Index
L66501 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
FlVfGG §10 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der R in O, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Burgenländischen Landesregierung vom 4. November 1992, Zl. LAS-28/2-1992, betreffend vorläufige Übernahme im Zusammenlegungsverfahren O (mitbeteiligte Parteien: 1.) E und
2.) B), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Amtes der Burgenländischen Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz (AB) vom 17. Februar 1992 wurde im Zusammenlegungsverfahren O gemäß § 26 Abs. 1 des Burgenländischen Flurverfassungs-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 40/1970 i.d.F. LGBl. Nr. 55/1979 (FLG) die vorläufige Übernahme der in der Natur abgesteckten und mit Zuteilungsausweis bekanntgegebenen Grundabfindungen sowie die Auszahlung der vorläufigen Geldabfindungen angeordnet.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und verwies zur Begründung auf ihre Schreiben vom 15. Februar 1992 und vom 30. März 1992 an die AB.
Im Schreiben vom 15. Februar 1992 hatte die Beschwerdeführerin ausgeführt, bei der vorläufigen Grundzusammenlegung sei von ihrem ca. 10 ha großen Grundstück in der Mitte des Grundes eine ca. 0,07 ha große Parzelle ausgeschieden und an einen Fremden (die Mitbeteiligten) weitervergeben worden. Sie habe sich gegen diese Teilung beim Operationsleiter ausgesprochen, welcher ihr zugesagt habe, er werde mit den neuen Besitzern über die Rückgabe der Parzelle reden. Es sei ihr unverständlich, wie man ein geschlossenes Grundstück einfach teilen könne. Es sei doch Sinn der Zusammenlegung, arbeitsfähige Grundstücke zu schaffen. Die abgetrennte Parzelle könne wegen der Beschaffenheit der Fläche nur sehr schwer mit Maschinen bearbeitet werden, sodaß es nur als Spekulationsgrundstück anzusehen sei. Im anschließenden Steinbruch werde noch zeitweilig Beschüttungsmaterial abgebaut.
In der Antwort auf dieses Schreiben hatte die AB der Beschwerdeführerin am 18. März 1992 u.a. mitgeteilt, da Herr B nur ein kleines Grundstück in das Zusammenlegungsverfahren eingebracht habe, habe für seine Grundzuteilung eine kurze Stelle gesucht werden müssen. Mit der Zuteilung des 847 m2 großen unförmigen Bogenanschnittes sei eine solche Stelle gefunden worden. Durch den Wegfall dieser Randfigur sei die Bearbeitung des 2,0 ha großen Grundstückes der Beschwerdeführerin erleichtert worden. Das schwierige Ausackern des Spitzes mit dem oftmaligen Wenden in diesem Bereich sei somit weggefallen. Der Operationsleiter habe über Anregung der Beschwerdeführerin versucht, mit Herrn B einen freiwilligen Grundtausch durchzuführen, was dieser jedoch abgelehnt habe.
Auf diese Mitteilung der AB hatte die Beschwerdeführerin mit einem weiteren, ebenfalls zum Inhalt ihrer Berufung erhobenen Schreiben an die AB vom 30. März 1992 repliziert. Sie hatte darin ausgeführt, ihr Vater habe in den Jahren 1990 und 1991 in den Kanzleien der AB in O vorgesprochen und der Operationsleiter habe jedesmal erklärt, am geschlossenen Grund werde nichts geändert. Auf Grund dieser Auskunft habe sich die Beschwerdeführerin nicht mehr um die Grundzusammenlegung gekümmert. Erst durch eine Vorladung im Februar 1992 in die Baukanzlei in O sei ihr eröffnet worden, daß inmitten ihres Grundes eine 847 m2 große Parzelle abgetrennt und diese Parzelle bereits an andere vergeben worden sei. Ihr Vater habe daraufhin gegen die Vergabe Einspruch erhoben. Die Erklärung im Schreiben der AB vom 18. März 1992, man könnte durch Wegfall der unförmigen, bogenförmigen Randparzelle besser den Grund bearbeiten, könne wohl nur als Ausrede erkannt werden. Es sei bewußt ein Spekulationsgrundstück abgetrennt worden. Ob das der Sinn der Zusammenlegung sei, sollten andere beurteilen. Sie erhebe auf alle Fälle gegen die Vergabe der 847 m2 großen Grundfläche inmitten ihres Grundes Einspruch.
