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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Wortfolge ", sofern im Betrieb ständig wenigstens zwei Berufsmusiker durch wenigstens drei Stunden beschäftigt sind" in §2 Abs1 der gemäß §375 Abs1 Z70 GewO 1973 als Bundesgesetz geltenden Vlbg Sperrstundenverordnung 1957 mit E v 30.11.91, G256,257/91.Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen, als Bundesgesetz in Geltung stehenden Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg bestraft, weil er zweimal die mit 24.00 Uhr festgesetzte Sperrstunde nicht eingehalten habe, davon einmal, am 17.5.1989, ca. 30 Gästen das Verweilen im Gastlokal bis um 1.00 Uhr gestattet habe und dadurch als Geschäftsführer der gewerbeberechtigten
W P Gesellschaft m.b.H. eine Verwaltungsübertretung gemäß den §§368 Z11 und 198 Abs2 GewO 1973 in Verbindung mit §1 Abs1 Sperrstundenverordnung 1957 begangen habe.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch die Anwendung einer verfassungswidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt. Die Sperrstundenverordnung LGBl. 23/1957 idF LGBl. 40/1969 widerspreche nämlich in ihrem §2 Abs1 deshalb dem Gleichheitssatz, weil danach bei Gastgewerbebetrieben in der Betriebsform einer Bar zwischen solchen, welche ständig wenigstens zwei Berufsmusiker durch wenigstens drei Stunden beschäftigen und anderen in sachlich nicht gerechtfertigter Weise differenziert werde. Die Unterscheidung sei gegebenenfalls im Jahre 1957 gerechtfertigt gewesen. Seitdem hätten sich die Verhältnisse aber derart geändert, daß von einer sachgerechten Unterscheidung nicht mehr gesprochen werden könne. In modernen Barbetrieben sei es nämlich üblich, daß Tonträger jeder Art verwendet würden; während im Jahr 1957 in Gastgewerbebetrieben keine oder nur ausnahmsweise Tonträger verwendet wurden und sich Nachtlokale dadurch auszeichneten, daß Musiker spielten, sei dies heute nicht mehr der Fall.
Der Beschwerdeführer regt sohin an, die Worte "sofern im Betrieb ständig wenigstens zwei Berufsmusiker durch wenigstens drei Stunden beschäftigt sind" in §2 Abs1 der Sperrstundenverordnung 1957, auf ihr Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen und beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Verordnung gemäß Art144 B-VG kostenpflichtig aufzuheben.
2. Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde abzuweisen. Zur sachlichen Rechtfertigung des §2 Abs1 der Sperrstundenverordnung 1957, führt sie aus, daß es "im Hinblick auf die Ruhebedürfnisse der Bevölkerung gerechtfertigt (ist), daß die Zahl der Barbetriebe mit einer Sperrstunde um 2.00 Uhr begrenzt bleibt". Daß diese Begrenzung mit Rücksicht auf wenigstens zwei im Betrieb ständig beschäftigte Berufsmusiker festgelegt wurde, wird damit begründet, daß "im Jahr 1957 ... die Verordnung offenbar einen Ausgleich für Barbetriebe, die Berufsmusiker beschäftigen, gegenüber anderen Gast- und Schankgewerbebetrieben bieten (sollte)."
II. 1. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 22. Juni 1991 beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "sofern im Betrieb ständig wenigstens zwei Berufsmusiker durch wenigstens drei Stunden beschäftigt sind" im §2 Abs1 der Sperrstundenverordnung 1957, LGBl. 23 idF LGBl. 40/1969, einer auf Gesetzesstufe stehenden Norm (§375 Abs1 Z70 GewO 1973) zu prüfen.
Mit Erkenntnis vom 30. November 1991, G256,257/91, hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "sofern im Betrieb ständig wenigstens zwei Berufsmusiker durch wenigstens drei Stunden beschäftigt sind" in §2 Abs1 der Sperrstundenverordnung 1957 in der genannten Fassung als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige, als Bundesgesetz in Geltung stehende Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen, als Bundesgesetz in Geltung stehenden Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500,-
enthalten. Die Kosten für Stempelmarken sind im Pauschalsatz enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B771.1990Dokumentnummer
JFT_10088870_90B00771_00