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L66504 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
ABGB §473;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, in der Beschwerdesache 1.) des F K und 2.) der H K, in P, beide vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des LAS beim Amt der OÖ LReg vom 14. Oktober 1993, Zl. Bod - 4517/4 - 1993, betreffend Feststellung eines Geh- und Fahrtrechtes (mP: 1.) E F; 2.) E Gesellschaft mbH, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in R), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von je S 5.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der zweitmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Eingabe vom 28. Jänner 1992 beantragten die Beschwerdeführer bei der Agrarbezirksbehörde Gmunden (ABB) die Feststellung, daß ihnen an dem beschotterten Weg, der je zur Hälfte auf dem Grundstück Nr. .13 und auf dem Grundstück .16 liege und zum Wohnhaus Nr. 2 führe, die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes zustehe. Eigentümerin des Grundstückes Nr. .13 ist die erstmitbeteiligte Partei, Eigentümerin des Grundstückes Nr. .16 ist die zweitmitbeteiligte Partei.
Zur Begründung ihres Antrages führten die Beschwerdeführer aus, hinsichtlich der betroffenen Liegenschaften sei bei der ABB ein Zusammenlegungsverfahren anhängig, sodaß für die beantragte Feststellung die ABB zuständig sei. Die Beschwerdeführer bzw. ihre Rechtsvorgänger hätten den Weg schon seit mindestens 100 Jahren befahren. Er stelle die einzige Möglichkeit dar, vom öffentlichen Gut zum Wohnhaus der Beschwerdeführer zu gelangen. Die erstmitbeteiligte Partei habe vor wenigen Wochen eigenmächtig am Beginn des Weges eine Fahrverbotstafel aufgestellt und den Beschwerdeführern die weitere Benützung des Weges untersagt.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 8. April 1992, bei der insbesondere Zeugen zur Frage der Wegbenutzung durch die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer vernommen wurden, erließ die ABB einen mit 4. Jänner 1993 datierten Bescheid mit folgendem Spruch:
"Dem Antrag wird teilweise stattgegeben und festgestellt,
daß den ...... (Beschwerdeführern) als Hälfteeigentümer des
Grundstückes Nr. .14 (Haus Nr. 2) an dem beschotterten Weg, der
je zur Hälfte auf Grundstück Nr. .13, (Eigentümerin: ....
(Erstmitbeteiligte)....) und dem Grundstück Nr. 16,
(Eigentümer: .... (zweitmitbeteiligte Partei) ....) liegt und
zum Wohnhaus Nr. 2 führt, die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes zusteht, wobei jedoch das wirtschaftlich erforderliche Abladen von landwirtschaftlichen Produkten auf dem Grundstück Nr. .13 nicht behindert werden darf."
Begründet wurde diese Feststellung im wesentlichen damit, daß nach dem Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens die Voraussetzungen für die Ersitzung eines Geh- und Fahrtrechtes vorlägen.
Gegen diesen Bescheid erhob die erstmitbeteiligte Partei Berufung. Sie bestritt die Ersitzung einer Dienstbarkeit zugunsten der Beschwerdeführer.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 1993 gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, daß sein Spruch wie folgt zu lauten habe:
"Auf Grund des Antrages ..... (der Beschwerdeführer) wird festgestellt, daß zugunsten der Grundstücke .14 (Bfl), 366/2, 368/1, 368/3, 379/5, 379/6, 379/7, 741, 779, 780, 783/2 und 785 je KG, ein ersessenes Geh- und Fahrtrecht auf dem in der Natur vorhandenen Schotterweg auf den Grundstücken .13 und .16 je KG besteht. Das Fahrtrecht umfaßt alle Fahrten, die zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung der berechtigten Grundstücke erforderlich sind und das Verkehrsbedürfnis der Hofstelle (Grundstück .14) bzw. deren Bewohner. Durch die Ausübung des Fahrtrechtes darf das Abladen von Ernteprodukten auf dem Grundstück .13 KG nicht behindert werden."
