TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/5 94/06/0006

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Veröffentlicht am 05.05.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §39 Abs2;
AVG §40 Abs1;
AVG §42 Abs1;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des E und der M H in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 8. März 1993, Zl. II-11/89, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Parteien: 1. E in N, 2. Stadt Dornbirn, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über Ansuchen der erstmitbeteiligten Partei wurde dieser mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Partei vom 5. August 1992 die beantragte Baubewilligung für die Sanierung der ostseitigen Außenwand und die Errichtung einer Jauchegrube beim Haus E 36 unter Auflagen erteilt. Aufgrund der dagegen eingebrachten Berufung der Beschwerdeführer, die als Nachbarn dem Baubewilligungsverfahren zugezogen waren, hat die Berufungskommission der Stadt Dornbirn mit Bescheid vom 9. November 1992 den Bescheid des Bürgermeisters gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuerlichen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen. Gegen diesen Bescheid hat die erstmitbeteiligte Partei fristgerecht Vorstellung erhoben, der die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 8. März 1993 Folge gegeben, den Bescheid der Berufungskommission der Stadt Dornbirn vom 9. November 1992 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadt Dornbirn zurückverwiesen hat. Begründet wurde diese Entscheidung zusammengefaßt damit, daß der Sachverhalt hinreichend geklärt sei, sodaß die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der Sache selbst entscheiden hätte müssen. Die Erstmitbeteiligte sei sohin in ihrem aus § 66 Abs. 4 AVG erfließenden Recht, daß die Berufungsbehörde die Sache erledige, verletzt worden.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 29. November 1993, Zl. B 731/93-7, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der - über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes - ergänzten Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes wird ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei deshalb rechtswidrig, weil die Verwendung eines Stalltraktes im landwirtschaftlichen Gebiet als Lager- und Unterkunftsraum eine ortsunübliche Beeinträchtigung mit sich bringe, die auch durch Vorschreibung höherer Abstandsflächen nicht beseitigt werden könne; für eine bestimmte Anordnung (Punkt 4) des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn finde sich im Vorarlberger Raumplanungsgesetz keine gesetzliche Deckung.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand des nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheides ist ausschließlich die Frage, ob die Berufungskommission zu Recht den Bescheid des Bürgermeisters gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur Durchführung einer neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuerlichen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen hat, oder ob die Berufungsbehörde gehalten gewesen wäre, gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der Sache zu entscheiden. Das gesamte Beschwerdevorbringen, das sich ausschließlich mit der Zulässigkeit des Bauvorhabens und der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn befaßt, geht daher ins Leere.

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Gemäß Abs. 3 der zitierten Gesetzesstelle kann die Berufungsbehörde die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat somit die Berufungsbehörde zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes (aus welchem Grund der Sachverhalt in diesem Sinne mangelhaft ist, ist im Zusammenhang mit § 66 Abs. 2 AVG ohne Bedeutung) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Der Verwaltungsgerichtshof hat eine mündliche Verhandlung u.a. dann als "unvermeidlich erscheinend" angesehen, wenn z.B. die Behörde erster Instanz entweder überhaupt kein Ermittlungsverfahren durchgeführt hat (so das Erkenntnis vom 25. September 1986, Zl. 86/01/0057) oder wenn - in einem Bauverfahren - wegen der allfälligen Notwendigkeit von Auflagen, die erst die Bewilligungsfähigkeit ermöglichen, die gleichzeitige Anwesenheit von Sachverständigen und Parteien erforderlich ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1985, Slg. Nr. 11795/A und das Erkenntnis vom 9. Dezember 1986, Zl. 84/05/0097, Bausammlung Nr. 816). Im Erkenntnis vom 23. Mai 1985, Zl. 84/06/0171, Bausammlung Nr. 448, hat der Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit von Projektsergänzungen, allenfalls auch Projektsänderungen, die dann infolge der Einholung neuer Gutachten sowie der Beiziehung von Sachverständigen und Parteien zu einer Verhandlung führen könnten, als Grund für eine Behebung eines Bescheides im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG angesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch mehrfach ausgeführt, daß nicht jede Änderung des Sachverhaltes, oder das Hinzutreten einer übergangenen Partei oder das Erfordernis der Einholung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens, jeweils für sich allein genommen, eine (neuerliche) mündliche Verhandlung nach sich ziehen müßte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Dezember 1992, Zl. 92/06/0120, und die dort angeführte Vorjudikatur). Dadurch würde nämlich auch präkludierten Parteien unter Umständen neuerlich die Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen eröffnet werden.

Die belangte Behörde hat eingehend dargelegt, daß der Sachverhalt in bezug auf die von den Beschwerdeführern im Rahmen ihrer subjektiv-öffentlichen Mitspracherechte zu Recht aufgeworfenen Fragen, nämlich einerseits das Problem der Abwasserbeseitigung und andererseits die Frage der Lärmbelästigung im erstinstanzlichen Verfahren in ausreichender Weise ermittelt worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Ansicht, da schon in der ersten mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz, am 3. September 1991, festgestellt wurde, daß die Abwasserbeseitigung durch die Einleitung in die Jauchegrube vorgesehen sei und dazu auf den wasserrechtlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 27. September 1990, Zl. II-2141/89, verwiesen wurde. Im Bezug auf die Verwendung des Bauwerkes wurde im erstinstanzlichen Verfahren festgestellt, daß zwar in der nunmehr gemauerten Wand Öffnungen vorgesehen sind, eine Änderung des Verwendungszweckes der bisher als Lagerraum benützten Räumlichkeiten hat die mitbeteiligte Bauwerberin jedoch ausdrücklich ausgeschlossen. Für eine Änderung des Verwendungszweckes wurde auch weder eine Baubewilligung beantragt, noch erteilt. Bei dieser Sachlage vermag auch der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, inwieweit der Sachverhalt so ergänzungsbedürftig sein sollte, daß die Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Entgegen der erkennbaren Ansicht der Beschwerdeführer ist nämlich Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens nicht die tatsächliche Ausgestaltung bzw. allfällige, von der Bewilligung abweichende Verwendung des Bauwerkes, sondern das eingereichte Bauprojekt.

Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze betreffend die Zulässigkeit einer Aufhebung eines Bescheides durch die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, daß die Berufungskommission der Stadt Dornbirn gemäß § 66 Abs. 4 AVG gehalten gewesen wäre, inhaltlich über die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters zu entscheiden. Durch die Aufhebung des Bescheides der Berufungskommission der Stadt Dornbirn sind somit die Beschwerdeführer in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994060006.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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