TE Vfgh Erkenntnis 1991/11/30 B1382/89

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Veröffentlicht am 30.11.1991
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art83 Abs2
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Gesetz vom 09.09.1910 betreffend das Untersuchungs-, Erprobungs- und Materialprüfungswesen. RGBl 185/1910
AVG §6
ZiviltechnikerG §6 Abs1
ZiviltechnikerG §20 Abs2
GewO 1973 §71 Abs5

Leitsatz

Keine Verletzung des Beschwerdeführers (Ziviltechniker) im Recht auf freie Erwerbsausübung und im Gleichheitsrecht durch Abweisung seines Antrags auf Feststellung der Berechtigung zur Prüfungstätigkeit betreffend durch Gewerbebetriebe in Verkehr gebrachte Maschinen und Geräte; sachliche Rechtfertigung der Beschränkung dieser Prüfungstätigkeit auf staatlich autorisierte Prüfanstalten; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung des Antrags auf "Autorisation iSd des §71 Abs5 Gewerberechtsnovelle 1988"

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Ziviltechniker (Ingenieurkonsulent für Maschinenbau). Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 26. September 1989 wurde sein Antrag "um Feststellung der Berechtigung zur Durchführung von Tätigkeiten im Sinne des §71 Abs5 der Gewerbeordnung 1973 i. d.F. BGBl. Nr. 399/1988 ... gemäß §6 Abs1 des Ziviltechnikergesetzes, BGBl. Nr. 146/1957, in Zusammenhalt mit der zitierten Bestimmung der Gewerbeordnung 1973 abgewiesen" (Satz 1 des Spruches). Weiters wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf "Autorisation im Sinne des §71 Abs5 Gewerberechtsnovelle 1988 ... wegen Unzuständigkeit gemäß §6 AVG 1950 zurückgewiesen" (Satz 2 des Spruches).

2.a. §71 GewO 1973 idF der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. 399, lautet:

"(1) Gewerbetreibende dürfen Maschinen, Geräte oder deren Teile und Zubehör, wenn wegen der Bauart oder Wirkungsweise Gefahren für das Leben oder die Gesundheit der Benützer herbeigeführt werden können, nur dann in den inländischen Verkehr bringen oder im Inland ausstellen, wenn

a)

eine Übereinstimmungserklärung (Abs3)

oder

b)

eine Genehmigung (Abs7)

vorliegt.

(2) ...

(3) Durch die Übereinstimmungserklärung hat der Gewerbetreibende, allenfalls unter Zugrundelegung einer Prüfbescheinigung einer zugelassenen Prüfstelle (Abs5), festzustellen, daß die Maschine, das Gerät oder deren Teile und Zubehör den auf sie zutreffenden Bestimmungen einer Verordnung gemäß Abs4 und den auf sie zutreffenden Bestimmungen einschlägiger Normen oder einem gemäß Abs7 genehmigten Muster entspricht. ...

(4) ...

(5) Für die Prüfung, ob Maschinen, Geräte oder deren Teile und Zubehör den auf sie zutreffenden Bestimmungen einer Verordnung gemäß Abs4 und den auf sie zutreffenden Normen entsprechen, weiters für die Ausstellung von Prüfungsbescheinigungen sowie für die Abgabe von Gutachten für Genehmigungen sind staatlich autorisierte Prüfanstalten mit entsprechendem Autorisationsumfang zugelassen.

(6) - (8) ..."

Die Regierungsvorlage (341 BlgNR 17. GP, S 7f) sah im neuen §71 Abs6 GewO 1973 folgende Bestimmung vor:

"Für die Prüfung, ob Maschinen, Geräte oder deren Teile und Zubehör den auf sie zutreffenden Bestimmungen einer Verordnung gemäß Abs4 entsprechen, weiters für die Ausstellung von Prüfbescheinigungen, sowie für die Abgabe von Gutachten für Einzelgenehmigungen sind durch Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales Prüfstellen zuzulassen. Als Prüfstellen dürfen Anstalten öffentlichen Rechts, Einrichtungen von Körperschaften öffentlichen Rechts, Ziviltechniker einschlägiger Fachrichtung und zur Durchführung dieser Tätigkeiten berechtigte Gewerbetreibende zugelassen werden, sofern sie über geeignetes Personal und geeignete technische und administrative Einrichtungen verfügen. Die Zulassung kann befristet werden. Die Zulassung ist zu widerrufen, wenn die Prüfstelle die Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt oder wenn anzunehmen ist, daß sie ihre Aufgaben aus sonstigen Gründen nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann."

