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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §66 Abs2a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, in der Beschwerdesache
1. des N in W, 2. des M in W, 3. der D in S und 4. der G in S, alle vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 22. Juli 1993, Zl. 160.155/30-I/6-93, betreffend Genehmigung eines Fahrradanhängers,
Spruch
1. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde wird, soweit sie von den Zweit- bis Viertbeschwerdeführern erhoben wurde, zurückgewiesen.
Die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. zu Recht erkannt:
Über die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom 22. Juli 1993 erteilte der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr dem Erstbeschwerdeführer über seinen Antrag vom 1. Februar 1993 auf Übergang der Zuständigkeit gemäß Art. 15 Abs. 7 B-VG in Anwendung der Bestimmung des § 67 Abs. 3 StVO 1960 die Bewilligung zur Beförderung von Personen auf vier verschiedenen, ihren Marken nach bestimmten Fahrradanhängern für alle Straßen mit öffentlichem Verkehr im gesamten Bundesgebiet unter insgesamt 17 Bedingungen. Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren relevanten Bedingungen haben folgenden Wortlaut:
"1. Der Anhänger muß mit einer Feststellbremse, die auf beide Räder wirkt, ausgestattet sein. Die Betätigungseinrichtung für die Feststellbremse muß soweit in der Nähe der Ankoppelungseinrichtung des Fahrrades sein, daß für den Lenker des Fahrrades sowohl ein Halten des Fahrrades als auch ein Feststellen der Anhängerbremse möglich ist.
2. Im Anhänger dürfen höchstens zwei Personen befördert werden. Dabei darf das Gewicht der beförderten Personen insgesamt 50 kg nicht überschreiten. Personen, die aufgrund ihrer Körpergröße auf den Sitzen des Fahrradanhängers nicht ordnungsgemäß untergebracht werden können, dürfen mit dem Fahrradanhänger nicht befördert werden.
...
4. Der Anhänger muß mit einer eigenen, vom Fahrrad unabhängigen Lichtanlage mit zwei roten Rücklichtern ausgestattet sein.
...
7. Das Fahrrad muß mit mindestens einem Rückblickspiegel ausgestattet sein; dieser muß so zu justieren sein, daß der nachfolgende Verkehr, und der Anhänger gleichzeitig beobachtet werden können.
...
9. Das Zugfahrzeug darf kein Rennfahrrad im Sinne der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 24. April 1986, BGBl. Nr. 242/86 sein.
...
11. Das Fahrrad muß einen stabilen Ständer (Seiten- oder Mittelständer) aufweisen, der auch bei angekoppeltem Anhänger wirksam ist.
...
13. Straßen mit einem Gleiskörper, der nicht baulich von der Fahrbahn getrennt ist, dürfen mit den Fahrradanhängern nicht befahren werden.
14. Das Vorfahren an verkehrsbedingt anhaltenden Fahrzeugen, neben oder zwischen diesen, ist verboten.
15. Das Befahren von gekennzeichneten Gefällestrecken mit mehr als 10 % ist verboten.
..."
Mit Spruchpunkt II. dieses Bescheides wies der Bundesminister den Antrag auf Bewilligung des Befahrens von Radfahrstreifen, Radwegen und Geh- und Radwegen mit Fahrrädern mit den im Spruchteil I. genannten Anhängern gemäß § 45 Abs. 2 StVO 1960 ab.
Mit Beschluß vom 28. September 1993, B 1603/93, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
I.
Die Beschwerde ist, soweit sie von den Zweit- bis Viertbeschwerdeführern erhoben wurde, unzulässig.
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Normadressat des angefochtenen Bescheides ist ausschließlich der Erstbeschwerdeführer. Durch eine allfällige Aufhebung des angefochtenen Bescheides würde sich die Rechtsstellung der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer somit nicht ändern. Ihrer Beschwerde steht damit der Mangel der Berechtigung zur Beschwerdeerhebung entgegen. Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG durch einen gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
II.
Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 1 StVO 1960 dürfen Fahrradanhänger nur einachsig sein; sie müssen mit dem Fahrrad gelenkig und betriebssicher verbunden und vorne mit zwei weißen und hinten mit zwei roten Rückstrahlern ausgestattet sein, welche die Breite des Anhängers erkennen lassen. Wird durch den Anhänger oder durch die Ladung das Rücklicht des Fahrrades (§ 66 Abs. 2 Z. 4) verdeckt, so ist am Anhänger ein entsprechendes Rücklicht anzubringen.
Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle darf das Ladegewicht bei der Beförderung von Lasten mit mehrspurigen Fahrrädern 100 kg, mit Fahrradanhängern 50 kg nicht überschreiten. Zur Beförderung von schwereren Lasten und zur Beförderung von Personen auf Fahrradanhängern und mit mehrspurigen Fahrrädern ist eine Bewilligung der Behörde erforderlich, die dann zu erteilen ist, wenn unter Bedachtnahme auf die Beschaffenheit des Fahrrades und des Fahrradanhängers die Verkehrssicherheit nicht gefährdet ist. Die Bewilligung kann unter Berücksichtigung der Verkehrssicherheit Bedingungen enthalten.
Warum der Erstbeschwerdeführer bei dieser Rechtslage, insbesondere im Hinblick auf den letzten Satz des § 67 Abs. 3 StVO 1960, meint, der Vorschreibung der unter Punkt 1. genannten Bedingung stehe entgegen, daß es sich bei den in Rede stehenden Fahrradanhängern seiner Meinung nach nicht um Fahrzeuge im Sinne der Straßenverkehrsordnung handle, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar. Daß aber möglicherweise auch andere Vorkehrungen, als die von der belangten Behörde vorgeschriebene Feststellbremse zur Erzielung des angestrebten Zweckes zur Verfügung gestanden wären, macht für sich allein die von der belangten Behörde gewählte Vorschreibung nicht rechtswidrig. Gleiches gilt für das den Punkt 7 der Bedingungen betreffende Beschwerdevorbringen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch die von der belangten Behörde der unter Punkt 2. vorgeschriebenen Bedingung beigegebene Begründung, die Begrenzung des Ladegewichtes sei wegen der erforderlichen Relation zum Gewicht des Zugfahrzeuges samt Lenker erforderlich, nicht als unschlüssig zu erkennen. Es kommt eben, entgegen den Beschwerdeausführungen, hier nicht auf das Gesamtgewicht von Zugfahrzeug und Anhänger, sondern auf die Relation der Gewichte von Zugfahrzeug samt Lenker zu Anhänger samt Ladung (beförderten Personen) an.
Auch die unter Punkt 11. vorgeschriebene Bedingung der Ausstattung des Zugfahrzeuges mit einem stabilen Ständer erweist sich als frei von Rechtsirrtum. Die von der belangten Behörde hiefür gegebene Begründung, diese Bedingung solle verhindern, daß das Fahrzeug umstürzt und dadurch die kurz vor Beginn oder nach Beendigung der Fahrt im Anhänger befindlichen Kinder verletzt werden, ist nicht als unschlüssig erkennbar.
Unbedenklich erscheint dem Verwaltungsgerichtshof auch die dem in Punkt 13. der Bedingungen ausgesprochenen Verbot des Befahrens von Straßen mit einem Gleiskörper beigegebene Begründung. Das von der belangten Behörde auf Grund des eingeholten Sachverständigengutachtens gewonnene Ergebnis, beim Befahren solcher Straßen sei eine erhöhte Sturzgefahr gegeben, kann auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht als unschlüssig erkannt werden. Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, daß sich diese Sturzgefahr vor allem auf das Zugfahrzeug bezieht, dem im Hinblick auf die Breite des Anhängers weniger Manövrierraum verbleibt, um den Schienen auszuweichen.
Schließlich vermag der Verwaltungsgerichtshof auch in der unter Punkt 15. vorgeschriebenen Bedingung der Vermeidung von Gefällstrecken von mehr als 10 % eine unrichtige Gesetzesanwendung nicht zu erblicken. Angesichts des verhältnismäßig hohen Gesamtgewichtes des Gespannes ist die Annahme der belangten Behörde, es könnte auf der steilen Strecke eine nicht beherrschbare Gefahr von dem Fahrzeug ausgehen, durchaus nachvollziehbar. Der Beschwerdeeinwand, durch ein Schieben des Fahrzeuges auf solchen Strecken werde die Gefahr nicht verringert, sondern eher vergrößert, spricht nicht gegen die Notwendigkeit dieser Bedingung, sondern macht vielmehr deutlich, daß die Verwendung der in Rede stehenden Fahrradanhänger auf solchen Strecken überhaupt zu unterlassen ist.