Mit Bescheid vom 4. November 1992 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. In der Begründung wird ausgeführt, wie sich aus dem Verwaltungsakt ergebe, träfen die im Gesetz für die Anordnung der vorläufigen Übernahme geforderten Voraussetzungen zu. Der Besitzstandsausweis und der Bewertungsplan seien bereits in Rechtskraft erwachsen. Der Plan der gemeinsamen Anlagen sei erlassen. Die zu übernehmenden Grundabfindungen seien in der Natur abgesteckt, den Parteien erläutert und über ihr Verlangen vorgezeigt worden. Den Parteien sei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Lediglich 43 von 533 Grundeigentümern hätten sich gegen die vorläufige Übernahme ausgesprochen. Damit hätten mehr als zwei Drittel der nach Köpfen gerechneten Parteien, die Grundabfindungen übernehmen sollten, der vorläufigen Übernahme zugestimmt. Durch den Ausbau des neuen Wegenetzes sei die Bewirtschaftung der neuen Grundabfindung durchwegs möglich. Die Anordnung der vorläufigen Übernahme sei daher für die zweckmäßige Bewirtschaftung des Zusammenlegungsgebietes erforderlich. Nach Ansicht der belangten Behörde sei daher die vorläufige Übernahme zu Recht angeordnet worden. Dies sei auch von der Beschwerdeführerin weder im Berufungsschriftsatz noch anläßlich der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde angezweifelt worden. Die Beschwerdeführerin begehre vielmehr eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Abfindung. Eine solche sei dem Landesagrarsenat jedoch deshalb verwehrt, weil Gegenstand des Bescheides der AB lediglich die Anordnung der vorläufigen Übernahme, die Auszahlung der vorläufigen Geldabfindung sowie die Erlassung von Übergangsverfügungen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die erstmitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 26 Abs. 1 FLG kann die Agrarbehörde nach Erlassung des Planes der gemeinsamen Anlagen und Maßnahmen und vor Erlassung des Zusammenlegungsplanes, unbeschadet des Berufungsrechtes gegen diese Bescheide, die vorläufige Übernahme von Grundabfindungen anordnen, wenn
a) dies zur zweckmäßigen Bewirtschaftung des Zusammenlegungsgebietes erforderlich ist und
b) Besitzstandsausweis und Bewertungsplan bereits in Rechtskraft erwachsen sind und
c) die Bewirtschaftung der zu übernehmenden Grundabfindungen möglich ist und
d) die Agrarbehörde die zu übernehmenden Grundabfindungen in der Natur abgesteckt, den Parteien erläutert und über Verlangen vorgezeigt sowie ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat und
e) mindestens zwei Drittel der nach Köpfen gerechneten Parteien, die Grundabfindungen übernehmen sollen, der vorläufigen Übernahme zugestimmt haben; wer keine Erklärung abgibt, hat als zustimmend zu gelten.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, ob der Besitzstandsausweis, der im vorliegenden Fall wohl mit dem von der Behörde verwendeten Begriff des "Zuteilungsausweises" ident sei, und der Bewertungsplan im Sinne des § 26 Abs. 1 lit. b FLG in Rechtskraft erwachsen seien, könne sie aus eigenem nicht verläßlich beurteilen, da ihrem Rechtsvertreter in der zur Verfügung stehenden Zeit eine umfassende Akteneinsicht nicht möglich gewesen sei. Der Beschwerdeführerin sei jedenfalls bislang noch kein Abfindungsbetrag überwiesen und auch kein Abfindungsgrundstück in ihr vorläufiges Eigentum zugewiesen worden. Da die Beschwerdeführerin bereits im Jänner 1992 und jedenfalls nochmals schriftlich mit Eingabe vom 15. Februar 1992 Einspruch gegen die vorläufige Grundzusammenlegung erhoben habe, ergäben sich zumindest Zweifel, ob dieser Zuteilungsausweis tatsächlich Rechtskraft erlangt habe.
Die von der Beschwerdeführerin geäußerten Zweifel an der Rechtskraft von Besitzstandsausweis und Bewertungsplan stellen, da sie erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Sprache gebracht werden, eine gemäß § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung dar.
Die Beschwerdeführerin bestreitet, daß die Anordnung der vorläufigen Übernahme zur zweckmäßigen Bewirtschaftung des Zusammenlegungsgebietes erforderlich sei. Da die Aussonderung und die Übertragung eines Grundstücksteiles an die mitbeteiligten Parteien weder mit einem wirtschaftlichen Erfordernis noch mit anderen Vorteilen für die mitbeteiligten Parteien verbunden seien, diese aber wirtschaftliche Nachteile für die Beschwerdeführerin mit sich brächten, habe die belangte Behörde zu Unrecht die Anordnung der vorläufigen Übernahme bestätigt. Selbst wenn der Begriff des "Zusammenlegungsgebietes" im § 26 Abs. 1 lit. a FLG so zu verstehen sei, daß damit nicht nur der bisherige Grundbestand der konkret von einer vorläufigen Übernahme betroffenen Parteien, hier also der mitbeteiligten Parteien, samt der zuzuteilenden Grundfläche gemeint sei, sondern ein über diese Grundfläche hinausgehender, umfassender Flächenbestand, so wäre auch dann nicht ersichtlich und von der Behörde nicht dargetan worden, weshalb die Zuteilung des auszusondernden Grundstückes an die mitbeteiligten Parteien für eine zweckmäßige Bewirtschaftung erforderlich sein solle. Anhaltspunkte dafür gingen auch aus dem Akteninhalt nicht hervor. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid zu Unrecht angenommen, die Beschwerdeführerin habe weder in der Berufung noch in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde angezweifelt, daß die Voraussetzungen für die vorläufige Übernahme gegeben seien.
