TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/18 93/09/0375

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Veröffentlicht am 18.05.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
B-VG Art140 Abs1;
HVG §21 Abs1;
HVG §21 Abs2;
HVG §23 Abs1;
HVG §86;
KOVG 1957 §90 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des GE in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 8. Juni 1993, Zl. OB 113-480592-008, betreffend Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das in derselben Sache ergangene, den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zugestellte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1992, Zl. 91/09/0007, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. November 1990, soweit er ausgesprochen hat, daß ab 1. Februar 1989 kein Anspruch auf Beschädigtenrente mehr besteht, aus den folgenden Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben:

Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung (in der im Beschwerdefall maßgebenden Frage der Einschätzung der MdE ab 1. Februar 1989 und damit auch in der Frage des Bestehens eines Anspruches auf Beschädigtenrente ab diesen Zeitpunkt) auf das von ihr eingeholte und als schlüssig erkannte Gutachten des Facharztes für Unfallchirurgie Dr. D sowie auf dessen Stellungnahme vom 16. April 1990. Der Beschwerdeführer hatte im Zuge des Berufungsverfahrens ein von privater Seite (Dr. K) erstattetes Gutachten vorgelegt, in dem die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 30 % festgestellt wurde. Der angefochtene Bescheid ließ nicht erkennen, welche sachlichen Erwägungen für die belangte Behörde maßgebend waren, dem Gutachten und der Stellungnahme Dris. D gegenüber dem vom Beschwerdeführer vorgelegten, in der entscheidenden Frage (hinsichtlich der Einschätzung der MdE ab 1. Februar 1989) widersprechenden Privatgutachten den Vorzug zu geben. Im angefochtenen Bescheid fehlte auch jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 31. Mai 1990, wonach die jeweiligen Untersuchungsergebnisse oft auch von der Tagesverfassung zum Zeitpunkt der Untersuchung abhängig sind. Ungeklärt blieb auch, ob die Lage des Fußes - wie dies vom Beschwerdeführer behauptet wurde - bei der Röntgenaufnahme (für deren Ergebnis) von entscheidender Bedeutung sein kann.

Zu diesen vom Verwaltungsgerichtshof aufgezeigten Verfahrensmängeln holte die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren zunächst ein Gutachten des Facharztes für Unfallchirurgie Dr. D vom 25. September 1992 ein und gewährte dazu dem Beschwerdeführer das Parteiengehör. Der Beschwerdeführer brachte in seiner Stellungnahme vom 12. November 1992 hiezu im wesentlichen vor, die Angabe, daß seine orthopädischen Schuhe nicht den landläufigen Vorstellungen entsprechen, sondern es sich vielmehr um einen ADIMED-Sportschuh handle, der wegen einer plötzlich aufgetretenen Achillessehnenreizung verordnet worden sei, erscheine als unzureichend; es werde auch nicht dargelegt, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen der Bewegungseinschränkung und der Achillessehnenreizung bestehe. Auf die Verordnung von anderen orthopädischen Schuhen durch den Militärarzt sei von der Behörde im gesamten Verfahren nicht Rücksicht genommen worden. Eine Bewegungseinschränkung und somit eine Invalidität liege seiner Ansicht nach nicht nur durch den Bewegungsumfang im Sprunggelenk, sondern auch durch den Muskelumfang und andere Ausprägungen am Bein vor. So komme Dr. K in seinem Gutachten zu einem unterschiedlichen Umfang für die meisten Umfänge, während Dr. D für beide Beine zu gleichen Ergebnissen komme (Ausnahme Sprunggelenk). Dies lasse auf eine ungenauere Messung durch Dr. D schließen. Weiters seien in der Beurteilung nur 10-er Sprünge feststellbar, obwohl die numerische Veränderung der Werte der Beweglichkeit auch eine 5-er Skalierung zuließe. Man könnte aber auch annehmen, daß eine 5-er Einstufung nicht vorgenommen werden könne, weil die Schätzung auf eine so genaue Art nicht möglich sei. Dann wiederum stelle sich die Frage, wieso der Grenzwert für die Zusprechung von finanziellen Leistungen bei 25 % liege. Die Einschätzung eines flotten und sicheren Ganges bedürfe keiner ärztlichen Untersuchung; das Gegenteil sei für jeden Menschen offensichtlich. Das Unfallkrankenhaus Lorenz-Böhler und das Privatgutachen sprächen aber von einem nahezu unbehinderten Gang und von einer leichten Gangstörung; dies sei aber der entscheidende Unterschied zu einem störungsfreien Gang, wie er von Dr. D festgestellt worden sei. Ein solcher werde aber kaum vorhanden sein, wenn das Tragen von orthopädischen Schuhen empfohlen worden sei. Er trage im Dienst vom Militärarzt verordnete Schuhe. Abschließend beantragte der Beschwerdeführer eine neuerliche Untersuchung.

