TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/19 92/07/0067

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Veröffentlicht am 19.05.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §59 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs4 Z3;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §30 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
WRG 1959 §105 Abs1 lite;
WRG 1959 §111a;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs2;
WRG 1959 §32 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2;
WRG 1959 §32 Abs6;
WRGNov 1990;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des Abwasserverbandes R. in G, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. Jänner 1992, Zl. 512.598/06-I5/90, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 12. April 1976 erließ der Landeshauptmann von Oberösterreich (LH) einen Bescheid, dessen Spruchpunkt I. folgenden Wortlaut hat:

"I. Wasserrechtliche Bewilligung des generellen Projektes der Kläranlage R.:

Dem (Beschwerdeführer) wird auf Grund der Bestimmungen der §§ 9, 11 - 13, 31, 32, 99, 105 und 111 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 215, in der Fassung der Wasserrechtsgesetznovelle 1969, BGBl. Nr. 207 (im folgenden: WRG), nach Maßgabe der bei der wasserrechtlichen Verhandlung vorgelegenen und als solche gekennzeichneten Projektsunterlagen bzw. der in der mitfolgenden Verhandlungsschrift festgelegten Beschreibung die nachgesuchte wasserrechtliche Bewilligung zur Einleitung der in den Gemeindegebieten von G., ST., W. und O. anfallenden Abwässer in die Donau, der dort anfallenden Niederschlagswässer in die Donau und verschiedene in der Präambel angeführte Zubringer derselben unter nachstehenden Bedingungen und Auflagen erteilt:

1. Die Abwasserbeseitigung des Raumes O.-W.-R.-G.-E. ist im Sinne des vorliegenden generellen Projektes sowie der bereits vorliegenden Detailplanungen zu regeln, soferne im folgenden nicht Änderungen oder Ergänzungen festgelegt werden.

2. Das Maß der Wasserbenutzung wird - entsprechend der laut generellem Projekt vorgesehenen Leistungsfähigkeit der Kläranlage sowie auf Grund der vorliegenden Detailplanungen über Regenentlastungen und Regenbecken mit der Ableitung folgender Abwasserarten und -mengen festgesetzt:

a) Häusliche und betriebliche Abwässer von

15.000 Einwohnern bzw. Einwohnergleichwerten in einer Menge von 3.000 m3/d bzw. max. 215 m3/h (60 l/sec);

b) Niederschlagswässer aus den unmittelbaren Einzugsgebieten des Hauptsammlers in einer Menge von zusammen 9000 l/sec beim Berechnungsregen und

c) Drainage- und sonstige Reinwässer im angenommenen Ausmaß von 30 l/sec.

3. Für wesentliche Änderungen des Abwasseranfalles ist eine neuerliche Bewilligung der Wasserrechtsbehörde einzuholen.

4. In die Kanalisation dürfen - auch nicht über die Ortskanalisationen - folgende Stoffe nicht eingeleitet werden:

a) Benzin, Öle und andere leicht entzündliche, giftige oder fischereischädigende und radiaktive Stoffe sowie

b) Stoffe, die eine schädigende Wirkung auf die Kanäle und Kanalbauwerke, eine Gefährdung des Wartungspersonals oder eine Beeinträchtigung der Reinigungsvorgänge in der Kläranlage zur Folge haben können.

5. Die Einleitung von gewerblichen und industriellen Abwässern in die Kanalisationsanlagen des Abwasserverbandes sowie in die der angeschlossenen Gemeinden dürfen von diesen Kanalisationsunternehmen gestattet werden, jedoch nur unter Einhaltung der Vorschreibungen Punkte 2. - 4., erforderlichenfalls unter Vorschreibung einer entsprechenden Vorbehandlung der Abwässer.

6. Vor Inangriffnahme der Arbeiten sind der Wasserrechtsbehörde Detailprojekte, die sich in den Rahmen der generellen Planung einordnen, mit dem Ansuchen um wasserrechtliche Bewilligung vorzulegen.

