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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AltstadterhaltungsG Graz 1980 §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der E in G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 2. Juli 1992, Zl. A 17 - K 6.806/1991-5, betreffend Einwendungen gegen eine Widmungsänderung (mitbeteiligte Partei:
XY-Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.990,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf die Ausführungen in den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1991, Zl. 90/06/0057 (idF der Berichtigung vom 12. Dezember 1991), und vom 26. November 1992, Zl. 90/06/0099, verwiesen. Daraus ist hervorzuheben, daß die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei die Bewilligung zur Errichtung eines Zubaues, von Umbauten und des Ausbaues eines Objektes in Graz anstrebte.
Die mitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin), die die Liegenschaft zwischenzeitig erworben hat, kam mit den am 19. Juni 1990 und am 27. November 1990 bei der Baubehörde erster Instanz eingelangten Ansuchen um Bewilligung der Widmungsänderung ein, nämlich um Erhöhung der Bebauungsdichte auf 3,2 gemäß § 3 Abs. 2 der Bebauungsdichteverordnung, um Erhöhung des Bebauungsgrades auf 0,7, um Änderungen der Baugrenzlinien gemäß einem näher bezeichneten Plan und um Erweiterung des Verwendungszweckes für gastronomische Betriebe. In der hierüber anberaumten Verhandlung vom 3. Juni 1991 erhob die Beschwerdeführerin als Nachbarin die Einwendung, daß die angestrebte Dichte von 3,2 den im Flächenwidmungsplan festgesetzten Wert von 2,0 überschreite. Im Anschluß daran holte die Baubehörde Gutachten zur Klärung dieser Frage ein, denen die Beschwerdeführerin entgegenhielt, daß nach dem Gesetz eine Überschreitung der zulässigen Dichte von 2,5 (die Anführung eines Wertes von 2,0 beruhe auf einen Schreibfehler) nur dann möglich sei, wenn dies aus städtebaulichen Gründen im Sinne des Ortsbildschutzes notwendig sei, was aber im vorliegenden Fall nicht zutreffe (wird näher ausgeführt).
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die aufgrund eines Devolutionsantrages gemäß § 73 AVG zur Entscheidung in erster Instanz berufene belangte Behörde entschieden, daß der Bauwerberin die Änderung der Widmung der betreffenden Grundstücke "unter Festsetzung der in der beiliegenden Verhandlungsschrift enthaltenen Bebauungsgrundlagen und Auflagen bewilligt" werde; alle übrigen Bebauungsgrundlagen und Auflagen des näher bezeichneten Widmungsbewilligungsbescheides vom 3. November 1989 blieben vollinhaltlich aufrecht. Die Einwendung der Beschwerdeführerin, wonach die festgesetzte maximale Dichte von 3,2 den im Flächenwidmungsplan festgesetzten Wert von 2,0 überschreite, werde als unbegründet abgewiesen.
In der bezogenen Verhandlungsschrift habe der Sachverständige ausgeführt, daß die Widmungsänderungsbewilligung unter Festsetzung folgender Bebauungsgrundlagen zu erteilen wäre:
1)
Bebauungsdichte: mindestens 1,5, höchstens 3,2 der Bauplatzfläche;
2)
Bebauungsgrad: mindestens 0,5, höchstens 0,7 der Bauplatzfläche;
3)
Baugrenzlinien: gemäß Eintragung im Widmungsplan (-.-.-.- Linien);
4)
Verwendungszweck: Wohn-, Büro- und Geschäftszwecke inklusive kleingewerbe- und gastronomische Nutzung, Nebengebäude sei nicht zulässig;
5)
Anlegung von Freiflächen: die Errichtung von Kraftfahrzeugabstellplätzen im Innenhof sei unzulässig.