Die belangte Behörde holte zu diesen Einwendungen des Beschwerdeführers ein (weiteres) Gutachten des Sachverständigen Dr. D (vom 22. Jänner 1993) ein. Dazu nahm der Beschwerdeführer in der Folge mit Schreiben vom 15. März 1993 Stellung, wobei er um eine Neubegutachtung bzw. um eine Auseinandersetzung mit den Gutachten durch einen anderen Gutachter ersuchte; es sei ihm finanziell unzumutbar, die fachliche Auseinandersetzung mit den Ausführungen Dris. D von ärztlicher Seite vornehmen zu lassen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 8. Juni 1993 wurde der Berufung des Beschwerdeführers erneut keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 82 Abs. 1 HVG mit der Maßgabe bestätigt, daß ab 1. Mai 1988 eine Beschädigtenrente nach einer MdE von 100 v.H. von monatlich S 10.411,--, ab 1. Juni 1988 nach einer MdE von 70 v.H. von monatlich 7.288,-- und ab 1. August 1988 nach einer MdE von 40 v.H. von monatlich S 3.470,-- gewährt werde; unter einem wurde ausgesprochen, daß mit Wirkung ab 1. Februar 1989 kein Anspruch auf Beschädigtenrente mehr bestehe. Die Dienstbeschädigung (§ 2 HVG) werde wie folgt bezeichnet:

"...

...

...

ab 1.12.1989 (richtig wohl: 1988):

1)

Bewegungseinschränkung des linken Sprunggelenkes nach operativ versorgtem Innenknöchelbruch und Bruch des Würfelbeines, Metallentfernung und Bridendurchtrennung

2)

Narbe im Stirn-Scheitelbereich links."

Zur Begründung dieses Bescheides wies die belangte Behörde nach kurzer Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufes sowie nach Wiedergabe des wesentlichen Begründungsteiles des oben zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1992 auf die von ihr zur (nochmaligen) Prüfung der Berufungseinwendungen eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. D hin, woraus sich folgende medizinische

Beurteilung ergebe:

"Im privatärztlichen Gutachten Dris. K wird folgender

Bewegungsumfang der oberen Sprunggelenke angegeben:

links 90/100, rechts 70/130.

Seit 1971 ist die Gelenkmessung nach der SFTR-Notierung und der Neutral-O-Methode üblich. In dieses Schema übertragen lautet der Bewegungsumfang wie folgt: links 0-0-10, rechts 20-0-40.

Das untere Sprunggelenk wird als 1/2 behindert angegeben, was den Usancen entspricht. Im Gutachten vom 4. Dezember 1989 ist der Bewegungsumfang des linken oberen Sprunggelenkes mit 5-0-30 angegeben, das untere Sprunggelenk als drittelbehindert. Dieser Befund korreliert mit dem im Lorenz Böhler Krankenhaus erhobenen Befund von 5-0-40 am 9. Jänner 1989, weiters mit dem Befund der Erstbegutachtung von 0-0-35, den Befunden 5-0-30, 8-0-40 und 10-0-35 des Lorenz Böhler Krankenhauses und schließlich dem Befund 5-0-35 des Militärarztes.

