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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §3 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Februar 1994, Zl. SD 759/93, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. Februar 1994 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine indische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 839/1992, die Ausweisung verfügt.
Die Beschwerdeführerin sei nach Abweisung eines Einwanderungsantrages - ihr Ehegatte lebe in Österreich - im Juli 1992 illegal nach Österreich eingereist und halte sich seither unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Ihr Aufenthalt sei weder durch den im Februar 1993 gestellten (in der Folge wieder zurückgezogenen) Sichtvermerksantrag noch durch den anfangs Juli 1993 gestellten Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu einem rechtmäßigen geworden.
Der Beschwerdeführerin komme auch die Bestimmung des § 19 FrG nicht zugute. Der Ehegatte lebe seit sechs Jahren in Österreich; die Beschwerdeführerin habe bis zu ihrer Einreise nach Österreich in Indien gelebt. Die Familienzusammenführung unterliege einem bestimmten dafür vorgesehenen Verfahren; die Beschwerdeführerin habe diese, nachdem sie abgelehnt worden sei, eigenmächtig und illegal herbeigeführt. Aus welchen Gründen auch immer eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz bisher nicht erteilt worden sei, der bisherige gemeinsame Aufenthalt der Beschwerdeführerin mit ihrem Gatten in Österreich sei rechtswidrig. Von einem relevanten Eingriff in das Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführerin könne daher schon aus diesem Grund nicht gesprochen werden. Abgesehen davon sei die Ausweisung im Interesse eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten. Diese Maßnahme diene lediglich der Wiederherstellung des gesetzlichen Zustandes. Der Beschwerdeführerin bleibe es unbenommen, sich auf die hiefür vorgesehene Weise von ihrem Heimatstaat aus um eine Familienzusammenführung zu bemühen. Die Situation im Heimatstaat der Beschwerdeführerin sei im Ausweisungsverfahren nicht zu berücksichtigen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 Bedacht zu nehmen.
Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist nach § 19 ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.
2.1. Die Beschwerdeführerin, die weder ihre illegale Einreise im Juli 1992 noch ihren seitdem unerlaubten Aufenthalt in Österreich in Abrede stellt, weist auf die zur Zeit in Indien herrschenden "politischen Wirrnisse, Unruhen und bürgerkriegsartigen Zustände" hin, die für sie sowie ihren zweijährigen Sohn im Fall ihrer Rückkehr "lebensbedrohend" wären. Diese der Behörde gegenüber dargelegten Umstände würden eine Ausweisung gemäß § 19 FrG unzulässig machen. Die belangte Behörde habe sich damit nicht auseinandergesetzt. Sie hätte aber auch darauf Bedacht nehmen müssen, daß sie mit ihrem bereits seit mehr als fünf Jahren in Österreich lebenden Ehegatten schon seit 19. März 1991 verheiratet sei und ihr daher ein Rechtsanspruch im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 2 (des Aufenthaltsgesetzes) zukomme. Daß von einem relevanten Eingriff in das Privat- oder Familienleben nicht gesprochen werden könne, wenn Ehegattin und Kind vom Ehegatten bzw. Vater räumlich auf mehrere tausend Kilometer getrennt würden, erscheine nicht nachvollziehbar.
2.2. Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, daß - entgegen der Annahme der belangten Behörde - nach Lage des Falles mit der Ausweisung ein relevanter Eingriff in ihr Privat- und Familienleben im Sinne des § 19 FrG verbunden wäre. Allerdings führt diese Fehlbeurteilung im angefochtenen Bescheid nicht zur Aufhebung desselben, hat doch die belangte Behörde zutreffend die Ansicht vertreten, daß die Ausweisung der Beschwerdeführerin im Interesse eines geordneten Fremdenwesens im Grunde dieser Gesetzesstelle dringend geboten sei. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Dies hat zur Folge, daß jedenfalls ein unrechtmäßiger Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet dem, wie im Beschwerdefall, nie ein rechtmäßiger vorausgegangen ist, eine Beeinträchtigung des bezeichneten maßgeblichen öffentlichen Interesses von solchem Gewicht darstellt, daß die Ausweisung dringend geboten und damit zulässig im Sinne des § 19 FrG ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0584).
An dieser rechtlichen Beurteilung würde sich selbst dann nichts ändern, wenn die Behauptung, es sei eine Rückkehr für sie (und ihr zweijähriges Kind) nach Indien "lebensbedrohend", zuträfe, weil im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung von der Behörde auf eine allfällige Gefährdung (Bedrohung) des Fremden in seinem Heimatstaat nicht Bedacht zu nehmen ist, wobei ergänzend darauf hinzuweisen ist, daß für die Prüfung der Frage, ob eine (vom Fremden behauptete) Gefährdungs- und/oder Bedrohungssituation im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG vorliegt, ein eigenes Verfahren zur Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat zur Verfügung steht (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 94/18/0134).
Schließlich vermöchte auch ein Anspruch der Beschwerdeführerin - sollte er gegeben sein - auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG (zwecks Familienzusammenführung) an der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG nichts zu ändern, denn das Bestehen enes solchen Anspruches könnte mit der Erteilung einer diesbezüglichen Bewilligung - die im Beschwerdefall unbestritten nicht vorliegt - nicht gleichgesetzt werden.
3. Da somit die behauptete Rechtsverletzung zu verneinen ist - was schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren (damit auch ohne Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages hinsichtlich einer weiteren Beschwerdeausfertigung für den Bundesminister für Inneres) als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180178.X00Im RIS seit
02.05.2001