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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 30. Juni 1993, Zl. IV-643.896/FrB/93, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der belangten Behörde) vom 30. Juni 1993 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer russischen Staatsangehörigen, vom 27. Mai 1993 auf Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß die Beschwerdeführerin wegen folgender Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden sei:
"§ 64 KFG mit SV vom 30.3.1993, Pst 298/93 (Koat 13.) § 64 KFG sowie § 3 Meldegesetz mit SV vom 6.4.1993, Pst 593/93 (Koat 13.) § 82/1 Zi. 4 in Verbindung mit § 15/1 FrG mit SE vom 4.5.1993 (Pst 5977/FrB/93)."
Es handle sich um schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG, die auch ein Aufenthaltsverbot begründen könnten. Somit liege der zwingende Sichtvermerkversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. vor, weil aufgrund des gezeigten Verhaltens anzunehmen sei, daß der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in eventu wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn deshalb aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 FrG kann ein Sichtvermerk einem Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern ein gültiges Reisedokument vorliegt und kein Versagungsgrund gemäß § 10 gegeben ist. Der Sichtvermerk kann befristet oder unbefristet erteilt werden.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, daß sie wegen Übertretung des Fremdengesetzes wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes und wegen Verstöße gemäß § 64 KFG bestraft worden sei. Das diesen Bestrafungen - im Gegensatz zu der in der Beschwerde vertretenen Ansicht handelt es sich hiebei keineswegs um geringfügige Übertretungen - zugrunde liegende Verhalten rechtfertigte die Annahme der belangten Behörde, der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet würde die öffentliche Ordnung gefährden. Daß die Beschwerdeführerin sich darüber hinaus einer Übertretung nach dem Meldegesetz schuldig machte, unterstreicht ihre Neigung, österreichische Rechtsvorschriften zu mißachten, und läßt die Annahme, ihr Aufenthalt laufe öffentlichen Interessen zuwider, umso mehr als zutreffend erkennen.
Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG geht in diesem Zusammenhang schon deshalb fehl, weil die genannten festgestellten rechtskräftigen Bestrafungen diesen Tatbestand sogar erfüllen würden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0553).
Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, daß die Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen hat, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. aus der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1993, B 302/93, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0317). Der in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin erhobene Vorwurf, es sei auf ihre in Österreich befindlichen Eltern keine Rücksicht genommen worden, ist unberechtigt. Die Beschwerdeführerin führte erstmals in der am 13. Juli 1993 - sohin nach Erlassung des angefochtenen Bescheides - eingelangten Stellungnahme zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus, daß sie zusammen mit ihren Eltern und ihrer Tochter in Wien lebe. Die belangte Behörde konnte daher bei Erlassung des angefochtenen Bescheides auf den Aufenthalt der Eltern der Beschwerdeführerin mangels Kenntnis nicht Bedacht nehmen. Hingegen war der Aufenthalt des (im Reisepaß der Beschwerdeführerin eingetragenen) minderjährigen Kindes und die mit Bescheid vom 25. Mai 1993 erteilte Beschäftigungsbewilligung aufgrund des Antrages auf Erteilung des Sichtvermerkes der belangten Behörde bekannt. Diese zu berücksichtigenden privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin müssen gegenüber dem maßgeblichen öffentlichen Interesse zurückstehen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180380.X00Im RIS seit
19.03.2001