Ohne Zweifel liegt der Unterschied zum privatärztlichen Gutachten in diesem Bewegungsbefund. Es muß hier allerdings nochmals darauf hingewiesen werden, daß ein so geringer Bewegungsumfang, wie im privatärztlichen Gutachten angeführt, zu diesem Zeitpunkt nicht nachvollziehbar ist. Dieser Bewegungsumfang würde bedeuten, daß sämtliche, seit der Erstbegutachtung getroffenen therapeutischen Maßnahmen zu einer Verschlechterung des Bewegungsumfanges geführt hätten.

Zu der Behauptung des Berufungswerbers (BW), die Untersuchungsergebnisse würden von der Tagesverfassung abhängig sein, ist folgendes festzustellen:

Die Tagesverfassung kann tätsächlich die Untersuchungsergebnisse beeinflussen, wenn man eine posttraumatische Schwellneigung annimmt. Schwellungen im Bereich von Gelenken können zur Verminderung des Bewegungsumfanges führen. Solche Schwellungen sind nach verstärkten Belastungen und abends möglich.

Zu der Behauptung, die Untersuchungsergebnisse würden von der Lage des Fußes bei den Röntgenaufnahmen abhängen, ist zu bemerken, daß sich der BW hier offensichtlich auf die am 15. September 1988 durchgeführte Röntgenaufnahme beider Vorfüße in maximal möglicher Dorsalflexion bezieht. Diese Aufnahmen erfolgten zur Beurteilung der Beteiligung des unteren Sprunggelenkes an der Bewegungseinschränkung. Sie dokumentierten die Einschränkung der Dorsalflexion des linken oberen Sprunggelenkes, zeigten aber auch seitengleiche Verhältnisse in der linken wie auch der unverletzten rechten Fußwurzel. Diese Röntgenaufnahmen zeigten sehr wohl ein Ergebnis, nämlich eine "mäßiggradige sekundäre Arthrose des linken oberen Sprunggelenkes", die Anlaß zur Annahme einer mäßiggradigen Bewegungseinschränkung gibt.

Zu den im nunmehrigen Verfahren vorgebrachten Einwendungen des BW wird wie folgt Stellung genommen:

Bezüglich des Untersuchungsdatums wird auf die Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

Zu den Schuhen ist zu bemerken, daß ein orthopädischer Schuh vom Gewerbe der orthopädischen Schuster nach entsprechenden Vermessungen angefertigt wird und nicht als Konfektionsware erhältlich ist.

Bezüglich der unterschiedlichen Meßergebnisse gegenüber dem Gutachten von Dr. K ist zu bemerken, daß die Umfangmaße am Mittelfuß (Vorfuß) in beiden Gutachten seitengleich sind. Der Umfang der verletzten Region, nämlich des Sprunggelenkes, ist gegenüber rechts vermehrt. Dies gibt der Gelenksalteration Ausdruck. Im Gutachten Dris. K wird dieser Umfang als seitengleich angegeben, womit also das übliche klinische Symptom für eine Gelenksalteration nicht bestanden hätte.

Der Umfang der Wade wurde als seitengleich festgestellt, im Gutachten Dris. K besteht hier eine Differenz von 2 cm, um welche die linke Wade verdickt wäre. Warum der Wadenumfang vermehrt gewesen sei, der am verletzten Sprunggelenk aber nicht, kann nicht erklärt werden.

Der Umfang der Kniegelenke ist in beiden Gutachten seitengleich. Der Oberschenkelumfang, der als seitengleich gemessen wurde, differiert im Gutachten von Dr. K um 1 cm, um welchen der linke Oberschenkel schmächtiger gewesen wäre. Der von ihm gewählte Meßpunkt liegt offensichtlich tiefer, es liegen hier andere muskuläre Verhältnisse vor. Die Differenz von 1 cm ist jedoch nicht wesentlich und kann physiologischerweise bestehen.

