TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/5 92/06/0161

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Veröffentlicht am 05.05.1994
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Index

L85007 Straßen Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
LStG Tir 1989 §13 Abs2;
LStG Tir 1989 §16 Abs3;
LStG Tir 1989 §20 Abs3;
LStG Tir 1989 §20 Abs5 lita;
LStG Tir 1989 §20 Abs5;
LStG Tir 1989 §20 Abs8 litb;
LStG Tir 1989 §20;
LStG Tir 1989 §22 Abs2;
LStG Tir 1989 §22 Abs5;
LStG Tir 1989 §25 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des Franz H in K, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 24. Juni 1992, Zl. IIb1-L-1773/5-1992, betreffend die Neufestsetzung der Beitragsanteile an einer Straßengemeinschaft und die Einbeziehung neuer Interessenten (mP: Weggemeinschaft N-M, vertreten durch den Obmann), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In der Jahreshauptversammlung der mitbeteiligten Partei (kurz: Weggemeinschaft) wurde am 18. Mai 1983 beschlossen, auch den Beschwerdeführer mit 0,30 % Anteilen in die Weggemeinschaft einzubeziehen. In der Folge wurden Mitgliedsbeiträge vorgeschrieben und es wurde auch danach getrachtet, sie nach Erlassung eines Rückstandsausweises exekutiv einzubringen. Mit Bescheid vom 9. Oktober 1985 stellte die Bezirkshauptmannschaft über Antrag des Beschwerdeführers fest, daß dieser nicht Mitglied der Weggemeinschaft sei. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, die durchgeführten Ermittlungen hätten ergeben, daß er weder bescheidmäßig in die Weggemeinschaft einbezogen worden sei, noch eine in die Weggemeinschaft einbezogene Liegenschaft erworben habe. Bislang habe die Weggemeinschaft auch nicht beantragt, ihn einzubeziehen.

In der Folge beantragte die Weggemeinschaft, soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, sowohl die Änderung der Beitragsanteile verschiedener bereits einbezogener Mitglieder, als auch die Einbeziehung weiterer Interessenten, darunter den Beschwerdeführer.

Hierüber wurde mit Kundmachung der zuständigen Bezirkshauptmannschaft vom 1. Februar 1990 (die auch dem Beschwerdeführer zugestellt wurde) eine Verhandlung anberaumt. Die Kundmachung hat folgenden für das Beschwerdeverfahren erheblichen Wortlaut:

"Kundmachung:

Die Weggemeinschaft N-M (i. T.) hat um Neufestsetzung der Beitragsanteile nach dem Tiroler Straßengesetz angesucht.

Hierüber wird gemäß §§ 40 - 44 AVG, § 42 TStG iVm § 75 Abs. 1 lit. b TStG 1989 die

mündliche Verhandlung

auf Donnerstag, den 1.3.1990 (...) anberaumt. Bei welcher es den Parteien freisteht, persönlich oder durch einen bevollmächtigten Vertreter, der zur Abgabe vorbehaltloser Erklärungen ermächtigt sein muß, an der Verhandlung teilzunehmen und allfällige Einwendungen vorzubringen. Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel oder während der Verhandlung vorgebracht werden, finden keine Berücksichtigung und die Beteiligten werden als dem Verhandlungsgegenstande zustimmend angesehen. Etwaige Vorbehalte hinsichtlich nachträglicher Erklärungen können gemäß § 42 AVG nicht berücksichtigt werden.

...

Die Projektbehelfe liegen bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel und beim zuständigen Gemeindeamte bis zum Tag der Verhandlung zur öffentlichen Einsichtnahme auf ..."

Der Beschwerdeführer erschien nicht zur Verhandlung und erhob auch keine Einwendungen.

Mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom 3. Mai 1990 wurden 1) die Beiträge einer Reihe von Interessenten neu festgesetzt und 2) gemäß § 25 Abs. 3 iVm § 20 Abs. 5 TStG eine Reihe weiterer Interessenten nachträglich in die Straßeninteressentschaft (Weggemeinschaft) aufgenommen und deren Beitragsanteile näher beziffert, darunter unter Post 47 der Beschwerdeführer mit 1,20 Anteilen. Mit dem Punkt 3) des Bescheides wurde die Satzung der Weggemeinschaft gemäß den § 22 Abs. 5 und § 25 Abs. 3 TStG dahin geändert, daß das der Satzung angeschlossene Mitgliedsverzeichnis im Sinne der Veränderungen, die sich aus den Punkten 1) und 2) des Bescheides ergaben, abgeändert werde; schließlich wurden zu Punkt 4) Einwendungen näher bezeichneter Beteiligter als unbegründet abgewiesen und zu Punkt 5) ein Antrag einer Beteiligten zurückgewiesen. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, wurde begründend ausgeführt, daß die Behörde gemäß § 25 Abs. 3 TStG Interessenten, bei denen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 5 TStG nachträglich eingetreten seien, auf Antrag der Straßeninteressentschaft mit Bescheid in die betreffende Straßeninteressentschaft einzubeziehen habe. Gemäß letzterer Gesetzesstelle kämen als Interessenten unter anderem Personen in Betracht, welche Eigentümer eines durch die Straße unmittelbar oder mittelbar erschlossenen Grundstückes seien, Personen denen an einem derartigen Grundstück ein dingliches Recht zustehe, das sie zum Gebrauch oder zur Nutzung dieses Grundstückes berechtige, sowie Inhaber von Unternehmen auf einem durch die Straße unmittelbar oder mittelbar erschlossenen Grundstück, wenn die Straße für das Unternehmen einen verkehrsmäßigen Vorteil bringe. Die im Spruchteil 2 genannten Personen erfüllten zumindest eine dieser Voraussetzungen, weshalb sie als neue Interessenten in die Weggemeinschaft aufzunehmen gewesen seien. Dies ergebe sich aus dem schlüssigen Gutachten des Amtssachverständigen sowie der zustimmenden Äußerungen der betroffenen Interessenten, soweit sie bei der mündlichen Verhandlung am 1. März 1990 anwesend gewesen seien. Die ablehnenden Äußerungen (Einwendungen) verschiedener näher bezeichneter Interessenten sei nicht geeignet, das Gutachten zu erschüttern (wird näher ausgeführt).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte vor, die Verhandlung vom 1. März 1990 sei in seiner Abwesenheit durchgeführt worden. Daraus könne ihm aber kein Nachteil erwachsen, weil Gegenstand der Verhandlung gemäß der Kundmachung (nur) die "Neufestsetzung der Beitragsanteile nach dem Tiroler Straßengesetz" gewesen sei. Der bekämpfte Bescheid befasse sich aber nur in seiner Z 1. mit der Neufestsetzung der Anteile, während er sich in seinen Z 2. und 3. mit Neueinbeziehungen und einer Änderung der Satzung befasse. Diese beiden Punkte beträfen also Gegenstände, die möglicherweise verhandelt, aber nicht in der Kundmachung als Gegenstand der Verhandlung genannt worden seien. Damit habe man sich über seine Parteienrechte hinweggesetzt, weshalb der bekämpfte Bescheid schon allein aus diesem Grunde zu beseitigen wäre. In der Frage der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers und damit zu seiner Beitragsverpflichtung sei bereits ein rechtskräftiger Bescheid der Tiroler Landesregierung ergangen, aus dem entnommen werden könne, daß er kein Mitglied sei (gemeint ist der Bescheid vom 9. Oktober 1985). Seitdem habe sich der Sachverhalt nicht im geringsten geändert, sodaß der bekämpfte Bescheid, soweit er den Beschwerdeführer betreffe, eine Verletzung der gegebenen Rechtskraft darstelle. Der Bescheid sei aber auch in der Sache selbst nicht gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer benütze die fragliche Straße nicht; er habe sie nie benützt und werde sie auch nie benützen, weil er für die Erschließung seines Grundstückes aufgrund einer Bewilligung der Bundesstraßenverwaltung vom 30. Juli 1964 von seinem Grundstück über den privaten Weg direkt zum öffentlichen Straßennetz verkehre. Er sei also kein Interessent im Sinne der Bestimmungen des § 20 TStG. Auch sonst fehlten die gesetzlichen Anknüpfungspunkte. Diese seien der Behörde entgangen, weil sie die Verhandlung nicht über diesen Gegenstand ausgeschrieben und sie ihn daher auch nicht habe anhören können.

Schließlich wäre - und das werde nur rein theoretisch ausgeführt - im Falle einer tatsächlichen Mitgliedschaft der erhobene Beitrag "aber schon weit überhöht" sein. Das Gutachten sei nicht bekannt; es sei auch nicht zur Stellungnahme zur Verfügung gestellt worden. Es sei aber offenbar, daß jemandem, der einen Weg gar nicht benütze, ein Beitragsanteil in der angeführten Höhe (zu ergänzen: nicht) auferlegt werden könne.