7. Die Detailplanung der Zentralkläranlage hat, soweit als möglich, auf der Grundlage von Abwasseruntersuchungen zu erfolgen. Weiters ist der Schlammbehandlung bzw. Schlammbeseitigung besonderes Augenmerk zu schenken.

Die Kläranlage ist für die Reinigung des Abwassers von 15.000 EGW (mit 900 kg BBSB5/d) und eine Reinigungsleistung von 90 % auszulegen, sodaß die BSB5-Tagesfracht des Ablaufes einen Wert von 100 kg, der BSB5 des Ablaufes einen Wert von 25 mg/l nicht überschreitet. Bei der Kläranlage ist eine Vorrichtung zur registrierenden Mengenmessung vorzusehen.

8. Den Wünschen der Marktgemeinde O. (Post Nr. 19 der Verhandlungsschrift) sowie der Vertreter der Republik Österreich, Bundesstrombauamt (Post Nr. 15 der Verhandlungsschrift) ist bei der Detailplanung der Kläranlage, soweit dies technisch möglich ist, Rechnung zu tragen.

9. Weitere Vorschreibungen, insbesondere auch über Überprüfung der Kläranlage, werden im Zuge der wasserrechtlichen Bewilligung der gemäß Punkt 6. vorzulegenden Detailprojekte festgelegt werden.

10. Ungereinigte Abwässer sind der Vorflut in möglichst naher Zukunft nicht mehr zuzuleiten. In diesem Sinne ist der Wasserrechtsbehörde das Projekt der Zentralkläranlage sowie ein Ausbauprogramm der Verbandsanlagen bis spätestens 31.3.1977 vorzulegen."

Mit Spruchpunkt II. des nämlichen Bescheides erteilte der LH dem Beschwerdeführer die wasserrechtliche Bewilligung des Detailprojektes Hauptsammler R., zweiter Teil.

In der diesem Bescheid zugrundeliegenden Verhandlungsschrift vom 6. April 1976 wurde nach Darstellung der veranschlagten Mengen an Schmutzwasser und Niederschlagswässern auch eine eingehende Beschreibung des Standortes und der Beschaffenheit der vorgesehenen Kläranlage, ihrer Größe, Anlagenteile und Funktionsweise gegeben.

Mit Bescheid vom 9. November 1977 erteilte der LH dem Beschwerdeführer die nachgesuchte wasserrechtliche Bewilligung zur Ableitung der im Raum O. - W. - R. (mit ST.) - G. und E. anfallenden häuslichen, gewerblichen und industriellen Abwässer sowie Niederschlagswässer nach Vorreinigung in einer biologischen Kläranlage in die Donau unter im einzelnen angeführten Befristungen, Bedingungen und Auflagen (so der mit "Generelles Projekt 1977" überschriebene Spruchpunkt I. dieses Bescheides). Die zu diesem Spruchpunkt erlassenen Nebenbestimmungen des Bescheides unterscheiden sich von den oben wiedergegebenen Nebenbestimmungen des Bescheides vom 12. April 1976 in folgenden Punkten:

Zu Punkt 1. wurden zusätzliche Gemeinden in das Projekt einbezogen und es wurde weiters angeordnet, daß die Abwasserbeseitigung im Sinne des "Generellen Projektes vom Juni 1977" sowie der bereits vorliegenden Detailplanungen durchzuführen sei. Zu Punkt 2. wurde das Maß der Wasserbenutzung "in Anpassung auf das erweiterte Einzugsgebiet" erhöht, die Vorschreibungspunkte 7. und 9. des Bescheides vom 12. April 1976 erhielten die Bezeichnung 9. und 10. Die Vorschreibungspunkte 8. und 10. des Bescheides vom 12. April 1976 entfielen, stattdessen wurde unter Vorschreibungspunkt 7. angeordnet, im Zuge der Detailplanung die Möglichkeit einer Zwischenbelüftung der Abwässer vorzusehen, während unter Vorschreibungspunkt 8. verfügt wurde, daß das bereits für 31. März 1977 angeforderte Detailprojekt der Kläranlage, dessen Ausarbeitung durch die Erweiterung des Verbandes zwischenzeitig zurückgestellt worden sei, bis längstens 31. März 1978 vorzulegen sei.