Die Feststellung des BW "nicht von Bedeutung" und "noch dazu, wo ich diesen Schluß mathematisch nicht nachvollziehen kann" bedarf keiner weiteren Erläuterung. Es ist aber doch festzuhalten, daß Bewegungsumfänge in verschiedenen Meßsystemen verglichen wurden, was entsprechende Kenntnisse voraussetzt. Der BW dürfte kaum qualifiziert sein, darüber zu urteilen.

Die Gründe für die Einschätzung wurden bereits erschöpfend dargestellt, und es ist nicht hinzuzufügen.

Die Beurteilung "nahezu unbehindeter Gang" erfolgte im Jänner 1989. Bis zur neuerlichen Untersuchung vergingen etwa 7 Monate, was zu einer Besserung des Ganges von "nahezu unbehindert" zu "unbehindert" führen konnte. Die Feststellung Dr. K einer leichten Gangstörung links ist unspezifisch, weil sie die Gangstörung nicht qualifiziert. Im letzten Gutachten wird kein "störungsfreier", sondern ein "flotter und sicherer" Gang beschrieben.

Der BW verweist außerdem völlig richtig auf einen Gesichtspunkt, der bisher außer acht geblieben ist. Das von Dr. K erstellte Gutachten wurde von einer Versicherung im Auftrag gegeben, um im Rahmen einer privaten Unfallversicherung den Invaliditätsgrad festzustellen. Dies erfolgt bekanntlich in Prozentsätzen auf Basis der Gliedertaxe. Das auf Veranlassung des Landesinvalidenamtes bzw. der Schiedskommission erstellte Gutachten erfolgte auf der Grundlage der Richtsatzverordnung zum KOVG 1957 bzw. HVG. Die beiden Gutachten sind also nach unterschiedlichen Kriterien erstellt und daher nicht ohne Einschränkungen vergleichbar."

Auf Grund dieser medizinischen Beurteilung ergebe sich

nachfolgende (abgestufte) Richtsatzeinschätzung:

"...

...

...

ab 9.1.1989:

1)

Bewegungseinschränkung des linken Sprunggelenkes nach operativ versorgtem Innenknöchelbruch und Bruch des Würfelbeines, Metallentfernung und Bridendurchtrennung RS-Pos.

                                             I/d/136  MdE 20 %

2)  Narbe im Stirn-Scheitelbereich links     RS-Pos.

                                             IX/c/702

                                            T.1.Z.re. MdE 10 %"

    Die Einreihung der unter Punkt 1. angeführten

Dienstbeschädigung innerhalb des Rahmensatzes der Positon 136

erfolge in der Erwägung, daß die Bewegungseinschränkung im

wesentlichen nur in der Dorsalflexion des Sprunggelenkes

bestehe. Die Gesamt-MdE sei im Sinne des § 3 der Verordnung des

Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 9. Juni 1965,

BGBl. Nr. 151/1965, (zuletzt) ab 9. Jänner 1989 mit 20 v.H.

festgestellt worden, wobei hiefür maßgebend gewesen sei, daß die führende MdE durch das weitere DB-Leiden keinerlei Erhöhung mehr erfahre. Die MdE betrage daher gemäß § 21 HVG ab 1. Mai 1988 100 v.H., ab 1. Juni 1988 70 v.H., ab 1. August 1988 40 v.H. und ab 1. Februar 1989 20 v.H. Das Gutachten des Sachverständigen sei als schlüssig erkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden.

