TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/18 94/09/0033

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Veröffentlicht am 18.05.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §2 Abs1;
AuslBG §28 idF 1990/450;
AVG §66 Abs4;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §45 Abs1 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des F in N, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 25. November 1993, Zl. KUVS-K2-1249/3/93, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Auf Grund einer Anzeige des Arbeitsamtes X erging am 9. Juli 1992 an den Beschwerdeführer seitens der Bezirkshauptmannschaft Lienz (BH) eine Ladung zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren, in der ihm zur Last gelegt wurde, er habe in der Zeit vom 13. April 1992 bis 4. Juni 1992 drei namentlich genannte "jugoslawische" Staatsbürger als Dienstnehmer im Raum X beschäftigt, obwohl weder der Beschwerdeführer noch die Ausländer dazu nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) berechtigt gewesen seien.

Der Beschwerdeführer nahm dazu schriftlich dahin Stellung, daß ihm für die drei Bosnier Beschäftigungsbewilligungen für die Zeit vom 1. Jänner 1992 bis 31. Dezember 1992 erteilt worden seien, wobei die betreffenden Bescheide des Landesarbeitsamtes Tirol dahingehend berichtigt worden seien, daß die Beschäftigungsbewilligungen auch für den Bereich des Bundeslandes Kärnten zu gelten hätten. Dieser Stellungnahme legte der Beschwerdeführer Kopien dreier Bescheide des Landesarbeitsamtes Tirol vom 30. Dezember 1991 bei, mit denen ihm Beschäftigungsbewilligungen für die drei Ausländer für das Kalenderjahr 1992 und für die Tätigkeit als Forstarbeiter "für den örtlichen Geltungsbereich Arbeitsamt Lienz" verlängert wurden. Auf diesen Bescheiden sind jeweils Vermerke "Arbeitsamt Lienz, 5. Juni 1992 - örtl. Geltungsber. ber. 5.6.92" und maschinschriftliche Zusätze zum örtlichen Geltungsbereich "und Kärnten" ersichtlich.

Dazu gab der Beamte des Arbeitsamtes Lienz als Zeuge vernommen an, er habe diese Berichtigungsvermerke auf den Bewilligungsbescheiden des Landesarbeitsamtes "aus Unwissenheit" angebracht.

Mit dem an den Beschwerdeführer an dessen Adresse in N gerichteten Bescheid der BH vom 18. Mai 1993 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 450/1990 schuldig erkannt, weil er als Arbeitgeber die drei Ausländer "im Rahmen von Seilbringungsarbeiten für die Firma F im Raum S, Bezirk X, beschäftigt" habe, obwohl ein Ausländer nur beschäftigt werden dürfe, wenn dem Arbeitgeber für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt. Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG wurde über den Beschwerdeführer EINE Geldstrafe in der Höhe von S 30.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfalle 6 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

In der Begründung führte die BH aus, der Beschwerdeführer habe die Ausländer ungeachtet dessen, daß die Beschäftigungsbewilligungen nur für den örtlichen Geltungsbereich "Arbeitsamt Lienz" verlängert worden seien, im Bezirk X als Dienstnehmer beschäftigt. Er habe sich auf Grund der ihm erteilten Bewilligungen darüber klar sein müssen, daß er durch Beschäftigung der Ausländer im Bezirk X eine Übertretung nach dem AuslBG begehe; der Beschwerdeführer habe daher grob fahrlässig gehandelt. In der weiteren Begründung setzte sich die BH mit Erwägungen zur Strafbemessung auseinander.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine an die BH adressierte Berufung, in der er die Schuldzuweisung und Fahrlässigkeitsvermutung als "haltlos und unrichtig" zurückwies. "Gültige Dokumente zum Betriebsstandort" müßten vollauf genügen, das Unternehmen bundesweit mit inländischen und ausländischen Arbeitskräften auszuüben. Es handle sich um eine "grenzenlose Unkenntnis seitens der Verwaltungsbehörde" über die Struktur der Tätigkeit des Beschwerdeführers; das Straferkenntnis stelle einen "markant repressiven, existenzbedrohenden Übergriff der Behörde auf die Wettbewerbsfreiheit der Unternehmer" dar und stehe im Widerspruch zur Verfassung.

Die BH Lienz legte diese Berufung der belangten Behörde zur Entscheidung vor, welche mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. November 1993 dieser Berufung teilweise Folge gab und die verhängte (eine) Geldstrafe auf S 15.000,-- (3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) herabsetzte. Nach einer Darstellung des Verfahrensablaufes und der einschlägigen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde begründend aus, die im § 6 AuslBG getroffene örtliche Abgrenzung erstrecke sich einerseits auf die Arbeitsstelle innerhalb des Betriebes und andererseits auf den Bereich eines Arbeitsamtes. Im konkreten Fall stehe fest, daß der Beschwerdeführer die drei Ausländer im Tatzeitraum nur im Bereich des Arbeitsamtes Lienz hätte beschäftigen dürfen. Da aber für den Bereich des Arbeitsamtes X gültige Beschäftigungsbewilligungen nicht vorgelegen seien, sei dort eine Beschäftigung der drei Ausländer nicht zulässig gewesen. Der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt der Begehung der vorliegenden Verwaltungsübertretung nicht einschlägig vorbestraft gewesen und somit iS des § 28 AuslBG als "Ersttäter" zu betrachten, weshalb die Geldstrafe entsprechend dem Strafrahmen von S 5.000,-- bis zu S 60.000,-- herabzusetzen gewesen sei. "Der Vollständigkeit halber" wies die belangte Behörde darauf hin, daß bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit einer entsprechenden Geldstrafe vorzugehen sei; dessenungeachtet werde mit der nunmehr verhängten Geldstrafe dem gesetzlichen Strafrahmen im Ergebnis Genüge getan.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, nicht unverschuldet oder ungerechtfertigt einer Verwaltungsübertretung bezichtigt zu werden. Die ihm abgeforderte Geldstrafe sei gesetzlich nicht gedeckt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall fällt auf, daß als erste Instanz im Verwaltungsstrafverfahren die BH Lienz eingeschritten ist, und daß über die gegen deren Bescheid erhobene Berufung der Unabhängige Verwaltungssenat Kärnten entschieden hat.

Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

Auch im Falle von Übertretungen gegen § 28 AuslBG ist im Zweifel der Sitz des Unternehmens des Arbeitgebers der Tatort, denn dort wird in der Regel die gegebenenfalls nach diesem Gesetz verpönte Beschäftigung (§ 2 Abs. 1 AuslBG) ausländischer Arbeitskräfte eingegangen und von dort aus wäre die allenfalls fehlende Beschäftigungsbewilligung zu beantragen. Hingegen dient die Angabe des Ortes, an dem die illegal beschäftigten Ausländer ihre Arbeitsleistungen erbracht haben, nur der näheren Individualisierung der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tathandlungen (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, 92/09/0377, vom 6. September 1993, 93/09/0151 und 93/09/0152,0153, u.a.).

Im Beschwerdefall ist nicht ganz klar, ob sich die in erster Instanz eingeschrittene BH Lienz dieser Rechtslage bewußt gewesen ist. Dafür spricht, daß der Firmensitz des Beschwerdeführers offenbar in N (politischer Bezirk Lienz) gelegen ist, und daß die BH sich als örtlich zuständig erachtet hat. Auf der anderen Seite aber lassen Spruch und Gründe des erstinstanzlichen Bescheides erkennen, daß die BH offenbar dessenungeachtet von einem im Bezirk X gelegenen Tatort ausgegangen ist. Für diese Annahme spricht auch, daß die BH in der Folge die gegen ihren Bescheid erhobene Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat Kärnten und nicht dem Unabhängigen Verwaltungssenat Tirol zur Entscheidung vorgelegt hat.

Gemäß § 51 Abs. 1 VStG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung gemäß dem am 1. Oktober 1993 in Kraft getretenen BGBl. Nr. 666/1993 steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde.

Bei der beschriebenen Gestaltung des erstinstanzlichen Bescheides kann der belangten Behörde nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die belangte Behörde davon auszugehen gehabt hätte, die BH sei vom Tatort N ausgegangen, denn dann wäre zur Erledigung der Berufung der Unabhängige Verwaltungssenat Tirol zuständig gewesen. Der Bescheid der BH läßt aber nach dem Gesagten erkennen, daß NACH SEINEM AUSSPRUCH die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates Kärnten (nämlich im Bezirk X) begangen worden sei.

Bei dieser Deutung des erstinstanzlichen Bescheides war die belangte Behörde gemäß § 51 Abs. 1 VStG zur Erledigung der an sie vorgelegten Berufung zuständig. Konsequenterweise hätte die belangte Behörde jedoch iS der oben dargestellten Judikatur zum Tatort bei Übertretungen nach dem AuslBG den erstinstanzlichen Bescheid nicht auch nur teilweise bestätigen dürfen, weil der Ort, wo die Arbeitsleistungen der illegal beschäftigten Ausländer stattfinden, eben nicht der Tatort ist, und Spruch und Gründe des erstinstanzlichen Bescheides keine Hinweise auf einen anderen Tatort erkennen lassen. Die bloße Erschließbarkeit eines im Sprengel des Arbeitsamtes Lienz (siehe dazu die Verordnung BGBl. Nr. 508/1976 idF gemäß BGBl. Nr. 474/1991) gelegenen Tatortes (Firmensitzes) aus der Adressierung des erstinstanzlichen Bescheides an die in diesem Sprengel gelegene Anschrift des Beschwerdeführers in N reicht nach der Judikatur als Tatortangabe gemäß § 44a lit. a VStG nicht aus (vgl. dazu neuerlich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, 92/09/0377, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Die belangte Behörde hat in Verkennung der Rechtslage auch von einer Sachverhaltsergänzung im Sinne einer Feststellung des zutreffenden Tatortes (§ 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG) Abstand genommen.

Bei dieser rechtlichen Beurteilung des Beschwerdefalles erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, ohne daß es eines Eingehens auf die Frage der "Berichtigung" der Bescheide betreffend die Beschäftigungsbewilligungen der drei Ausländer bedurfte. Für das fortgesetzte Verfahren ist aber noch darauf hinzuweisen, daß iS der angeführten Vorjudikatur auf eine allenfalls wegen Fehlens einer tauglichen Verfolgungshandlung bereits eingetretene Verfolgungsverjährung Bedacht zu nehmen sein wird.

Der Vollständigkeit halber ist noch anzuführen, daß auch die Verhängung EINER Gesamtstrafe für drei gesondert zu behandelnde Verwaltungsübertretungen, wie sie § 28 Abs. 1 AuslBG seit der Novelle BGBl. Nr. 231/1988 für die Beschäftigung jedes einzelnen unberechtigt beschäftigten Ausländers vorsieht, mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1990, 90/09/0170).

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft a) überhöht mit S 15.000,-- statt S 11.120,-- geltend gemachten Schriftsatzaufwand, b) nach dem Gesetz nicht zusätzlich zum Schriftsatzaufwand zu ersetzende Umsatzsteuer und c) überhöht verzeichnete Stempelgebühren.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Spruch der Berufungsbehörde Ergänzungen des Spruches der ersten Instanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994090033.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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