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (341 BlgNR 17. GP, S 38) führen dazu u.a. aus:

"Insbesondere im Hinblick auf die fachliche Unterstützung der Gewerbetreibenden sollen Prüfstellen zugelassen werden, die einschlägige Prüfungen hinsichtlich der Übereinstimmung mit den für die betreffende Maschine und das betreffende Gerät geltenden Vorschriften vornehmen.

Mit dieser Neuregelung soll den in Vorbereitung befindlichen einschlägigen Richtlinien der EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften für Maschinen Rechnung getragen werden. Es soll das nunmehrige System des §71 mit dem künftigen EG-Recht kompatibel sein, um Diskriminierungen im Warenaustausch mit den EG-Staaten zu vermeiden; damit soll eine Teilnahme Österreichs an diesem speziellen Bereich des EG-Binnenmarktes möglich gemacht werden."

Erst auf Grund der Beratungen im Handelsausschuß (690 BlgNR 17. GP) erhielt die nunmehr als §71 Abs5 GewO 1973 idF der Gewerberechtsnovelle 1988 geltende Vorschrift ihre jetzt geltende Fassung, ohne daß sich im Bericht des Handelsausschusses Erläuterungen zu den vom Ausschuß gegenüber der Regierungsvorlage vorgenommenen Änderungen finden.

b. Das Gesetz vom 9. September 1910, betreffend das technische Untersuchungs-, Erprobungs- und Materialprüfungswesen, RGBl. 185, hat folgenden Wortlaut:

"§1

Den an Hochschulen, sonstigen Lehranstalten, Museen und Instituten bestehenden sowie den vom Staate, von Körperschaften, Vereinen oder Privaten errichteten selbständigen technischen Untersuchungs-, Erprobungs- und Materialprüfungsanstalten kann das Recht eingeräumt werden, über das Ergebnis der von ihnen vorgenommenen Untersuchungen, Erprobungen und Materialprüfungen Zeugnisse auszustellen, die als öffentliche Urkunden anzusehen sind.

Nichtstaatlichen Anstalten kann dieses Recht nur eingeräumt werden, wenn sie nachweisen, daß die mit den Untersuchungen, Erprobungen und Prüfungen zu betrauenden Organe die erforderliche fachliche Eignung besitzen und daß die Anstalten mit den zur fachgemäßen Durchführung der Untersuchungen, Erprobungen und Prüfungen erforderlichen Einrichtungen ausgestattet sind.

§2

Dieses Recht wird den an Hochschulen bestehenden Anstalten auf Antrag des betreffenden Professorenkollegiums durch das Ressortministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für öffentliche Arbeiten und dem Justizministerium, allen übrigen Anstalten durch das Ministerium für öffentliche Arbeiten im Einvernehmen mit dem Justizministerium erteilt.

In gleicher Weise kann dieses Recht entzogen werden, wenn die Voraussetzungen für dessen Erteilung entfallen sind oder sonst wichtige Gründe vorliegen.

Erforderlichen Falles sind behufs Lösung grundsätzlicher oder sonst belangreicher Fragen Gutachten staatlicher Lehrkräfte auf dem betreffenden technischen Gebiete oder anderer Fachleute einzuholen.

§3

Das technische Versuchswesen als Behelf der wissenschaftlichen Forschung, der gesetzliche Wirkungskreis der Normaleichungskommission, das Punzierungswesen, die Erprobung und periodische Untersuchung der Dampfkessel, die Untersuchungsanstalten auf dem Gebiete des Sanitätswesens sowie die auf Grund des Gesetzes, betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und einigen Gebrauchsgegenständen, errichteten Untersuchungsanstalten, endlich die land- und forstwirtschaftlichen Versuchsstationen, insoweit sie ausschließlich der Land- und Forstwirtschaft dienen, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. ..."

