Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1993 §19;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. August 1993, Zl. SD 364/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. August 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei unbestrittenermaßen am 20. Jänner 1993 vom Jugendgerichtshof Wien wegen der Verbrechen des schweren Raubes und des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch und als Mitglied einer Bande sowie wegen der Vergehen der Bandenbildung und der Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, bedingt auf drei Jahre Probezeit, rechtskräftig verurteilt worden. Damit lägen beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1, aber auch jene des § 18 Abs. 1 FrG vor.
Es bestehe kein Zweifel, daß ein Aufenthaltsverbot im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer in Wien geboren sei und sich seit dem Jahr 1989 ständig im Bundesgebiet aufhalte, und seine Eltern seit vielen Jahren in Österreich lebten, einen beträchtlichen Eingriff in dessen Privat- und Familienleben darstelle. Ungeachtet dessen sei diese Maßnahme zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter (Art. 8 Abs.2 MRK) dringend geboten. Der Beschwerdeführer sei Mitglied einer Jugendbande gewesen, die sich zum Ziel gesetzt habe, sich durch wiederkehrende Begehung von Raubüberfällen und Einbruchsdiebstählen ihren Lebensunterhalt zu verdienen oder zumindest aufzubessern. In zwei Fällen hätten die Bandenmitglieder - unter ihnen der Beschwerdeführer - nicht einmal davor zurückgeschreckt, ihnen völlig unbekannte Menschen auf offener Straße niederzuschlagen, zu treten und dann die Opfer zu berauben. Diese kriminellen und immer brutaler gewordenen Aktivitäten der Jugendbanden erforderten im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ein äußerst energisches Einschreiten. Der Ansicht des Beschwerdeführers, die vom Gericht gewährte bedingte Strafnachsicht wäre allein schon Garant dafür, daß er die Sicherheitsinteressen Österreichs nicht mehr verletzen werde, könne sich die belangte Behörde nicht anschließen. Angesichts der massiven Eingriffe in fremdes Vermögen und der raschen Abfolge der strafbaren Handlungen sei eine positive Zukunftsprognose für den Beschwerdeführer nicht möglich. Im vorliegenden Fall wögen daher die maßgebenden öffentlichen Interessen - vor allem jenes an der Bekämpfung der Bandenkriminalität - und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer als die zweifelsohne aufgrund der Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner Familie in Österreich beträchtlichen Auswirkungen auf die Lebenssituation derselben. Das Aufenthaltsverbot sei somit im Grunde der §§ 19 und 20 FrG zulässig.
Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei von der Erstbehörde offensichtlich im Hinblick auf das jugendliche Alter des Beschwerdeführers nur mit zehn Jahren bemessen worden. Eine Verkürzung habe nicht in Erwägung gezogen werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und dessen Aufhebung begehrt wird.
II
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde läßt die maßgebliche Sachverhaltsannahme der belangten Behörde - die rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen mehrerer Verbrechen und Vergehen zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren (siehe oben I.1.) - unbestritten und den daraus gezogenen rechtlichen Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z.1 FrG und die Berechtigung der im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Annahme unbekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese rechtliche Beurteilung keine Bedenken.
2.1. Unter dem Gesichtspunkt des § 19 FrG bringt die Beschwerde vor, es sei dem bekämpften Bescheid nicht zu entnehmen, warum die Verhängung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei. Im Blick auf die Verhinderung der Begehung weiterer strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sei zu berücksichtigen, daß der Vollzug der über ihn verhängten Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen worden sei. Damit sei eine neuerliche Straffälligkeit des Beschwerdeführers auszuschließen und ein Aufenthaltsverbot gegen ihn zumindest nicht dringend geboten.
2.2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid hinreichend dargelegt, weshalb sie zur Erreichung einzelner im Art. 8 Abs. 2 MRK angeführter Ziele die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für dringend geboten erachtet. Daß ihre Argumentation diese rechtliche Beurteilung nicht tragen könnte, vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen. So ist die Auffassung der belangten Behörde, daß die Art und Schwere der der gerichtlichen Verurteilung zugrundegelegenen Straftaten sowie die Umstände, unter denen sie z.T. begangen wurden, aber auch die besondere Gefährlichkeit der Bandenkriminalität die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer insbesondere zum Schutz der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig erscheinen lasse, nicht zu beanstanden.
Die vom Gericht ausgesprochene bedingte Strafnachsicht ändert daran nichts. Denn abgesehen davon, daß dieser Umstand keinesfalls - wie die Beschwerde meint - Garantie für künftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers sein kann, hatte die belangte Behörde die Frage der Erforderlichkeit des Aufenthaltsverbotes eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen, somit ohne an die Erwägungen gebunden zu sein, die das Gericht veranlaßten, die Strafe bedingt nachzusehen.
3.1. Auch die Interessensabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG hält die Beschwerde unter Hinweis auf die bedingte Strafnachsicht und die damit verbundene günstige Zukunftsprognose durch das Gericht für rechtswidrig. Im übrigen habe die belangte Behörde dem Umstand, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlungen wie auch noch derzeit minderjährig sei, zu wenig Beachtung geschenkt. Gleiches gelte für die Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens des Beschwerdeführers. Schließlich sei zu bedenken, daß das Aufwachsen in einem geordneten Familienverband jedenfalls dem unbeaufsichtigten Leben in einem Kriegsgebiet vorzuziehen und demnach zur Erreichung der Zwecke des Aufenthaltsverbotes, nämlich Verhinderung von Straftaten, eher geeignet sei.
3.2. Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Abwägung nach § 20 Abs. 1 FrG nicht darzutun. Im angefochtenen Bescheid wurde auf alle zu berücksichtigenden privaten und familiären Gesichtspunkte, die gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechen, Bedacht genommen, und es wurden die auf diese Umstände zurückzuführenden negativen Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie als beträchtlich gewertet. Dieser zutreffenden Einschätzung hat die belangte Behörde aber ebenso zutreffend das sehr große Gewicht der maßgeblichen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen gegenübergestellt. Wenn sie dabei zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die besagten negativen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme, so kann dem angesichts der eine krasse Mißachtung der körperlichen Integrität und des Eigentums anderer Menschen zum Ausdruck bringenden Straftaten des Beschwerdeführers, die eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit begründen, nicht entgegengetreten werden.
4. Was den Beschwerdeeinwand anlangt, die belangte Behörde hätte die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes nicht mit dem Höchstausmaß von zehn Jahren festsetzen dürfen, so scheint der Beschwerdeführer zum einen zu übersehen, daß das Gesetz in Fällen wie dem vorliegenden auch ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zuläßt (vgl. § 21 Abs. 1 FrG). Zum anderen ist er auf die ständige hg. Rechtsprechung zu verweisen, wonach ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen ist, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0516). Von daher stößt es auf keine Bedenken, daß die belangte Behörde sich nicht in der Lage gesehen hat, den Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes vor Verstreichen von zehn Jahren anzunehmen.
5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180031.X00Im RIS seit
11.07.2001