Nach § 26 Abs. 1 lit. a FLG zählt zu den Erfordernissen für die Anordnung der vorläufigen Übernahme von Grundabfindungen, daß dies zur zweckmäßigen Bewirtschaftung des Zusammenlegungsgebietes erforderlich ist. Die belangte Behörde hat hiezu in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich ausgeführt, durch den Ausbau des neuen Wegenetzes sei die Bewirtschaftung der neuen Grundabfindung durchaus möglich. Die Anordnung der vorläufigen Übernahme sei daher für die zweckmäßige Bewirtschaftung des Zusammenlegungsgebietes erforderlich. Mit dieser Begründung wird aber nicht dargetan, warum die vorläufige Übernahme zur zweckmäßigen Bewirtschaftung des Zusammenlegungsgebietes erforderlich ist. Die Möglichkeit der Bewirtschaftung der zu übernehmenden Grundabfindungen ist eine gesonderte Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Anordnung der vorläufigen Übernahme (§ 26 Abs. 1 lit. c FLG); aus ihr kann nicht ohne nähere Begründung auf das Vorliegen der Voraussetzung nach § 26 Abs. 1 lit. a FLG geschlossen werden.
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides und auch in der Gegenschrift die Auffassung vertreten, die Beschwerdeführerin habe im Zuge des Verwaltungsverfahrens das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der vorläufigen Übernahme gar nicht bestritten, sondern sich nur gegen die Gesetzmäßigkeit der Abfindung gewandt. Die Gesetzmäßigkeit der Abfindung sei aber nicht im Verfahren betreffend die Anordnung der vorläufigen Übernahme zu prüfen.
Der belangten Behörde ist darin recht zu geben, daß die Anordnung der vorläufigen Übernahme nicht den Zusammenlegungsplan vorwegnimmt. Sie erfolgt vielmehr unbeschadet des Rechtes der Parteien, allfällige Gesetzwidrigkeiten des Zusammenlegungsplanes im Rechtsmittelweg zu bekämpfen. Einwendungen, die nicht die rechtliche Unzulässigkeit der Anordnung der vorläufigen Übernahme, sondern allein eine allfällige Gesetzwidrigkeit der erst im Zusammenlegungsplan definitiv zuzuweisenden Abfindungen betreffen, würden daher im Verfahren zur Anordnung der vorläufigen Übernahme ins Leere gehen (vgl. die
hg. Erkenntnisse vom 22. Mai 1984, Zl. 83/07/0248 und vom 14. Februar 1984, Zl. 83/07/0197).
Es ist richtig, daß die Beschwerdeführerin in jenen Schreiben, auf die sie sich in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid bezieht, nicht ausdrücklich auf § 26 Abs. 1 lit. a FLG Bezug nimmt. Ihren Schreiben ist aber zu entnehmen, daß sie die geplante Abtrennung des 847 m2 großen Teilstückes von ihrem geschlossenen Grundstück und die (vorläufige) Zuweisung dieses Trennstückes an die mitbeteiligten Parteien als unzweckmäßig für die Bewirtschaftung des eigenen wie auch des Besitzes der mitbeteiligten Parteien ansieht. Dies geht eindeutig aus jenem Passus in ihrem Schreiben vom 15. Februar 1992 hervor, wo davon die Rede ist, es sei ihr unverständlich, wie man ein geschlossenes Grundstück einfach teilen könne, wo es doch Sinn der Zusammenlegung sei, "arbeitsfähige Grundstücke" zu schaffen. Außerdem wird in diesem Schreiben darauf hingewiesen, daß im anschließenden Steinbruch noch zeitweilig Beschüttungsmaterial abgebaut werde, womit offenbar eine Beeinträchtigung dieses Abbaues bei Verwirklichung der Übertragung des Trennstückes an die mitbeteiligten Parteien geltend gemacht wird. Auch die Ausführungen im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 30. März 1992 gehen in diese Richtung. Eine Behauptung des Inhalts, die von der AB geplanten neuen Besitzstrukturen seien einer zweckmäßigen Bewirtschaftung abträglich, richtet sich eindeutig nicht (allein) gegen die Gesetzmäßigkeit der Abfindung, sondern schließt auch die Behauptung mit ein, die provisorische Realisierung dieser Struktur durch die Anordnung der vorläufigen Übernahme von Grundabfindungen schaffe unzweckmäßige Bewirtschaftungsformen im Zusammenlegungsgebiet. Es hätte daher einer näheren Begründung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der vorläufigen Übernahme von Grundabfindungen bedurft.
Die nicht ausreichende Begründung des angefochtenen Bescheides macht es dem Verwaltungsgerichtshof unmöglich, diesen auf seine Übereinstimmung mit den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen zu überprüfen. Die belangte Behörde hat daher ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zuviel verrechnete Stempelgebühren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993070008.X00Im RIS seit
20.11.2000