3. In der vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des unter

1. geschilderten Bescheides wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte - in eventu deswegen, weil die Behörde ein verfassungswidriges Gesetz angewendet habe.

a. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den ersten Satz des Spruches des angefochtenen Bescheides in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Erwerbsfreiheit und auf Gleichheit vor dem Gesetz als verletzt, weil die belangte Behörde §71 Abs5 GewO 1973 idF der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. 399, einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe, indem sie Ziviltechniker von der Vornahme der in der zitierten Bestimmung vorgesehenen Prüfungen und von der Erstattung von Gutachten zum Zwecke eines Verfahrens nach §71 GewO 1973 ausgeschlossen und dadurch den Umfang der den Ziviltechnikern nach Ziviltechnikergesetz zustehenden Befugnisse verfassungswidrigerweise eingeschränkt habe.

Die Ansicht der belangten Behörde, nur Prüfanstalten iSd "lex Exner", RGBl. 185/1910, seien "staatlich autorisierte Prüfanstalten" iSd §71 Abs5 GewO 1973 unterstelle dieser Bestimmung einen Inhalt, der einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Ziviltechniker auf Erwerbsfreiheit darstellen würde, der weder im öffentlichen Interesse geboten noch ein zur Erreichung der von §71 Abs5 GewO 1973 offensichtlich verfolgten Ziele taugliches und adäquates Mittel wäre; einem derartigen Eingriff fehle es auch an der (sonstigen) sachlichen Rechtfertigung iSd Gleichheitsgrundsatzes.

Das der Regelung des §71 Abs5 GewO 1973 zugrundeliegende öffentliche Interesse an der Sicherstellung einer ausreichenden fachlichen Qualifikation der Prüfstelle rechtfertige die Beschränkung auf Prüfanstalten iSd "lex Exner" nicht, da Ziviltechniker auf Grund der §§7 ff Ziviltechnikergesetz über eine mindestens gleichwertige fachliche Qualifikation verfügten. Auch das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Objektivität und Unabhängigkeit der Prüfstelle sei keine ausreichende Begründung für die Beschränkung auf Prüfanstalten iSd "lex Exner", weil die Objektivität und Unabhängigkeit keine Autorisationsvoraussetzung nach der "lex Exner" darstelle, bei Ziviltechnikern auf Grund der Bestimmungen des Ziviltechnikergesetzes (§19) sowie des Ingenieurkammergesetzes (§§48 ff) aber jedenfalls gegeben sei. Der von der belangten Behörde dem §71 Abs5 GewO 1973 unterstellte Ausschluß der Ziviltechniker von einer Prüfungstätigkeit im Sinne dieser Bestimmung wäre daher weder ein taugliches noch ein adäquates Mittel zur Verwirklichung der genannten öffentlichen Interessen.

Da somit im Hinblick auf ihre Qualifikation kein Unterschied zwischen Anstalten iSd "lex Exner" und Ziviltechnikern bestehe, der eine Differenzierung durch den Gesetzgeber sachlich gerechtfertigt erscheinen ließe, widerspreche der dem §71 Abs5 GewO 1973 von der belangten Behörde unterstellte Inhalt auch dem Gleichheitsgrundsatz. Dies belege insbesondere ein Vergleich mit §82 b Abs2 GewO 1973, der zur wiederkehrenden Überprüfung ganzer Betriebsanlagen (nicht nur einzelner Geräte und Maschinen) neben Anstalten des Bundes oder eines Bundeslandes und staatlich autorisierten Anstalten ausdrücklich auch Ziviltechniker und Gewerbetreibende zulasse.

Eine im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit gebotene verfassungskonforme Interpretation des §71 Abs5 GewO 1973 führe daher zu dem Ergebnis, daß unter "staatlich autorisierten Prüfanstalten" nicht nur Anstalten iSd "lex Exner", sondern alle (natürlichen oder juristischen) Personen zu verstehen sind, die über die sachlichen und personellen Mittel zur Durchführung von technischen Überprüfungen verfügen und die dazu "staatlich autorisiert" sind, d. h. eine entsprechende, behördlich erteilte Befugnis besitzen. Insbesondere fielen darunter auch Ziviltechniker (Zivilingenieure für Maschinenbau).