In der Begründung dieses Bescheides bejaht die belangte Behörde grundsätzlich das Vorliegen eines ersessenen Geh- und Fahrtrechtes auf dem strittigen Weg zugunsten des Anwesens der Beschwerdeführer, jedoch in gegenüber dem erstinstanzlichen Bescheid eingeschränktem Umfang. Es sei - so die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides - unbestritten, daß das Anwesen Nr. 2 im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Beschwerdeführer im Jahr 1966 eine wesentlich kleinere Produktionsfläche als heute umfaßt habe. Mit dem Kaufvertrag vom 28. August 1970 hätten die Beschwerdeführer u.a. die Grundstücke Nr. 777, 778, 789/1 im Gesamtausmaß von 11.132 m2 dazu erwoben. Insgesamt hätten sie durch Grundzukäufe seit 1966 ihren Grundbesitz auf 39.277 m2 vergrößert. Darüberhinaus bewirtschafteten sie auch etliche Grundstücke, die sie gepachtet hätten und betrieben eine Obstpresse, was ihre Rechtsvorgänger nicht getan hätten. Da die ersessene Dienstbarkeit nicht den Transportbedarf umfasse, der aus diesen Besitzvergrößerungen, Zupachtungen und aus der Erweiterung der Betriebsart resultiere, sei der Berufung teilweise Folge zu geben und der angefochtene Bescheid dahin zu ändern gewesen, daß die Grunddienstbarkeit nur zugunsten jener Grundstücke ersessen worden sei, die bereits vor 3 Jahrzehnten zum Gutsbestand der Liegenschaft Nr. 2 gehört hätten. Wenn es im Spruch der Berufungsentscheidung heiße, das Fahrtrecht umfasse das Verkehrsbedürfnis der Hofstelle und deren Bewohner, so dürfe daraus keineswegs der Schluß gezogen werden, das Verkehrsbedürfnis der Hofstelle erstrecke sich auch auf neu gekaufte und gepachtete Grundstücke sowie auf die neu ausgeübte Tätigkeit des Obstpressens.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die Beschwerdeführer bringen vor, nur eine die Belastung des dienenden Gutes erheblich erschwerende Änderung der Benützungsart des herrschenden Gutes stelle eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit dar (SZ 52/99). Durch die von den Beschwerdeführern durchgeführten Grundzukäufe erfolge keine unzulässige Erweiterung des ersessenen Geh- und Fahrtrechtes. Dieses werde nach wie vor zum Nutzen der Landwirtschaft verwendet. Ein stetiges Anwachsen der Fahrten sei nur natürlich, da durch die extensive (gemeint wohl: intensive) Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen die landwirtschaftlichen Erträge in den letzten Jahrzehnten sprunghaft zugenommen hätten. Diese Entwicklung sei für jedermann absehbar gewesen. Dies gelte auch für die Grundzukäufe. Bereits im Ersitzungszeitpunkt sei für die Eigentümer der dienenden Grundstücke absehbar gewesen, daß es zu Grundzukäufen kommen werde. Es sei allgemein bekannt, daß kleine Landwirtschaften auf Dauer nicht überlebensfähig seien und daher vor der Alternative stünden, entweder den Betrieb einzustellen oder diesen durch Grundzukäufe rentabel zu machen. Im Fall einer Teilung des herrschenden Grundstückes sei die Mehrbelastung des dienenden Grundstückes dann zulässig, wenn bei der Bestellung der Dienstbarkeit an die Möglichkeit einer solchen Mehrbelastung nach den Umständen zu denken gewesen sei, wobei insbesondere Größe und Lage des Grundstückes zu berücksichtigen seien (SZ 56/60). Nach Ansicht der Beschwerdeführer hätten diese im Zusammenhang mit der Teilung von Grundstücken entwickelten Grundsätze auch im Beschwerdefall Anwendung zu finden, da ja auch § 844 ABGB prinzipiell keine Erweiterung der Dienstbarkeit vorsehe.
Die belangte Behörde habe den Sachverhalt aktenwidrig festgestellt. Die Gesamtfläche der zugekauften Grundstücke betrage nicht, wie in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführt, 11.132 m2, sondern 7.690 m2. Die belangte Behörde habe auch den Erhebungsbericht ihres agrartechnisch fachkundigen Mitgliedes nicht entsprechend berücksichtigt. In diesem Bericht werde ausgeführt, die Benützung des Weges habe der Sicherung des angemessenen Lebensunterhaltes für die jeweiligen Bewohner des Anwesens Nr. 2 gedient. Die belangte Behörde hätte Erhebungen anstellen müssen, ob durch die Grundzukäufe und Zupachtungen sowie den Betrieb der Obstpresse tatsächlich die Zahl der Fahrten derart angestiegen sei, daß von einer erheblich erschwerenden Benützung des dienenden Grundstückes gesprochen werden könne. Im Erhebungsbericht des agrartechnisch fachkundigen Senatsmitgliedes werde dazu lediglich ausgeführt, die Wegbenützung und die Zahl der Fahrten habe ständig zugenommen. Eine ständige Zunahme der Fahrten sei jedoch allein schon durch die dem jeweiligen Zeitstandard entsprechende Bewirtschaftung erfolgt.
Das agrartechnisch fachkundige Mitglied der belangten Behörde habe in seinem Erhebungsbericht ausgeführt, für die direkte Bewirtschaftung der von den Beschwerdeführern zugekauften Grundstücke sei eine Benützung des beschwerdegegenständlichen Weges nicht erforderlich. Die Feststellung der belangten Behörde, durch den Zukauf dieser Grundstücke sei es zu einem erhöhten Transportbedarf gekommen, der vom ersessenen Geh- und Fahrtrecht nicht gedeckt sei, sei daher nicht richtig.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligten Parteien haben ebenfalls Gegenschriften erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit ihrem Vorbringen, nur eine die Belastung des dienenden Gutes erheblich erschwerende Änderung der Benützungsart des herrschenden Gutes stelle auf eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit ab, beziehen sich die Beschwerdeführer - wie aus der von ihnen angeführten Judikatur hervorgeht - auf die von Rechtsprechung und Lehre zu § 484 ABGB entwickelten Grundsätze.