Infolge dieser (wie auch anderer) Berufungen ergänzte die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren durch Einholung eines ergänzenden Gutachtens. Bezogen auf den Beschwerdeführer, nahm der Sachverständige zunächst zu verschiedenen rechtlichen Aspekten Stellung und führte sodann aus, daß der in den Punkten

3. und 4. der Berufung angeführte Privatweg (Feldweg) eine schmale rund 240 m lange Verbindungsstraße zwischen der Bundesstraße B112 und der fraglichen Interessentenstraße sei, wobei das Haus des Beschwerdeführers rund 30 m von der Interessentenstraße entfernt situiert sei. Es hätten sich bereits acht Anrainer des Feldweges zur öfteren Benützung der fraglichen Interessentenstraße bekannt und die Einstufung von 0,30 Anteilen pro Haushalt bescheidmäßig akzeptiert. Die Gemeinde K habe kürzlich bestätigt, daß 4 Mieter des Hauses des Beschwerdeführers (4 Haushalte) und deren Besucher von Zeit zu Zeit die Interessentenstraße benützten und daher im Sinne des Tiroler Straßengesetzes als Interessenten der Straßenanlage zu bezeichnen seien. Im Gutachten wird sodann der Einstufungsvorgang dargelegt: der "angeschätzte Straßenbenützungsumfang" wird mit 90 % über die Bundesstraße und 10 % über die Interessentenstraße angenommen. Bei 10 % der Volleinstufung und 0,3 % Anteilen pro Haushalt ergäben sich bei 4 Haushalten 1,20 Anteile (wird näher ausgeführt).

Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Er äußerte sich dahin, daß die Rechtsauführungen im Gutachten dem Sachverständigen nicht zustünden. Der Beschwerdeführer habe kein Interesse an der Benützung der Straßenanlage, wonach auch der Umstand nichts zu ändern vermöge, daß sich bereits 8 Anrainer des Feldweges zur öfteren Benützung dieser Straßenanlage bekannt hätten. Er habe die Straße nie benützt oder werde sie auch nie benützen, weil er für die Erschließung seines Grundstückes aufgrund jener Bewilligung der Bundesstraßenverwaltung vom 30. Juli 1964 von seinem Grundstück über den privaten Weg direkt zum öffentlichen Straßennetz verkehre, weshalb er kein Interessent im Sinne des § 20 TStG sei. Die erwähnte Bestätigung der Gemeinde K, wonach 4 Mieter seines Hauses und deren Besucher von Zeit zu Zeit die Straße benützen würden, entbehre jeglicher Grundlage und stimme nicht mit den Tatsachen überein. Zudem handle es sich hier um nicht näher überprüfbare Angaben; es könne nicht einmal ein Datum angegeben werden und es fehlten die Namen der Personen, die die Straße angeblich benützt hätten.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, es sei richtig, daß jene Kundmachung nur von einer "Neufestsetzung der Beitragsanteile" und nicht ausdrücklich von einer "Neueinbeziehung von Interessenten" gesprochen habe. Angesichts des Wortlautes der Kundmachung hätte dem Beschwerdeführer klar werden müssen, daß auch er künftighin "als in irgendeinerweise von der Neuverteilung der Beitragsanteile Betroffener betrachtet werden würde", denn es lasse sich auch durchaus sprachlich aus dem Begriff "Neufestsetzung" ableiten, "daß darunter ebenso eine Festsetzung von neuen Interessenten - und nicht nur von Beitragsanteilen - zu verstehen" sei. Davon abgesehen, hätte der Beschwerdeführer - sollte er Zweifel am Sinne der Kundmachung gehabt haben - genügend Zeit gehabt, zwischen Zustellung der Kundmachung und mündlicher Verhandlung bzw. in der Verhandlung selbst, "um diese seine Zweifel der Behörde kundzutun bzw. sie auszuräumen". Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Da demnach einerseits der Gegenstand der Kundmachung mit dem Gegenstand der mündlichen Verhandlung übereingestimmt habe, andererseits der Beschwerdeführer es selbst zu verantworten habe, daß er an der Verhandlung nicht teilgenommen habe, seien seine Einwendungen gemäß § 42 Abs. 1 AVG präkludiert, weshalb bereits aus diesem Grunde die Berufung als unbegründet abzuweisen sei.