Hielte man hingegen die von der belangten Behörde vertretene Auslegung des §71 Abs5 GewO 1973 für die "einzig mögliche und richtige" Auslegung, dann würde diese Gesetzesbestimmung aus den angegebenen Gründen gegen die Erwerbsfreiheit und die Gleichheit vor dem Gesetz verstoßen. Sie wäre daher als verfassungswidrig aufzuheben.

b. Durch den zweiten Satz des Spruches des angefochtenen Bescheides erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter als verletzt, weil die Behörde zu Unrecht eine Sachentscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Autorisation iSd §71 Abs5 GewO 1973 verweigert habe.

Aus dem Gesetzeswortlaut ließe sich nicht entnehmen, daß "Prüfanstalten" für die spezielle Prüfung iSd §71 Abs5 GewO 1973 deswegen keine staatliche Autorisation erhalten könnten, weil durch §71 Abs5 GewO 1973 kein gesonderter Autorisationstatbestand geschaffen worden wäre. Selbst wenn man dieser Rechtsansicht der belangten Behörde folgen würde, hätte diese den Antrag des Beschwerdeführers als einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung iSd "lex Exner, wenn auch eingeschränkt auf Prüfungen gemäß §71 GewO 1973" werten müssen, da sie zur Erteilung derartiger Genehmigungen zuständig sei. Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß der Beschwerdeführer nach Antragstellung auf Erteilung einer Autorisation gemäß §71 Abs5 GewO 1973 einen "Antrag auf eine umfassende Autorisation" nach der "lex Exner" gestellt habe, weil durch diesen späteren Antrag die Zuständigkeit der Behörde zur Entscheidung über den früheren, auf den Gegenstand des §71 GewO 1973 eingeschränkten Antrag nicht berührt werden könne.

4. Der Verfassungsgerichtshof hält die Feststellung für zweckmäßig, daß während des vorliegenden Beschwerdeverfahrens dem "INSTITUT FÜR TECHNISCHE ÜBERPRÜFUNGEN - ITÜ DR. ERNST ZEIBIG" und der "KANZLEI DR. ZEIBIG" vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz jeweils mit Bescheid vom 6. März 1991 gemäß den §§1 und 2 des Gesetzes vom 9. September 1910, RGBl. 185, betreffend das technische Untersuchungs-, Erprobungs- und Materialprüfungswesen, befristet bis 31. Dezember 1994 das Recht eingeräumt wurde, über das Ergebnis der von ihnen durchgeführten Untersuchungen, Erprobungen und Materialprüfungen auf bestimmten Fachgebieten Zeugnisse auszustellen, welche als öffentliche Urkunden anzusehen sind. Für die auf Grund dieser staatlichen Autorisationen auszustellenden Zeugnisse ist der Beschwerdeführer zeichnungsberechtigt.

5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt. Sie beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Erwerbsfreiheit führt die belangte Behörde aus, Grund für die in §71 Abs5 GewO 1973 enthaltene Beschränkung der Prüfstellen auf "staatlich autorisierte Prüfanstalten mit entsprechendem Autorisationsumfang" sei die Notwendigkeit, neben der fachlichen Qualifikation des Prüfers auch das Vorhandensein der für die Prüfungstätigkeit erforderlichen Einrichtungen zu gewährleisten. Nur bei Vorliegen letzterer Voraussetzung werde eine Autorisation nach der "lex Exner" erteilt.

Der wesentliche Unterschied der Prüfungstätigkeit gemäß §71 Abs5 GewO 1973 im Vergleich zu §82 b Abs2 GewO 1973 bestehe darin, daß nach dieser Bestimmung Anlagen "an Ort und Stelle" überprüft würden, sodaß das für eine Prüfanstalt iSd §71 Abs5 GewO 1973 erforderliche sachliche Substrat nach §82 b Abs2 GewO 1973 nicht unbedingt notwendig sei. Im übrigen stehe es Ziviltechnikern frei, einen Antrag auf Autorisation nach der "lex Exner" bei Vorhandensein der erforderlichen Einrichtungen zu stellen. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liegt nach Meinung der belangten Behörde nicht vor, da die unterschiedliche Behandlung von Ziviltechnikern und Prüfanstalten iSd "lex Exner" objektiv gerechtfertigt sei und im übrigen für eine willkürliche, denkunmögliche oder unsachliche Entscheidung keine Anhaltspunkte vorlägen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a. Inhalt und Umfang der Befugnisse von Ziviltechnikern regeln die §§5 f des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1957, BGBl. 146, über die staatlich befugten und beeideten Architekten, Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieure (Ziviltechnikergesetz) idgF. Gemäß §6 Abs1 Ziviltechnikergesetz sind zwar die von Ingenieurkonsulenten innerhalb ihres Berechtigungsumfanges in der vorgeschriebenen Form über die von ihnen vollzogenen Akte errichteten Urkunden, wie Gutachten, Berechnungen, Pläne, Zeugnisse, öffentliche Urkunden (§§292 und 293 Abs1 ZPO). Diese Urkunden ersetzen jedoch nach §6 Abs1 Satz 2 leg.cit. nicht amtliche Gutachten, die auf Grund bestehender gesetzlicher Vorschriften einzuholen sind.