Nach Wiedergabe der berufskundlichen Beurteilung gemäß § 22 HVG, in der die Feststellung enthalten ist, daß keine beruflichen Sonderverhältnisse im Sinne des § 22 HVG vorlägen und somit eine Einschätzung der MdE nach dieser Gesetzesstelle nicht habe vorgenommen werden können, wird weiters ausgeführt, daß das Ergebnis der Beweisaufnahme dem Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht worden sei. Zu den vorgebrachten Einwendungen sei festzustellen, daß sich der medizinische Sachverständige ausführlich und schlüssig mit dem privatärztlichen Gutachten auseinandergesetzt und auch zu sämtlichen Argumentationen des Beschwerdeführers eine ausführliche Stellungnahme abgegeben habe. Weitere medizinische Beweismittel hätten vom Beschwerdeführer nicht vorgelegt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich, soweit er ausspricht, daß dem Beschwerdeführer ab 1. Februar 1989 kein Anspruch auf Beschädigtenrente mehr zusteht, die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Seinem Vorbringen nach erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Zuspruch einer Beschädigtenrente nach dem HVG auch nach dem 1. Februar 1989 verletzt; seine MdE sei ab diesem Zeitpunkt höher einzuschätzen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 21 Abs. 1 HVG hat der Beschädigte Anspruch auf Beschädigtenrente, wenn seine Erwerbsfähigkeit infolge der Dienstbeschädigung über drei Monate nach dem Eintritt der Gesundheitsschädigung (§ 2) hinaus um mindestens 25 v.H. vermindert ist; die Beschädigtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 v.H. Unter Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die durch die Dienstbeschädigung bewirkte körperliche Beeinträchtigung im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben zu verstehen. Nach dem Abs.2 dieser Gesetzesstelle ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach Richtsätzen einzuschätzen, die den wissenschaftlichen Erfahrungen entsprechen.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Richtsatzverordnung zum HVG, BGBl. Nr. 151/1965, ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 21 Abs. 1 HVG nach den Richtsätzen einzuschätzen, die nach Art und Schwere des Leidenszustandes in festen Sätzen oder Rahmensätzen festgelegt sind. Hiebei sind die Richtsätze der Anlage zur Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, (im folgenden kurz Richtsatzverordnung) anzuwenden.

Abschnitt I der Richtsatzverordnung enthält Einschätzungen für chirurgische und orthopädische Krankheiten. Unter lit. d) betreffen die Position 136 bis 142 die Fußgelenke. Die Richtsatzposition I/d/136 lautet:

                                                MdE in

    "Funktionseinschränkung bis Versteifung     Hundertsätzen

    der Sprunggelenke je nach Stellung

    (günstig oder ungünstig) einseitig .........10 - 40"

Vorab ist folgendes zu bemerken: Dadurch, daß die belangte Behörde auch den von der Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht betroffenen Teil ihres Bescheides vom 15. November 1990 neuerlich wieder gibt, ist eine Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers nicht zu erkennen.

Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren zunächst ein Gutachten Dris. D eingeholt, der sich dabei insbesondere auch näher mit dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Privatgutachten Dris. K auseinandergesetzt hat. Auch nahm Dr. D zu den Behauptungen des Beschwerdeführers, die Untersuchungsergebnisse würden von der Tagesverfassung bzw. von der Lage des Fußes bei den Röntgenaufnahmen abhängen, Stellung. Zu den hiezu vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen hat Dr. D in nicht als unschlüssig zu erkennender Weise Stellung genommen.

