 Abs. 2 AVG behoben worden. Mit Bescheid vom 6. Mai 1993 habe der Beschwerdeführer neuerlich einen Asylantrag eingebracht, der mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Dezember 1993 abgewiesen worden sei. Im Bundesgebiet lebe ein Bruder des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer gehe keiner Beschäftigung nach, sei ledig und habe keine Unterhaltspflichten. Seine Eltern lebten in der Türkei. Auf Grund der Aufenthaltsdauer sei noch nicht von einer erheblichen Integration auszugehen. Sein bisheriger Aufenthalt sei zum überwiegenden Teil rechtswidrig gewesen.

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, daß das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige. Der Mißachtung der für die Einreise in das Bundesgebiet und die Ausreise aus diesem bestehenden Vorschriften komme im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Jedenfalls seit 25. Juni 1992 halte sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, im besonderen eines geordneten Fremdenwesens, dringend geboten. Den privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet sei kein größeres Gewicht beizumessen als dem genannten öffentlichen Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Der Beschwerdeführer rügt als Aktenwidrigkeit, daß die belangte Behörde davon ausgehe, er sei ledig und habe keine Unterhaltspflichten. Er habe am 24. September 1993 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und sei daher für sie unterhaltspflichtig. Dies sei bei der Erstbehörde aktenkundig, weil er mit Schreiben vom 6. Dezember 1993 um eine Aufenthaltsberechtigung angesucht und dabei sämtliche Umstände dargelegt habe.

Bereits diese Ausführungen lassen erkennen, daß die behauptete Aktenwidrigkeit nicht vorliegt, weil in dem Verfahren betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes die Eheschließung vom Beschwerdeführer nicht bekanntgegeben wurde. Es wäre am Beschwerdeführer gelegen, die Änderung seiner persönlichen Verhältnisse infolge Verehelichung der belangten Behörde gegenüber geltend zu machen. Diese hatte keine Veranlassung, von sich aus kurz vor Erlassung des angefochtenen Bescheides Ermittlungen darüber anzustellen, ob sich eine Änderung des Familienstandes ergeben hat. Der vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verfahrensmangel wegen Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht liegt demnach nicht vor (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, auf Seite 261 f angeführte hg. Rechtsprechung). Soweit sich die Beschwerdeausführungen in weiterer Folge auf die erfolgte Verehelichung beziehen, handelt es sich um im Grunde des § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerungen.

2. Die mit Bescheid vom 15. Februar 1993 gemäß § 68 Abs. 2 AVG erfolgte Aufhebung des von der Erstbehörde am 5. Februar 1993 erlassenen Aufenthaltsverbotes bewirkt nur eine Beseitigung des Bescheides vom 5. Februar 1993 mit Wirkung ex nunc (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 659 mwN), nicht aber ein Verbot, die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Umstände bei der neuerlichen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen. Gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme auf Grund des festgestellten Verhaltens des Beschwerdeführers gerechtfertigt sei, bestehen keine Bedenken. Die Beschwerdeausführungen, die rechtskräftigen Bestrafungen nach dem Fremdenpolizeigesetz seien als einzige Tat anzusehen, weil er ohne gültiges Reisedokument nicht in der Lage gewesen sei, einen Sichtvermerk zu erlangen, führen die Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil sie nicht berücksichtigen, daß dem Beschwerdeführer nicht nur die Bestrafungen, sondern darüber hinaus sein bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt sowie die Umgehung der Grenzkontrolle bei der Einreise zur Last fallen.

4. Selbst wenn man - wie dies die belangte Behörde offenbar getan hat - annimmt, daß das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreift, ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 19 FrG zulässig, weil es zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, hier zum Schutz der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, dringend geboten ist. Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Ihm wurde nie eine Aufenthaltsberechtigung erteilt. Selbst wenn sein Aufenthalt während des im Jahre 1992 durchgeführten Asylverfahrens, das heißt vom 17. Februar 1992 bis zum 25. Juni 1992, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 1968 berechtigt gewesen sein sollte, ist zu berücksichtigen, daß der weitaus überwiegende Teil seines Aufenthaltes unberechtigt war und deshalb sowie wegen des Fehlens eines gültigen Reisedokumentes rechtskräftige Bestrafungen erfolgt sind. Das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens läßt in einem Fall wie dem vorliegenden die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen.

5. Auf dem Boden des in unbedenklicher Weise festgestellten Sachverhaltes kann den Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet kein größeres Gewicht beigemessen werden als den oben umschriebenen, für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens. Das Gewicht dieser öffentlichen Interessen wird auch durch die vom Beschwerdeführer hervorgehobene Tatsache nicht verringert, daß er wegen gerichtlich strafbarer Handlungen nicht verurteilt worden sei.

6. Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Eintritt und Umfang der Rechtswirkungen von Entscheidungen nach AVG §68 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180199.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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