b. Nach §1 Satz 1 des Gesetzes vom 9. September 1910, betreffend das technische Untersuchungs-, Erprobungs- und Materialprüfungswesen, RGBl. 185 ("lex Exner"; zur Geltung vgl. ArtII Abs. 7 der Kundmachung BGBl. 85/1946), kann den an Hochschulen, sonstigen Lehranstalten, Museen und Instituten bestehenden sowie den vom Staate, von Körperschaften, Vereinen oder Privaten errichteten selbständigen technischen Untersuchungs-, Erprobungs- und Materialprüfungsanstalten "das Recht eingeräumt werden, über das Ergebnis der von ihnen vorgenommenen Untersuchungen, Erprobungen und Materialprüfungen Zeugnisse auszustellen, die als öffentliche Urkunden anzusehen sind". Nichtstaatlichen Anstalten kann gemäß §1 Satz 2 leg.cit. dieses Recht nur eingeräumt werden, "wenn sie nachweisen, daß die mit den Untersuchungen, Erprobungen und Prüfungen zu betrauenden Organe die erforderliche fachliche Eignung besitzen und daß die Anstalten mit den zur fachgemäßen Durchführung der Untersuchungen, Erprobungen und Prüfungen erforderlichen Einrichtungen ausgestattet sind".

2.a. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Beschwerdeführers auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wäre mit Rücksicht auf den in Art6 StGG enthaltenen Gesetzesvorbehalt verletzt, wenn ihm durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird, und wenn die Rechtsvorschrift, auf die sich der Bescheid stützt, verfassungswidrig ist, oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hat. Denkunmöglich wäre die Anwendung eines Gesetzes insbesondere auch dann, wenn es von der Behörde dabei so ausgelegt wird, daß sein Inhalt dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung widerspricht. Dies ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11494/1987, 11503/1987, VfGH 12.12.1990, V212/90, u.a.) dann der Fall, wenn dadurch die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt wird, ohne daß die Beschränkung im öffentlichen Interesse gelegen, zur Zielerreichung geeignet, dieser adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt ist.

b. Die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Feststellung der Berechtigung zur Durchführung von Prüfungen gemäß §71 Abs5 GewO 1973 durch die belangte Behörde greift in die Erwerbsfreiheit des Beschwerdeführers ein. Gleichgültig ob die Prüfung gemäß §71 Abs5 GewO 1973 als Ausübung staatlicher Funktionen kraft Beleihung oder als besondere, nämlich behördlich qualifizierte private Sachverständigentätigkeit zu verstehen ist, liegt in der Verweigerung dieser Prüfungstätigkeit durch die Behörde ein Eingriff in die - verfassungsgesetzlich durch Art6 StGG geschützte - Rechtssphäre des Beschwerdeführers, weil diesem dadurch die rechtliche Möglichkeit vorenthalten wird, gegen Entgelt die betreffende Prüfungstätigkeit auszuüben (vgl. zum Eingriff in eine Rechtssphäre ähnlich VfGH 15.3.1990, G260/89 u.a., zur Tätigkeit der Tierärzte auf Grund des Fleischuntersuchungsgesetzes sowie - im Hinblick auf Art6 StGG - das Erkenntnis VfGH 12.12.1990, V212/90, zur Verweigerung einer Bewilligung als Lebensmittelgutachter gemäß §50 Abs1 Lebensmittelgesetz 1975).