Nach § 484 ABGB kann der Besitzer des herrschenden Gutes zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben, doch dürfen Servituten nicht erweitert werden; sie müssen vielmehr, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden. Daraus haben Lehre und Rechtsprechung abgeleitet, daß der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten in billiger Weise zu lösen ist. Der Umfang einer Wegeservitut richtet sich nach der Kulturgattung und Bewirtschaftungsart des herrschenden Grundstückes im Zeitpunkt der Bestellung oder Ersitzung der Dienstbarkeit. Bei ungemessenen Dienstbarkeiten, deren Ausmaß durch den Titel nicht eindeutig bestimmt ist, entscheidet nicht das Bedürfnis des herrschenden Gutes im Zeitpunkt der Entstehung der Dienstbarkeit, sondern dessen jeweiliges Bedürfnis, doch bestehen auch hier Schranken auf Grund des ursprünglichen Bestandes und der ursprünglichen Bewirtschaftungsart. Eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit liegt vor, wenn das dienende Gut dadurch erheblich schwerer belastet wird (vgl. die Entscheidung des OGH vom 14. September 1982, 5 Ob 661/82 = SZ 55/125 und die dort angeführte Judikatur und Literatur).
Abgesehen davon, daß die Annahme einer mit der Erweiterung der Betriebsflächen der Beschwerdeführer einhergehenden Vermehrung der Zahl der Fahrten über den streitgegenständlichen Weg der Lebenserfahrung entspricht und daß dem Akt zu entnehmen ist, daß dieser Umstand auch zu einer Beeinträchtigung der erstmitbeteiligten Partei, insbesondere bei der Futtereinbringung, geführt hat, stellt eine Inanspruchnahme des Weges für Transporte zu und von den von den Beschwerdeführern zugekauften und gepachteten Grundstücken auch unabhängig von der Frage, ob dadurch das dienende Gut erheblich schwerer belastet wird, eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit dar.
Als Titel für die von den Beschwerdeführern beanspruchte Dienstbarkeit kommt Ersitzung in Betracht. Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführer das Anwesen Nr. 2 erst im Jahre 1966 erworben haben und daß der Zukauf und die Zupachtung von weiteren Betriebsflächen erst nach diesem Zeitpunkt erfolgt sind. Eine Ersitzung zugunsten dieser zugekauften und gepachteten Flächen als herrschendes Gut konnte nicht erfolgen, da seit dem Kauf (der Pacht) noch keine 30 Jahre vergangen sind. Daß den Beschwerdeführern in bezug auf diese Grundstücke Ersitzungszeiten von Rechtsvorgängern zugute kämen, hat das Verfahren nicht ergeben. Die zugekauften und zugepachteten Grundstücke der Beschwerdeführer waren daher vom Titel für die Dienstbarkeit (§ 480 ABGB) nicht umfaßt, sodaß ihnen nicht die Stellung herrschender Grundstücke zukommt. Die in Rede stehende Dienstbarkeit ist eine Grunddienstbarkeit. Eine solche ist dadurch gekennzeichnet, daß das Recht der Dienstbarkeit mit dem Besitz eines Grundstückes zu dessen vorteilhafteren oder bequemeren Benützung verknüpft ist (§ 473 ABGB). Eine Grunddienstbarkeit besteht daher nicht für alle Grundstücke des jeweiligen Besitzers des herrschenden Gutes, sondern nur zugunsten des herrschenden Grundstückes. Durch eine Vergrößerung des herrschenden Gutes kann eine Dienstbarkeit nicht erweitert werden (vgl. das Urteil des OGH vom 25. April 1978, 4 Ob 519/78 und die dort angeführte Judikatur und Literatur). Insbesondere eine ersessene Dienstbarkeit kann nur in jenem Umfang bestehen, in dem sie ersessen worden ist (vgl. das Teilurteil des OGH vom 11. Dezember 1980, 7 Ob 736/80). Aus diesem Grund stellt eine Benützung des im Eigentum der mitbeteiligten Parteien stehenden Weges durch die Beschwerdeführer für Fahrten zu und von den zugepachteten und zugekauften Flächen unabhängig davon, ob dadurch das dienende Gut erheblich schwerer belastet wird, eine unzulässige Erweiterung der ersessenen Dienstbarkeit dar, da eine Ersitzung der Dienstbarkeit zugunsten dieser Grundstücke nach den im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen nicht erfolgt ist, diese Flächen daher nicht zum herrschenden Gut gehören. Aus diesem Grund kommt daher auch dem Umstand keine rechtserhebliche Bedeutung zu, daß die belangte Behörde das Ausmaß der von den Beschwerdeführern zugekauften Flächen unrichtig angenommen hat.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Den mitbeteiligten Parteien stehen S 11.120,-- an Schriftsatzaufwand und die jeweiligen Stempelgebührenersätze an Aufwandersatz zu (§ 49 Abs. 6 VwGG). Das darüber hinausgehende Mehrbegehren der zweitmitbeteiligten Partei war abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993070172.X00Im RIS seit
11.07.2001