Mit Spruchpunkt II. des Bescheides vom 9. November 1977 wurde ein weiteres Detailprojekt wasserrechtlich bewilligt.

Mit Bescheid des LH vom 28. November 1978 schließlich wurde dem Beschwerdeführer über sein Ansuchen um Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung zur Ausführung des Detailprojektes Kläranlage R. die wasserrechtliche Bewilligung zur Einleitung der im Verbandsbereich anfallenden häuslichen, gewerblichen und industriellen Abwässer und Niederschlagswässer über die auf näher bezeichneten Grundstücken zu errichtende vollbiologische Kläranlage in die Donau sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hiefür erforderlichen Anlagen unter 38 Nebenbestimmungen erteilt (Spruchpunkt I. dieses Bescheides). Zu Vorschreibungspunkt 1. wurde das Maß der Wasserbenutzung "in Anpassung an das Detailprojekt der Kläranlage" erneut erhöht. Mit Vorschreibungspunkt 2. wurde ausgesprochen, daß hinsichtlich der Niederschlagswasserableitung sowie bezüglich von Änderungen der Ableitungsmengen, bestimmter Einleitungsverbote und der Ableitung von Betriebsabwässern, deren Beschaffenheit von der des häuslichen Abwassers nicht wesentlich abweiche, die Vorschreibungen der Punkte 2b, 3, 4 und 5 des Bescheides vom 9. November 1977 (betreffend das generelle Projekt des Abwasserverbandes) aufrecht bleiben würden, während bezüglich der Einleitung von Betriebsabwässern mit einer vom häuslichen Abwasser wesentlichen verschiedenen Zusammensetzung die Wasserrechtsbehörde sich die Durchführung gesonderter Bewilligungsverfahren im Bedarfsfall vorbehalte. Zu Vorschreibungspunkt 35. wurde als Bauvollendungstermin der 31. Dezember 1987 unter Hinweis auf die Rechtsfolgen gemäß § 27 Abs. 1 lit. f WRG 1959 festgesetzt.