Mit Recht wendet sich der Erstbeschwerdeführer allerdings gegen den Punkt 4. der Bedingungen. Zwar erscheint dem Verwaltungsgerichtshof die Annahme der belangten Behörde, es werde durch die beförderten Kinder regelmäßig eine Abdeckung des Fahrradrücklichtes stattfinden, unbedenklich, wird doch auch in der Beschwerde eingeräumt, daß dies jedenfalls für einen Teil der im Handel erhältlichen Fahrräder zutrifft. Eine Beschränkung der Bewilligung auf bestimmte Fahrradtypen als Zugfahrzeuge enthält der angefochtene Bescheid nicht. Es findet sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides aber kein sachverhaltsmäßiger Anhaltspunkt dafür, warum die vorgeschriebene Lichtanlage vom Fahrrad unabhängig und mit ZWEI roten Rücklichtern ausgestattet sein muß.
Das Verbot der Verwendung der in Rede stehenden Fahrradanhänger mit Rennrädern begründet die belangte Behörde einerseits mit den in § 66 Abs. 2 a StVO 1960 vorgesehenen Ausnahmen von der Ausrüstungspflicht ("z.B. für Beleuchtungseinrichtungen") und andererseits damit, daß durch die leichte Bauweise Rennräder nicht zum Lastentransport vorgesehen seien. Die Anhängelast bilde einen Ballast, der das Fahrverhalten, vor allem beim Bremsen, entscheidend beeinflusse. Mit der Lenkvorrichtung eines Rennrades könne den Kräften, die eine solche Last beim Bremsen ausübe, nicht wirksam begegnet werden. Diese Begründung ist insofern für eine nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht ausreichend, weil daraus einerseits nicht zu entnehmen ist, inwiefern die für diese Rennräder geltenden Ausnahmen von der Ausrüstungspflicht für die Sicherheit bei der Beförderung der gegenständlichen Fahrradanhänger von Bedeutung sind. Insbesondere ist bereits im § 66 Abs. 2 a StVO 1960 vorgesehen, daß entsprechend minder ausgerüstete Rennfahrräder nur bei Tageslicht und guter Sicht verwendet werden dürfen. Das gilt - wie der Erstbeschwerdeführer in der Beschwerde zutreffend hervorhebt - auch für den Fall der Beförderung von Anhängern mit solchen Rädern. Andererseits stellt die Aussage der belangten Behörde über die Wirksamkeit der Anhängelast auf das Fahrverhalten des Fahrrades eine technische Aussage dar, die durch das von ihr im Zuge des Verwaltungsverfahrens eingeholte Sachverständigengutachten nicht gedeckt und damit für den Verwaltungsgerichtshof unüberprüfbar ist.
Schließlich erweist sich das im Punkt 14. der Bedingungen vorgeschriebene Verbot des Vorfahrens an verkehrsbedingt anhaltenden Fahrzeugen, neben oder zwischen diesen, als durch die Verfahrensergebnisse nicht gedeckt. Aus dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten des Amtssachverständigen ist ein solches Verbot nämlich nur für den in § 12 Abs. 5 StVO 1960 geregelten Fall abzuleiten.
Soweit sich die Beschwerde gegen den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet, erweist sie sich schon deshalb im Ergebnis als berechtigt, weil dieser Punkt mit dem Spruchpunkt I. insofern in einem untrennbaren Zusammenhang steht, als darin auf jene Fahrradanhänger Bezug genommen wird, hinsichtlich derer im Punkt I. die in Rede stehende Bewilligung erteilt wurde. Mit dem Wegfall des Spruchpunktes I. fehlt es damit dem Spruchpunkt II. an dem erforderlichen sachlichen Substrat.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid über die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Umsatzsteuer zum Schriftsatzaufwand betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993030250.X00Im RIS seit
12.06.2001