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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Kramer und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über den Antrag des A in N, vertr durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung der der Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 19. Jänner 1993, Zl. Agrar-730063-IV/T-1993, betreffend Übertretung des Viehwirtschaftsgesetzes
(hg. Zl. 93/17/0418) anhaftenden Mängel, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
Begründung
Mit Berichterverfügung vom 30. Dezember 1993 wurde die zur hg. Zl. 93/17/0418 erhobene Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid gemäß § 34 Abs. 2 VwGG dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Vertreter mit der Aufforderung zurückgestellt, ein der Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGG entsprechendes, bestimmtes Begehren zu stellen, eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde für den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft beizubringen sowie die Beschwerde mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes zu versehen oder eigenhändig zu unterfertigen.
Innerhalb der gleichzeitig gesetzten Frist erstattete der Beschwerdeführer durch einen seiner ausgewiesenen Rechtsfreunde zwar einen Schriftsatz, in dem er unter anderem ein der Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGG entsprechendes Begehren stellte; der Aufforderung, eine weitere Gleichschrift der Urbeschwerde vorzulegen, wurde jedoch nur insofern entsprochen, als eine Ablichtung jener Beschwerde beigeschlossen wurde, auf der weder im Original noch in Ablichtung die Unterschrift eines Rechtsanwaltes aufscheint.
Zur Frage der Unterfertigung der Beschwerde durch einen Rechtsanwalt nahm der Beschwerdeführer nicht Stellung; auf den beiden dem Verwaltungsgerichtshof bereits vorliegenden Ausfertigungen der Urbeschwerde hatte sich neben dem Stempelabdruck der drei Beschwerdeführer ein Schriftzug vorgefunden, der aus den Buchstaben "iV", einer als Namenszug "Hell" deutbaren Buchstabenfolge und einer unleserlichen Paraphe bestand.
Mit Beschluß vom 11. Februar 1994, Zl. 93/17/0418-5, wurde das Verfahren wegen nur mangelhafter Erfüllung des Verbesserungsauftrages eingestellt; die Nachreichung der Ablichtung des ursprünglichen Beschwerdeschriftsatzes, auf welcher keine Unterschrift des einschreitenden Rechtsanwaltes - auch nicht in Ablichtung - aufscheine, könne nicht als Befolgung des Mängelbehebungsauftrages angesehen werden. Es komme daher nicht mehr darauf an, ob der auf zwei Ausfertigungen der Urbeschwerde aufscheinende Schriftzug als Unterschrift eines Rechtsanwaltes im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGG anzusehen sei oder nicht.
Dieser Beschluß wurde den Vertretern des Beschwerdeführers am 28. März 1994 zugestellt.
Mit dem am 11. April 1994 zur Post gegebenen Schriftsatz vom selben Tage stellt der Beschwerdeführer den aus dem Spruch ersichtlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Darin wird im wesentlichen vorgebracht, St. sei in der Kanzlei der genannten Rechtsanwälte als Sekretärin angestellt. Da sich aus dem Terminkalender ergeben habe, daß Rechtsanwalt Dr. H am 1. Februar 1994 - dem letzten Tag der Verbesserungsfrist - allenfalls nicht in der Kanzlei erreichbar sein würde, habe Frau St. vorsichtshalber zwei weitere Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde vorbereitet, eine davon noch am 31. Jänner 1994 von Rechtsanwalt Dr. H unterschreiben lassen und im Akt abgelegt. Am nächsten Tag, dem 1. Februar 1994, habe Frau St. den in Durchführung des Verbesserungsauftrages verfaßten Schriftsatz Rechtsanwalt Dr. G zur Unterschrift vorgelegt, der an diesem Tage als einziger der drei Anwälte in der Kanzlei anwesend gewesen sei. Dieser habe Frau St. angewiesen, die drei unterfertigten Ausfertigungen des ergänzenden Schriftsatzes und die weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde, die Rechtsanwalt Dr. H bereits am Vortag unterfertigt hatte, beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Bei der Abfertigung des Schriftsatzes sei Frau St. aber durch einen unerklärlichen Irrtum der Fehler unterlaufen, daß sie der Eingabe jene Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof beigelegt habe, welche keine Unterschrift getragen habe. Erst durch die am 28. März 1994 erfolgte Zustellung des Beschlusses vom 11. Februar 1994 habe sich herausgestellt, daß jene Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welche von Rechtsanwalt Dr. H unterschrieben worden sei, noch im Akt gelegen sei. Während ihrer gesamten Tätigkeit in der oben genannten Rechtsanwaltskanzlei sei Frau St. bei der Abfertigung von Schriftstücken vor dem verfahrensgegenständlichen Vorfall kein Fehler unterlaufen und sie habe die ihr übertragenen Arbeiten stets sorgfältig ausgeführt.