Mit Bescheid vom 26. Februar 1990 trug der LH dem Beschwerdeführer gemäß §§ 99 und 138 Abs. 1 WRG 1959 auf, die Einleitung ungereinigter Abwässer in die Donau bis längstens 31. Juli 1990 einzustellen; nach diesem Zeitpunkt sei die Einleitung ungereinigter Wässer aus dem Verbandsgebiet in die Donau jedenfalls zu unterlassen. Begründend führte der LH aus, daß die in seinem Bescheid vom 28. November 1978 festgesetzte Bauvollendungsfrist abgelaufen sei, ohne daß mit dem Bau der Kläranlage begonnen worden, geschweige denn eine Fertigstellung erfolgt sei. Das aus dem Bescheid vom 28. November 1978 erwachsene Recht sei demnach erloschen, weshalb die Ableitung ungereinigter Wässer in die Donau als konsensloser Zustand beurteilt werden müsse.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung stellte der beschwerdeführende Abwasserverband die Schwierigkeiten dar, welche ihm beim Versuch der Realisierung des bewilligten Projektes erwachsen seien. Das projektsmäßig vorgesehene Grundstück für die Errichtung der Verbandskläranlage sei flächenwidmungsmäßig abgesichert worden, jedoch im Eigentum der Marktgemeinde O. verblieben, welche eine Mitgliedsgemeinde des Abwasserverbandes sei und keine Probleme bei einer späteren Eigentumsübertragung auf den Verband erwarten habe lassen. Es habe sich aber der Gemeinderat dieser Marktgemeinde plötzlich gegen die Errichtung der Abwasserreinigungsanlage des Verbandes am vorgesehenen Standort ausgesprochen und eine Ableitung der Abwässer in die regionale Kläranlage L. gefordert. Bemühungen des Verbandes, die Gemeindevertreter zu einer Änderung ihrer Haltung zu bewegen, seien fruchtlos geblieben, eine Durchsetzung des Kläranlagenstandortes im Wege einer Enteignung zu versuchen, sei als aussichtslos zu beurteilen gewesen, da Untersuchungen zwischenzeitig zum Ergebnis geführt hätten, daß die Ableitung der Abwässer nach L. bau- und betriebskostenmäßig in jeder Hinsicht günstiger als die Errichtung und der Betrieb einer eigenen Kläranlage in O. sei. Der Abwasserverband habe daraufhin versucht, mit dem Betreiber der Abwasseranlage der Stadt L. ein Übereinkommen zur Übernahme der Abwässer aus dem Verbandsgebiet zu erzielen, was gelungen sei und zur Einreichung eines Detailprojektes zur wasserrechtlichen Bewilligung geführt habe. Massive Proteste jener Gemeinde, über deren Gebiet der Ableitungskanal geführt werden müsse, hätten zu weiteren Schwierigkeiten und zur Erforderlichkeit der Ausarbeitung eines Variantenprojekts geführt, welches zur wasserrechtlichen Bewilligung anstehe. Der vom LH nunmehr erlassene wasserpolizeiliche Auftrag sei rechtswidrig, weil zwar das erteilte Wasserrecht zur Errichtung und zum Betrieb einer Abwasserreinigungsanlage am vorgesehenen Standort mit ungenütztem Ablauf der Bauvollendungsfrist erloschen sei, nicht aber das mit Bescheid vom 12. April 1976 erteilte Wasserrecht zur Einleitung ungereinigter Abwässer aus dem Verbandsgebiet in die Donau. Der ergangene wasserpolizeiliche Auftrag sei auch deswegen rechtswidrig, weil er tatsächlich undurchführbar sei. Der Abwasserverband habe sein Netz und die Mitgliedsgemeinden hätten ihre Ortsnetze jeweils nach erteilten wasserrechtlichen Bewilligungen ausgebaut und die Hausanschlüsse unter Abführung baubehördlicher Verfahren hergestellt, sodaß derzeit die Abwässer von ca. 20.000 Einwohnern in das Verbandsnetz eingeleitet würden; eine Unterbindung dieser rechtlich genehmigten Einleitungen sei tatsächlich undurchführbar. Ebenso sei es undurchführbar, innerhalb der im Bescheid gesetzten Frist eine Kläranlage herzustellen oder den geplanten Ableitungskanal zu errichten. Trotz positivem Verhandlungsergebnis für den Ableitungskanal sei schon der Zeitpunkt des Vorliegens eines rechtskräftigen Bewilligungsbescheides angesichts der zu erwartenden Einsprüche durch Bürgerinitiativen nicht abzusehen. Es werde demnach beantragt, den bekämpften Bescheid aufzuheben, allenfalls in der Sache selbst, unter Setzung entsprechend langfristiger durchführbarer Termine zu entscheiden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und setzte die Einstellungsfrist gemäß § 59 AVG mit 15. Juli 1992 neu fest. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, der Äußerung ihres Amtssachverständigen, wonach eine unverzügliche Lösung der anstehenden Frage erforderlich sei, und der Ergebnisse einer an Ort und Stelle durchgeführten Besprechung, wonach der Ableitungskanal nach L. eine wesentlich kürzere Bauzeit in Anspruch nehmen würde als die geplante Verbandskläranlage, beide Varianten aus Sicht des Gewässerschutzes gleichwertig seien, die derzeitige Abwassersituation untragbar sei und die Unterbindung der Einleitungen und die Errichtung einer Kläranlage oder des geplanten Ableitungskanals innerhalb der letzten Frist tatsächlich als undurchführbar angesehen werden müßten, im wesentlichen folgendes aus:

Die derzeit vorgenommenen Einleitungen seien wasserrechtlich aus dem Grunde des § 32 Abs. 1 WRG 1959 bewilligungspflichtig. Da der im Bescheid des LH vom 28. November 1978 bestimmte Bauvollendungstermin nicht eingehalten worden sei, sei dieses Wasserrecht als erloschen anzusehen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Projektsunterlagen und Bewilligungen sei klar zu ersehen, daß nur die Ableitung gereinigter Abwässer als rechtmäßig angesehen werden könne; von den in den Vorbescheiden verliehenen Wasserrechten könne rechtens nur Gebrauch gemacht werden, wenn eine Kläranlage errichtet werde. Sei eine solche nicht vorhanden, dann erweise sich die Abwassereinleitung in die Donau auch dann als rechtswidrig, wenn für den Bau der Kanäle eine wasserrechtliche Bewilligung vorgelegen sei. Unabhängig vom Erlöschen der mit Bescheid aus dem Jahr 1978 erteilten Bewilligung sei die derzeit geübte Art der Abwassereinleitung in die Donau als eigenmächtige Neuerung im Sinne des § 138 WRG 1959 anzusehen; daß das öffentliche Interesse gravierend verletzt werde, liege auf der Hand. Die Festsetzung der Erfüllungsfrist sei ein Akt des behördlichen Ermessens. Im vorliegenden Fall habe die Erfüllungsfrist nicht erstreckt werden können; lediglich die Dauer des Berufungsverfahrens sei zu berücksichtigen gewesen, müsse die Verzögerung bei der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes doch dem Verband angelastet werden, weil nicht erkannt werden könne, daß er "unter der Errichtung von Sammelkanälen" die geordnete Abwasserbehandlung und -beseitigung besonders betrieben hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben; der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf den Betrieb seiner Abwasserbeseitigungsanlagen und der Ableitung der Abwässer auf Grund rechtskräftiger Genehmigungen als verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen. Nach dem zweiten Absatz dieses Paragraphen hat die Wasserrechtsbehörde in allen anderen Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder unterlassenen Arbeit eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist. Gemäß § 32 Abs. 1 WRG 1959 sind Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs. 2) beeinträchtigen, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Nach der Definition des § 30 Abs. 2 WRG 1959 wird unter Reinhaltung der Gewässer in diesem Bundesgesetz die Erhaltung der natürlichen Beschaffenheit des Wassers in physikalischer, chemischer und biologischer Hinsicht (Wassergüte), unter Verunreinigung jede Beeinträchtigung dieser Beschaffenheit und jede Minderung des Selbstreinigungsvermögens verstanden.