Begründend wurde ausgeführt, daß sich der Bescheid "auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 3.6.1991, auf das ergänzend durchgeführte Ermittlungsverfahren und auf die angeführten gesetzlichen Grundlagen" gründet. Zur Abweisung der Einwendung der Beschwerdeführerin führte die belangte Behörde nach Darstellung deren Parteistellung zusammenfassend aus, daß der Widmungsgrund unbestritten im Bauland liege und im geltenden Flächenwidmungsplan 1982 der Landeshauptstadt Graz wie auch im Flächenwidmungsplanentwurf 1992 gemäß § 23 Abs. 5 lit. c des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 (ROG) als "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet" ausgewiesen sei. Nach § 2 Abs. 2 lit. c der Bebauungsdichte-Verordnung, LGBl. Nr. 60/1987, betrügen die zulässigen Mindest- und Höchstwerte der Bebauungsdichte für "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiete" 0,1 bis 2,5. Der Flächenwidmungsplan sehe hinsichtlich des gegenständlichen Grundstückes eine Bebauungsdichte von 0,5 bis 2,5 vor. Weiters liege der Widmungsgrund im Schutzgebiet des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes (GAEG) (Zone I gemäß § 2 GAEG 1980). Gemäß § 23 Abs. 14 ROG blieben die in den anderen Landesgesetzen für die Erhaltung von historisch, städtebaulich und architektonisch bedeutsamen Ortsteilen getroffenen Bestimmungen unberührt. Gemäß § 3 Abs. 2 zweiter Satz BO fänden in Schutzzonen nach dem GAEG die Bestimmungen des ROG 1974 nur insoweit Anwendung, als die genannten Gesetze nicht abweichende Regelungen träfen. Das GAEG stelle eindeutig ein Landesgesetz dar, dessen Ziel die Erhaltung von historisch, städtebaulich und architektonisch bedeutsamen Ortsteilen im Sinne des § 23 Abs. 14 ROG sei. Dies bedeute, daß die Bestimmungen des GAEG vorgingen (wird näher ausgeführt). Der Dichtehöchstwert nach der Bebauungsdichte-Verordnung und die darauf basierende Ausweisung im Flächenwidmungsplan könne daher nur dann Anwendung finden, wenn dadurch auch den Gestaltungsvorgaben des § 6 GAEG 1980 entsprochen werden könne. Somit sei klargestellt, daß die Einwendung, wonach die festgesetzte maximale Dichte nicht über derjenigen des Flächenwidmungsplanes festgesetzt werden könne, als unbegründet abzuweisen sei. Offen bleibe lediglich die Frage, ob die Ausübung des Planungsermessens auf der Grundlage eines schlüssigen und vollständigen Sachverständigengutachtens erfolgt sei. Die im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 19. Dezember 1991 getroffene Aussage, die eigenen Feststellungen des Sachverständigen hätten die Beurteilung widerlegt, daß die Festsetzung einer Bebauungsdichte von maximal 3,2 dem Gebietscharakter entspreche, sei insoweit nicht zutreffend, als die vom Amtssachverständigen erhobenen Dichtewerte der für das Erscheinungsbild bedeutsamen Grundstücke einen maximalen Bebauungsdichtewert zwischen 1,819 und 3,611 aufwiesen (wird näher ausgeführt). In der Stellungnahme des Amtssachverständigen seien die tatsächlichen Bebauungsdichtewerte der für den Vergleich in Betracht kommenden umliegenden Grundstücke berücksichtigt; ein Widerspruch zwischen dem schließlich festgelegten Höchstmaß der Bebauungsdichte von 3,2 mit dem tatsächlich bestehenden bzw. sich aus den zulässigen planerischen Absichten ergebenden Gebietscharakter bestehe nicht. Damit sei die Festsetzung der Bebauungsdichte aufgrund einer schlüssigen Stellungnahme des Amtssachverständigen, der die Beschwerdeführerin auch nicht mit einem auf gleicher fachlichen Ebene stehenden Gutachten entgegengetreten sei, im Sinne des Gesetzes erfolgt. Da die Bebauungsdichte nicht zu einem zum Erscheinungsbild gehörenden gestaltwirksamen Merkmal eines Gebäudes im Sinne des § 3 Abs. 1 GAEG zähle, bleibe die Lösung der Frage, ob dem Einfügungsgebot des § 6 GAEG entsprochen werde, naturgemäß zum Großteil dem Bauverfahren vorbehalten.
Dagegen richtet sich vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt; sowohl die belangte Behörde, als auch die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 3 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr.149, (das Gesetz in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 42/1991), ist über das Ansuchen um Erteilung einer Widmungsbewilligung grundsätzlich eine örtliche Erhebung und mündliche Verhandlung durchzuführen. Hiebei sind die Bestimmungen über die Bauverhandlung (§ 61 BO) sinngemäß anzuwenden. Nach § 3 Abs. 2 BO ist eine Widmungsbewilligung zu erteilen, wenn - unter anderem - die im Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127 in der jeweils geltenden Fassung, genannten Voraussetzungen für eine Widmung vorliegen. In Schutzzonen nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1980, LGBl. Nr. 17 (GAEG), in seiner jeweils geltenden Fassung, finden die Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes 1974 nur insoweit Anwendung, als das GAEG nicht abweichende Regelungen trifft. Nach § 3 Abs. 3 BO sind in der Widmungsbewilligung u.a. die Bebauungsweise sowie die Bebauungsdichte festzusetzen. Gemäß § 61 Abs. 2 BO kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Diese Einwendungen sind in der Folge unter den lit. a bis k taxativ aufgezählt. Lit. c normiert ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über das Planungsermessen bei Festlegung der Bebauungsgrundlagen (§ 3 Abs. 3 BO).