Inhaltlich sei der Argumentation der Berufung zu entgegnen, daß gemäß § 22 Abs. 5 TStG 1989 die Behörde dann, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung der Beitragsanteile maßgebend gewesen seien, wesentlich geändert hätten, auf Antrag die Beitragsanteile neu festzulegen habe. Dieser gesetzlichen Bestimmung folge konsequenterweise auch die Regelung des § 25 Abs. 3 TStG, wonach die Behörde Interessenten, bei denen die Voraussetzungen nach § 20 Abs. 5 TStG vorlägen, in die betreffende Straßeninteressentschaft miteinzubeziehen habe. Gemäß letzterer Gesetzesbestimmungen kämen als Interessenten all jene Eigentümer in Betracht, deren Grundstücke durch die Interessentenstraße unmittelbar oder mittelbar erschlossen werden. Unbestritten sei - und nicht nur von Seiten des Beschwerdeführers sondern auch belegt durch das Gutachten eines Sachverständigen, welches auch bei der mündlichen Verhandlung vom 1. März 1990 aufgelegen sei und somit dem Beschwerdeführer zur Einsicht zur Verfügung gestanden wäre - daß seine Liegenschaft zumindest mittelbar - wie von § 20 Abs. 5 lit. a TStG als Voraussetzung für die Zuordnung als Interessent gefordert - durch die Interessentenstraße erschlossen sei. Darauf, ob oder wie häufig diese Straße von Interessenten und deren Mitbewohner benützt werde, stelle das Tiroler Straßengesetz nicht ab und es sei dies daher von keinerlei Bedeutung. Das werde auch durch das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten bestätigt, dem der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei (wird näher ausgeführt). Auch ein Verstoß gegen die Rechtskraft des Bescheides vom 9. Oktober 1985 liege nicht vor, weil eine Rechtskraftverletzung nur bei Identität der Sache und auch der Rechtslage möglich sei. Da der erstinstanzliche Bescheid auf dem Tiroler Straßengesetz 1989 und nicht wie der Bescheid vom 9. Oktober 1985, auf dem Tiroler Straßengesetz 1951 beruhe, liege auch keine Verletzung der Rechtskraft vor, denn § 83 TStG regle ausdrücklich, daß nur Straßenbaubewilligungsverfahren und Enteignungsverfahren, bei denen bereits vor dem Inkrafttreten des TStG 1989 eine Entscheidung der Behörde erster Instanz erlassen worden sei, nach den Bestimmungen des TStG 1951 zu Ende zu führen seien. Alle anderen Verfahren seien nach dem TStG 1989 durchzuführen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der in der Beschwerde abermals behauptete vermeintliche Verstoß gegen die Rechtskraft des Bescheides vom 9. Oktober 1985 liegt schon mangels Identität der Sache nicht vor, war doch Gegenstand des Vorbescheides die Feststellung, daß der Beschwerdeführer deshalb nicht Mitglied sei, weil er weder durch Bescheid einbezogen worden war, noch eine einbezogene Liegenschaft erworben habe, was keineswegs (vorweg) die Einbeziehung über entsprechenden Antrag hindert. Damit sind auch weitere Erwägungen zur Identität der Rechtslage entbehrlich.

Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Meinung ist die Änderung von Beitragsanteilen und die Einbeziehung neuer Interessenten rechtlich zweierlei, weil die Änderung von Beitragsanteilen auch ohne Einbeziehung weiterer Mitglieder erfolgen kann. Die Kundmachung war daher gemäß ihrem objektiven Erklärungswert nicht zwingend dahin zu verstehen, daß nicht nur die Änderung von Beitragsanteilen, sondern auch die Einbeziehung weiterer Interessenten Gegenstand der Verhandlung sein sollte. Schon mangels gehöriger Kundmachung auch des weiteren Begehrens (Einbeziehung weiterer Interessenten) ist somit die von den Behörden angenommene Präklusion (§ 42 Abs. 1 AVG) hinsichtlich des Beschwerdeführers nicht eingetreten (vgl. dazu die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S 283 unter Z 24 f zitierte Judikatur). Damit hat sich die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend auch inhaltlich mit den vom Beschwerdeführer in seiner Berufung zulässigerweise erhobenen Einwendungen auseinandergesetzt.

§ 20 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989 (TStG 1989 - alle nicht näher bezeichneten Paragraphenzitate beziehen sich auf dieses Gesetz), regelt die Bildung von Straßeninteressentschaften. Nach dem § 20 Abs. 5 kommen als Interessenten in Betracht: a) die Eigentümer der durch die Straße unmittelbar oder mittelbar erschlossenen Grundstücke (die lit. b bis e sind im Beschwerdefall nicht von Belang).