Daß die Ableitung der vom Beschwerdeführer aus seinem Verbandsbereich gesammelten ungereinigten Abwässer in die Donau vor dem Hintergrund der Bestimmung des § 32 Abs. 1 WRG 1959 einer wasserrechtlichen Bewilligung bedarf, wird auch vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt. Auf den Bestand eines ihn dazu ermächtigenden Konsenses aber beruft sich der Beschwerdeführer zu Unrecht. Eine wasserrechtliche Bewilligung zur Ableitung ungereinigter Abwässer in die Donau hatte er zu keiner Zeit.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers durfte er einen solchen Konsens aus dem Inhalt des Bescheides des LH vom 12. April 1976 nicht ableiten. Wie dem oben wiedergegebenen Inhalt dieses Bescheides nämlich unzweifelhaft entnommen werden konnte, handelte es sich bei diesem Bescheid um eine - auch vor dem zeitlichen Geltungsbereich des § 111a WRG 1959 solcherart zulässig ausgesprochene (vgl. etwa die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 22. September 1992, 92/07/0152) - bloße Grundsatzgenehmigung, mit welcher ein Wasserbenutzungsrecht (§ 32 Abs. 6 WRG 1959 in der Fassung auch schon vor der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252) nicht erworben werden konnte (vgl. die insoweit auch für die Rechtslage vor der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252, zutreffenden Ausführungen bei Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, RZ 8 zu § 111a WRG 1959). Nach dem Wortlaut des Bescheides des LH vom 12. April 1976 wurde die zu Spruchpunkt I. erteilte Bewilligung unter anderem nach Maßgabe der in der mitfolgenden Verhandlungsschrift festgelegten Beschreibung des Projekts erteilt. Diese Beschreibung enthält eingehende Ausführungen über Standort, Beschaffenheit und Wirkungsweise der vorgesehenen Kläranlage. Die zu Spruchpunkt I. des Bescheides vom 12. April 1976 erlassenen Nebenbestimmungen erlauben erst recht keine Interpretation des erteilten Konsenses in der vom Beschwerdeführer nunmehr unternommenen Weise. So sollte nach Vorschreibungspunkt 1. die Wasserbeseitigung "im Sinne des vorliegenden generellen Projektes" geregelt werden. Nach Vorschreibungspunkt 6. waren vor Inangriffnahme der Arbeiten der Wasserrechtsbehörde Detailprojekte, die sich in den Rahmen der generellen Planung einordnen, mit dem Ansuchen um wasserrechtliche Bewilligung vorzulegen. Nach Punkt 7. der Vorschreibungen hatte die Detailplanung der Zentralkläranlage, soweit als möglich, auf der Grundlage von Abwasseruntersuchungen zu erfolgen, wobei im Vorschreibungspunkt 10. die Vorlage des Projektes der Zentralkläranlage bis spätestens 31. März 1977 aufgetragen wurde. Die Rechtsnatur der einem Verwaltungsakt beigefügten Nebenbestimmungen bestimmt sich nach ihrem Zweck (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1993, 93/02/0041). Die auf die Errichtung der Kläranlage bezogenen Nebenbestimmungen des Bescheides des LH vom 12. April 1976 waren von ihrem Zweck her als aufschiebende Bedingungen zu erkennen, die den Beginn der Wirksamkeit der dem Beschwerdeführer erteilten generellen wasserrechtlichen Bewilligung vom Eintritt der in den Bedingungen genannten Ereignisse abhängig gemacht hatten; vor Einreichung - und Bewilligung - des Projektes der geforderten Kläranlage stellte sich eine Ableitung der Verbandsabwässer demnach auch auf der Basis des Bescheides des LH vom 12. April 1976 als eigenmächtige Neuerung im Sinne des § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 dar (vgl. die Ausführungen im bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 22. September 1992, 92/07/0152). Daß Vorschreibungspunkt 10. des Spruchpunktes I. des Bescheides vom 12. April 1976 die Anordnung traf, daß "ungereinigte Abwässer der Vorflut in möglichst naher Zukunft nicht mehr zuzuleiten sind", ändert nichts an dieser Beurteilung. Diese - wenig geglückte - Aussage stellte nicht mehr als eine Ankündigung der Wasserrechtsbehörde dar, den offenbar schon damals bestehenden konsenslosen Zustand nicht mehr lange dulden zu wollen. Unzulässig wäre es, diese Aussage in Umkehrung ihres Inhaltes in einen behördlichen Konsens zum vorgefundenen Zustand bewilligungsloser Ableitung ungereinigter Abwässer umdeuten zu wollen.

Zutreffend hält die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in der Gegenschrift demnach das Fehlen des behaupteten Konsenses zur Ableitung ungereinigter Abwässer unabhängig von den behördlich angestellten Erwägungen über das Erloschensein später erteilter Konsense entgegen.