Sofern der Beschwerdeführer die Qualifikation des Sachverständigen Dr. D in Frage stellt, ist er darauf hinzuweisen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beweiskraft eines Sachverständigengutachtens u.a. durch den Nachweis erschüttert werden kann, daß es mit den Denkgesetzen oder mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht in Einklang zu bringen ist oder den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft widerspricht. Wird jedoch vorgebracht, das Gutachten stehe mit den Erfahrungen der in Betracht kommenden Wissenschaft in Wiederspruch, so muß diese Behauptung - und zwar tunlichst unter präziser Darstellung der gegen das Gutachten gerichteten sachlichen Einwände - durch das Gutachten eines anderen Sachverständigen unter Beweis gestellt werden; durch eine bloße gegenteilige Behauptung, die einer sachverständigen Grundlage entbehrt, kann das Gutachten eines Amtssachverständigen nicht entkräftet werden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 89/09/0030, und die dort zitierte Vorjudikatur). Solche präzise, medizinisch fundierte Einwendungen gegen die Richtigkeit der Gutachten des Amtssachverständigen Dr. D hat der Beschwerdeführer jedoch im fortgesetzten Verfahren nicht mehr erhoben, sondern er hat den schlüssig begründeten Darlegungen des Sachverständigen lediglich abweichende Behauptungen entgegengesetzt. Zur Rüge des Beschwerdeführers, bis dato habe von Dr. D nicht angegeben werden können, wann tatsächlich seine Befundaufnahme (Untersuchung) stattgefunden habe, ist auf das schon mehrfach erwähnte Erkenntnis vom 19. März 1992 zu verweisen, wo ausgesprochen worden ist, daß allein dem Fehlen des Untersuchungszeitpunktes im Gutachten Dris. D in der Frage der Schlüssigkeit dieses Gutachtens keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt.

Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers bestehen somit keine Bedenken gegen die Qualifikation des Sachverständigen Dr. D. Wenn die belangte Behörde daher ihrer Entscheidung (insbesondere auch in der im Beschwerdefall allein strittigen Frage der richtsatzmäßigen Einschätzung der MdE ab 1. Februar 1989) in freier Beweiswürdigung das Sachverständigengutachten Dris. D und dessen (im fortgesetzten Verfahren abgegebenen) Gutachten zugrunde gelegt hat, so ist dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden nachprüfenden Kontrolle, die darauf beschränkt ist, ob ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt bzw. ob die Erwägungen den Denkgesetzen, somit auch dem allgemein menschlichen Erfahrungsgut entsprechen können, nicht als unschlüssig zu erkennen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1991, Zl. 90/09/0059). Zu der vom Beschwerdeführer aufrecht erhaltenen Forderung nach neuerlicher ärztlicher Untersuchung ist darauf zu verweisen, daß es auch im Wesen der freien Beweiswürdigung liegt, daß weitere Beweisanträge nicht mehr berücksichtigt werden müssen, wenn sich die Verwaltungsbehörde auf Grund der bisher vorliegenden Beweise bereits ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen konnte (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1992, Zl. 92/09/0216). Der Umstand allein, daß der Sachverständige Dr. D in seinen im fortgesetzten Verfahren abgegebenen Gutachten von seiner bereits zuvor vertretenen Ansicht nicht abgegangen ist, machte eine neuerliche Untersuchung noch nicht erforderlich.

Der Beschwerdeführer bringt abschließend noch vor, eine "Fünfer-Einstufung" sei offenbar deshalb nicht vorgesehen, weil die Schätzungen der medizinischen Sachverständigen auf eine derart genaue Art nicht möglich seien. Gerade dann aber stelle sich die Frage, weshalb der Grenzwert für finanzielle Leistungen bei 25 % liege und ob hier nicht eine unsachliche Grenzziehung vorgenommen werde; in diesen Sinne werde eine Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof angeregt.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 21 Abs. 1 (erster Satz) HVG nicht. Es liegt nämlich im verfassungsrechtlich eingeräumten Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers, eine Grenze festzusetzen, ab welcher erst ein Anspruch auf Beschädigtenrente nach dem HVG besteht. Ferner ist hiezu zu bemerken, daß die vom ärztlichen Sachverständigen abzugebende richtsatzmäßige Einschätzung die MdE in durch zehn teilbaren Hundertsätzen anzugeben hat, wobei eine um fünf geringere MdE von ihnen mitumfaßt wird (vgl. § 23 Abs. 1 HVG).

Dem angefochtenen Bescheid haftet somit die in der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit nicht an. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Besondere Rechtsgebiete KOVG Beweismittel Sachverständigenbeweis Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Gutachten Ergänzung Gutachten Parteiengehör Parteieneinwendungen Vom Sachverständigen herangezogene Befunde und sonstige Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993090375.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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