c. Die Auslegung des §71 Abs5 GewO 1973 durch die belangte Behörde, wonach zur Prüfung von Maschinen oder Geräten, die von Gewerbetreibenden in Verkehr gebracht werden, im Hinblick auf die davon ausgehenden Gefahren für das Leben oder die Gesundheit der Benützer lediglich besondere, "staatlich autorisierte Prüfanstalten mit entsprechendem Autorisationsumfang" und nicht Ziviltechniker schlechthin im Rahmen ihres Berechtigungsumfanges nach dem Ziviltechnikergesetz zugelassen sind, ist jedenfalls denkmöglich. Sowohl die davon deutlich abweichende Regelung des §82 b Abs2 GewO 1973, derzufolge zur Durchführung wiederkehrender Prüfungen von Betriebsanlagen neben den staatlich autorisierten Anstalten ausdrücklich auch Ziviltechniker im Rahmen ihrer Befugnis zugelassen sind, als auch das offenkundige Abstellen der Regelung des §71 Abs5 GewO 1973 auf Prüfanstalten, die auf Grund des Gesetzes vom 9. September 1910, RGBl. 185, behördlich autorisiert wurden, sprechen für die Auslegung durch die Behörde.

d. Diese Auslegung widerspricht auch nicht dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG. Zweifellos liegt es nämlich im öffentlichen Interesse, daß der Gesetzgeber bestmögliche Sicherheitsvorkehrungen für die durch Gewerbebetriebe in Verkehr gebrachten Maschinen oder Geräte trifft, um Gefahren für das Leben oder die Gesundheit der Benützer möglichst auszuschließen. Es überschreitet den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht, wenn er eine so sehr im öffentlichen Interesse gelegene Tätigkeit wie die Prüfung, ob Maschinen und Geräte bestimmten Sicherheitsstandards genügen, an strenge Voraussetzungen bindet. Wenn zu dieser Aufgabe vom Gesetzgeber nur besondere, staatlich autorisierte Prüfanstalten mit entsprechendem Autorisationsumfang zugelassen werden, liegt darin ein geeignetes Mittel, die genannte Zielvorstellung zu erreichen; die gesetzliche Beschränkung der Prüfungstätigkeit auf jene Prüfanstalten ist aber auch dem Ziel, die Sicherheit der Konsumenten bestmöglich zu schützen, adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt, weil nur in derartigen Prüfanstalten über die erforderliche fachliche Eignung der Sachverständigen hinaus auch sichergestellt ist, daß sie "mit den zur fachgemäßen Durchführung der Untersuchungen, Erprobungen und Prüfungen erforderlichen Einrichtungen ausgestattet sind" (§1 letzter Halbsatz des Gesetzes vom 9. September 1910, RGBl. 185).

Daß Ziviltechniker nicht schlechthin auf Grund ihrer Befugnisse nach dem Ziviltechnikergesetz zu einer Prüfung gemäß §71 Abs5 GewO 1973 zugelassen sind, sondern eben nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, daß sie der Behörde auch die Ausstattung mit den für eine "Prüfanstalt" typischen, erforderlichen Einrichtungen gemäß dem mehrfach zitierten Gesetz RGBl. 185/1910 nachweisen, stößt demgemäß entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auf keine Bedenken. Wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, daß die Verpflichtung des Ziviltechnikers, gemäß §20 Abs2 Ziviltechnikergesetz eine "Kanzlei mit den zur Ausübung der Befugnisse erforderlichen technischen Hilfseinrichtungen zu halten", nicht genügt, die Anforderungen an eine "staatlich autorisierte Prüfanstalt" iSd §71 Abs5 GewO 1973 zu erfüllen, kann ihm der Verfassungsgerichtshof nicht entgegentreten. Offenbar reicht der Standard technischer Hilfseinrichtungen nach §20 Abs2 Ziviltechnikergesetz jedenfalls von vornherein und zwingend an die "erforderlichen Einrichtungen" einer Prüfanstalt nach §1 letzter Halbsatz des Gesetzes RGBl. 185/1910 nicht heran. Um die Ausstattung mit den für eine "Prüfanstalt" erforderlichen Einrichtungen sicherzustellen, bedarf es vielmehr eines besonderen vorgängigen behördlichen Verfahrens gemäß dem zitierten Gesetz RGBl. 185/1910. Wird im Zuge eines solchen Verfahrens über Antrag eines Ziviltechnikers festgestellt, daß seine Kanzlei über die "erforderlichen Einrichtungen" verfügt, die für Prüfungen im Sinne des §71 Abs5 GewO 1973 im Interesse des Konsumentenschutzes notwendig sind, so wird die Behörde die vorgesehene "Autorisierung" gemäß den §§1 und 2 des Gesetzes RGBl. 185/1910 auszusprechen haben.