Diesem Antrag ist eine Eidesstattliche Erklärung von Frau St. beigelegt, in denen die obigen Angaben als richtig bestätigt werden.
Gemäß § 46 Abs. 2 VwGG idF. des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 564/1985 ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten des Parteienvertreters demjenigen der Partei oder des Rechtsanwaltes nicht schlechterdings gleichgesetzt werden darf. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Ein Verschulden trifft den Rechtsanwalt jedenfalls dann nicht, wenn sich zeigt, daß die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleiangestellten beruht, ohne daß ein eigenes Verschulden des Rechtsanwaltes hinzugetreten wäre. Unterläuft einem Angestellten, dessen Zuverlässigkeit glaubhaft dargetan wird, erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach Kontrolle desselben durch den Parteienvertreter im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein unvorhergesehens Ereignis dar. Die regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich durchführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Anders kann es sich verhalten, wenn schon aus dem vom Parteienvertreter unterfertigten Schriftsatz hervorgeht, daß damit dem Mängelbehebungsauftrag nur unvollständig entsprochen würde (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 26. März 1993, Zl. 93/17/0065, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).
Der Verwaltungsgerichtshof geht im vorliegenden Fall auf Grund des durch die beigelegte Eidesstattliche Erklärung erhärteten Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag sachverhaltsmäßig davon aus, daß jener Beschwerdemangel, der zur Einstellung des Beschwerdeverfahrens geführt hatte, durch ein weisungswidriges Verhalten der Kanzleiangestellten des Beschwerdevertreters, nämlich durch die Unterlassung des Anschlusses einer unterfertigten Ausfertigung der Urbeschwerde, verursacht wurde. Ein Anhaltspunkt für ein gleichzeitiges Verschulden der Beschwerdevertreter selbst hat sich nicht ergeben, zumal Dr. L in Kenntnis des Vorhandenseins eines von Dr. H unterschriebenen Schriftsatzes die Kanzleiangestellte angewiesen hatte, diese UNTERFERTIGTE Ausfertigung der Urbeschwerde der Eingabe anzuschließen. Das im Zusammenhang maßgebende Hindernis bestand in der Unkenntnis dieses Verhaltens; es erscheint glaubhaft, daß dieses Hindernis erst mit der Zustellung des Einstellungsbeschlusses des Verwaltungsgerichtshofes weggefallen ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß eines verstärkten Senates vom 21. Juni 1988, Slg. Nr. 12.742/A, dargetan hat, wird bei einem gemäß § 34 Abs. 2 VwGG erteilten Mängelbehebungsauftrag die Frist zur Verbesserung nicht nur dann versäumt, wenn jenem Auftrag innerhalb der Frist überhaupt nicht, sondern auch dann, wenn ihm nur unvollständig entsprochen wurde.
Der Vollständigkeit halber sei noch auf folgendes verwiesen:
Durch das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag und die Eidesstattliche Erklärung von Frau St. ist hinreichend dargetan, daß die oben wiedergegebene Unterfertigung der Urbeschwerde von Rechtsanwalt Dr. H stammte. Denn auch die nunmehr in Befolgung des Gebotes der Nachholung der versäumten Prozeßhandlung vorgelegte weitere Ausfertigung der Urbeschwerde trägt denselben Namenszug wie die beiden ursprünglich eingebrachten Ausfertigungen dieser Beschwerde.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG stattzugeben.
Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren gemäß § 46 Abs. 5 VwGG in jene Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
Schlagworte
FristMängelbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994170187.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
29.04.2009