Dem Nachbarn kommt nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung zwar kein subjektiv-öffentliches Recht auf die Festlegung einer bestimmten Bebauungsdichte zu, wohl aber auf gesetzmäßige Handhabung des der Behörde zukommenden Planungsermessens, wozu auch die Vollständigkeit und Schlüssigkeit der für die Ermessensübung erforderlichen Grundlagen gehört (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 21. Oktober 1993, Zl. 93/06/0118, vom 12. März 1992, Zl. 91/06/0029, sowie vom 20. September 1990, Zl. 89/06/0100 mit zahlreichen Hinweisen). Gemäß § 23 Abs. 13 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127 in der Fassung LGBl. Nr. 41/1991 hat die Landesregierung durch Verordnung für Baugebiete gemäß Abs. 5 entsprechend ihrem Gebietscharakter für die Bebauungsdichte Mindest- und Höchstwerte festzulegen. Abs. 14 dieser Bestimmung normiert, daß die in den anderen Landesgesetzen für die Erhaltung von historisch, städtebaulich und architektonisch bedeutsamen Ortsteilen getroffenen Bestimmungen unberührt bleiben. Gemäß § 2 Abs. 2 lit. c der Bebauungsdichteverordnung, LGBl. Nr. 60/1987, beträgt der zulässige Mindest- und Höchstwert der Bebauungsdichte für das Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet 0,1 bis 2,5. Nach § 3 Abs. 1 dieser Bebauungsdichteverordnung können in Gebieten, die bei Inkrafttreten dieser Verordnung überwiegend bebaut sind, die in § 2 Abs. 2 angegebenen Höchstwerte der Bebauungsdichte überschritten werden, wenn dies aus städtebaulichen Gründen oder im Sinne des Ortsbildschutzes notwendig ist (z.B. Wiedererrichtung, Einfügung in die umgebende Bebauung bei Baulücken usw.).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 28. April 1988, Zl. 86/06/0259, ausgesprochen, daß die im § 23 ROG 1974 getroffenen Regelungen und die in ihrer Durchführung erlassenen Verordnungen nur insoweit Anwendung finden, als nicht die in anderen Landesgesetzen für die Erhaltung von historisch, städtebaulich und architektonisch bedeutsamen Ortsteilen getroffenen Bestimmungen davon abweichende besondere Regelungen treffen. Die Bestimmungen des § 6 GAEG 1980 stellten eine derartige abweichende Regelung dar. Die Vorgaben der Bebauungsdichteverordnung und die sich darauf gründenden Regelungen des Flächenwidmungsplanes seien somit dann nicht anzuwenden, wenn dadurch den Bestimmungen des GAEG 1980 nicht Rechnung getragen werden könne.
Wie bereits ausgeführt, normiert § 6 GAEG 1980, daß sich Bauvorhaben in Schutzzonen in das Erscheinungsbild des betreffenden Stadtbildes einzufügen haben. Nur dann, wenn dem Gebot des GAEG nach Einfügung in das Stadtbild durch Anwendung der nach dem Flächenwidmungsplan höchstzulässigen Bebauungsdichte nicht Rechnung getragen werden könnte, dürfen diese Höchstwerte der Bebauungsdichteverordnung und der sich darauf gründenden Regelungen des Flächenwidmungsplanes, die für das hier festgesetzte "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet" eine Bebauungsdichte von maximal 2,5 festsetzen, gemäß § 3 Abs. 1 der Bebauungsdichteverordnung überschritten werden.
Eine derartige Schlußfolgerung ist aber den Sachverständigengutachten, auf die sich der angefochtene Bescheid gestützt hat, nicht zu entnehmen; insbesondere heißt es in der Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 22. November 1991, daß eine Bebauungsdichte von maximal 3,2 als dem Gebietscharakter entsprechend angesehen werden könne, und in der ergänzenden Stellungnahme vom 22. Mai 1992, daß unter Berücksichtigung des Gebietscharakters, also der für die Einfügung in das Erscheinungsbild maßgeblichen Gebäude östlich der betreffenden Straße am Fuße des Schloßberges gelegen, der von den Antragstellern (der Bauwerberin) für das Widmungsgrundstück beantragte Bebauungsdichtewert von maximal 3,2 städtebaulich in bezug auf die Einfügung in das Erscheinungsbild des gegenständlichen Stadtteiles durchaus vertretbar sei. Damit wird aber eine NOTWENDIGKEIT der Überschreitung der festgelegten Bebauungsdichte von maximal 2,5, um dem Einfügungsgebot des GAEG Rechnung zu tragen, nicht aufgezeigt. Dadurch, daß die belangte Behörde dieses Gutachten ihrer Entscheidung zugrundelegte, ohne diesen Mangel zu erkennen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, was zu dessen Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zu führen hat.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Planung Widmung BauRallg3Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992060171.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
08.12.2010