Daß ein Ziviltechniker, der in einem bestimmen Umfang auch über die für eine Prüfanstalt erforderlichen Einrichtungen verfügt, die staatliche Autorisierung gemäß dem Gesetz RGBl. 185/1910 und damit insoweit die Prüfungsbefugnis gemäß §71 Abs5 GewO 1973 erlangen kann, zeigt im übrigen gerade der vorliegende Sachverhalt (vgl. I.4.).

e. Die gesetzliche Beschränkung der Durchführung der Prüfung gemäß §71 Abs5 GewO 1973 auf "staatlich autorisierte Prüfanstalten" und damit der - von der Behörde angenommene - Ausschluß von Personen von dieser Prüfung, welche - lediglich - eine Ziviltechnikerbefugnis besitzen, widerspricht auch nicht dem Gleichheitssatz. Es ist von der Sache her gerechtfertigt, für die Prüfung nach §71 Abs5 GewO 1973 wegen ihrer besonderen Anforderungen über die fachliche Eignung des Prüfungspersonals hinaus auch den vor Erteilung der staatlichen Autorisierung zu erbringenden Nachweis der für die "Durchführung der Untersuchungen, Erprobungen und Prüfungen erforderlichen Einrichtungen" (und damit den Bestand einer "Prüfanstalt") zu fordern.

f. Der Beschwerdeführer ist sohin durch den ersten Spruchteil des angefochtenen Bescheides weder in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung noch auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden. Nachdem das Verfahren auch keine Verletzung sonstiger verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ergeben hat, ist er weder in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

3. Auch die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf "Autorisation im Sinne des §71 Abs5 Gewerberechtsnovelle 1988" im zweiten Spruchteil des angefochtenen Bescheides verletzt den Beschwerdeführer weder in dem von ihm geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter noch in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten.

Die belangte Behörde konnte den Antrag des Beschwerdeführers nämlich dahin verstehen, daß er die Zulassung als staatlich autorisierte Prüfanstalt - vorerst ausschließlich - gestützt auf §71 Abs5 GewO 1973 begehrt. Da diese Bestimmung aber - im Gegensatz zu ihrer Fassung in der ursprünglich eingebrachten, oben wiedergegebenen Regierungsvorlage (341 BlgNR 17. GP) - kein derartiges Zulassungsverfahren vorsieht (- weil dem Gesetzgeber offensichtlich die behördliche Bewilligung "selbständiger technischer Untersuchungs-, Erprobungs- und Materialprüfungsanstalten" auf Grund des Gesetzes RGBl. 185/1910 ausreichte -), wies die Behörde den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht zurück. Dagegen ist umso weniger einzuwenden, als die belangte Behörde im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz mit Bescheiden vom 6. März 1991 - modifizierten - Anträgen des Beschwerdeführers nach dem Gesetz RGBl. 185/1910 - wenn auch in beschränktem Umfang - Rechnung trug und entsprechende Einrichtungen des Beschwerdeführers als Prüfanstalten staatlich autorisierte.

Nachdem der Beschwerdeführer sohin durch den angefochtenen Bescheid in keinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde und auch die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes durch die Behörde auszuschließen ist, war die Beschwerde abzuweisen.

4. Dies konnte in nichtöffentlicher Sitzung gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 beschlossen werden.

Schlagworte

Erwerbsausübungsfreiheit, Ziviltechniker, Berufsrecht Ziviltechniker, Gewerberecht, Schutzbestimmungen (Gewerberecht), Prüfung (Maschinen und Geräte)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B1382.1989

Dokumentnummer

JFT_10088870_89B01382_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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