Nach § 25 Abs. 3 hat die Behörde Interessenten, bei denen die Voraussetzungen nach § 20 Abs. 5 nachträglich eingetreten sind, auf ihren Antrag oder auf Antrag der Straßeninteressentschaft mit Bescheid in die betreffende Straßeninteressentschaft einzubeziehen. Ein solcher Bescheid hat auch die entsprechenden Änderungen der Satzung zu enthalten. Nach den bei Gstöttner, Tiroler Straßengesetz (1989), S 101, abgedruckten Gesetzesmaterialien heißt es dazu, so wie der Bescheid über die Bildung einer Straßeninteressentschaft die Satzung zu enthalten habe (verwiesen wird auf § 20 Abs. 8 lit. b), sei nach § 25 Abs. 3 auch im Bescheid über die nachträgliche Einbeziehung von Interessenten die entsprechende Änderung der Satzung, insbesondere die Festlegung der neuen Beitragsanteile, zu verfügen.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ermöglicht § 25 Abs. 3 die nachträgliche Einbeziehung von Interessenten (bei Zutreffen der weiteren Voraussetzungen) nur dann, wenn die Voraussetzung nach § 20 Abs. 5 nachträglich eingetreten sind.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag der Argumentation des Beschwerdeführers, daß er nicht als Interessent einbezogen werden könne, weil hiefür ein tatsächlicher verkehrsmäßiger Vorteil durch die Interessentenstraße eintreten müsse, der hinsichtlich seiner Liegenschaft deshalb fehle, weil sie bereits anderweitig aufgeschlossen sei, nicht beizutreten. Für eine Einbeziehung genügt vielmehr die Tatsache der "Erschließung" des Grundstückes, das heißt, daß das betreffende Grundstück über den Interessentenweg erreicht wird und dadurch zumindest über die bisherige Aufschließung hinaus eine ZUSÄTZLICHE (wenn auch mittelbare) Erschließung eintritt. Das (unterschiedliche) Maß des Erschließungsinteresses im Vergleich zu anderen Interessenten drückt sich lediglich im Beitragsanteil aus (§ 22 Abs. 2), berührt aber nicht die Interessentenstellung dem Grunde nach (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1993, Zl. 93/06/0017). Darauf, ob oder wie häufig diese Straße vom Interessenten und dessen Mitbewohnern benützt wird, stellt - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - das Gesetz hingegen nicht ab.

Von diesen Überlegungen ausgehend, gestattet die gegebene Verfahrenslage noch keine abschließende Beurteilung der Sache:

nach den insoweit unbestrittenen Ausführungen des Sachverständigen im ergänzenden Gutachten im Berufungsverfahren ist der vom Beschwerdeführer angeführte Privatweg (auch als Feldweg bezeichnet) eine schmale rund 240 m lange Verbindungsstraße zwischen der Bundesstraße und der fraglichen Interessentenstraße; sein Haus liegt rund 30 m von der Interessentenstraße entfernt. Nach der in den Verwaltungsakten befindlichen Beilage I zur Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 2. Jänner 1979, mit denen die fragliche Straße zum öffentlichen Interessentenweg erklärt wurde, zweige die Straße bei der L-Ersatzstraße ab und führe in weiterer Folge zur Gemeindegrenze, führe weitere ein Stück entlang der Grenze zum Ortsteil "M" und münde in nördlicher Richtung wieder in die L-Ersatzstraße ein; ihre Gesamtlänge betrage rund 980 m. Demnach ist die Annahme der belangten Behörde, daß durch diese Interessentenstraße eine

- zusätzliche - Erschließung des Grundstückes des Beschwerdeführers eintrete, zutreffend (sofern die topographischen Gegebenheiten unverändert geblieben sind).

Die vorliegenden Verfahrensergebnisse gestatten aber nicht die abschließende Beurteilung der Frage, wann diese im § 20 Abs. 5 umschriebenen Voraussetzungen hinsichtlich des Beschwerdeführers eingetreten sind, insbesondere, ob dies "nachträglich", dh. nach Bildung der Straßeninteressentschaft war, was gemäß § 25 Abs. 3 Voraussetzung für eine nachträgliche Einbeziehung wäre.

Dadurch, daß die belangte Behörde diese Umstände verkannte, belastete den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 1 Z 2 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil für die Beschwerden zu viel Stempelgebühren entrichtet wurden.

Schlagworte

Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992060161.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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