Zu Unrecht wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, nicht von der Möglichkeit eines wasserpolizeilichen Alternativauftrages nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 Gebrauch gemacht zu haben. Die Erlassung eines solchen Alternativauftrages kommt nämlich dann nicht in Betracht, wenn die konsenslos durchgeführten Maßnahmen nicht bewilligungsfähig sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. November 1993, 93/07/0085, und vom 25. Mai 1993, 91/07/0164). Die Ableitung ungereinigter Abwässer aus dem Verbandsbereich in die Donau aber war schon unter dem Aspekt des § 105 Abs. 1 lit. e WRG 1959 nicht bewilligungsfähig, was die Erlassung des vom Beschwerdeführer begehrten Alternativauftrages nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 ausschloß. Der Hinweis in der Beschwerdeschrift auf die Möglichkeit des Auftrages zur Nachholung der "unterlassenen Arbeit" deutet, wie schon die zur Bestreitung der Eigenmacht unternommenen Verweise auf die erteilten Detailbewilligungen, darauf hin, daß der Beschwerdeführer voneinander zu trennende Sachverhalte zu vermengen scheint. Eine Konsenswidrigkeit der von ihm errichteten Anlagen wurde ihm weder vorgeworfen, noch bildet eine Beseitigung seiner Anlagen den Gegenstand des bekämpften wasserpolizeilichen Auftrages. Mangels Konsenswidrigkeit der errichteten Anlagen bestand aber auch kein Anlaß zu einem Auftrag, an diesen im angefochtenen Bescheid nicht beanstandeten Anlagen verabsäumte Arbeiten nachzuholen. Konsenswidrig war vielmehr die ungereinigte Abwassereinleitung in die Donau. Diese aber entzog sich aus den dargelegten Erwägungen dem begehrten Alternativauftrag.

Soweit sich dem Beschwerdevorbringen noch die in der Berufung des Beschwerdeführers aufgestellte Behauptung entnehmen läßt, der angefochtene Bescheid sei im Sinne des § 68 Abs. 4 Z. 3 AVG tatsächlich undurchführbar, ist der Beschwerdeführer auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen einer tatsächlichen Undurchführbarkeit eines Bescheides zu verweisen (vgl. die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, E 151 ff zu § 68 AVG, wiedergegebenen Nachweise). Eine solche tatsächliche Unmöglichkeit der Befolgung des wasserpolizeilichen Auftrages kann der Gerichtshof nicht erkennen; die mit der Befolgung eines bescheidmäßig erteilten Auftrages verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten begründen Undurchführbarkeit des Bescheides im Sinne des § 68 Abs. 4 Z. 3 AVG noch nicht.

Objektiv zu erkennende Schwierigkeiten in der Befolgung eines erteilten Auftrages können allerdings nicht ohne Einfluß auf die gemäß § 59 Abs. 2 AVG zu setzende Leistungsfrist bleiben. Diese hat nach Vorschrift der zitierten Gesetzesstelle angemessen zu sein. Die dem Gesetzsbegriff der Angemessenheit innewohnende Ermächtigung der Behörde zur Ermessensübung befreit sie nicht von der Verpflichtung, die im konkreten Fall vorgenommene Übung des Ermessens in einer Weise zu begründen, welche dem Verwaltungsgerichtshof die ihm in Art. 130 Abs. 2 B-VG aufgetragene Prüfung der Frage ermöglicht, ob die Behörde vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, RZ 421, und die dort angeführten weiteren Nachweise). Der Beschwerdeführer ist im Recht, wenn er die Begründung der behördlichen Ermessensübung in der Entscheidung über die nach § 59 Abs. 2 AVG zu setzenden Leistungsfrist rügt.

Was die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gemeint hat, wenn sie ausführt, daß im gegenständlichen Fall "auf Grund der obigen Ausführungen" die Erfüllungsfrist nicht erstreckt habe werden können, ist nicht klar. Unverständlich wäre diese Aussage des angefochtenen Bescheides, wenn man die zuvor getroffene Aussage, wonach die Unterbindung der Einleitungen und die Errichtung einer Kläranlage oder des geplanten Ableitungskanals innerhalb der letzten Frist tatsächlich undurchführbar seien, als Ergebnis behördlich gewonnener Einsicht verstehen wollte, was die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit der von ihr gewählten Diktion allerdings klarzustellen verabsäumt hat. Verfehlt ist die am Schluß des angefochtenen Bescheides gegebene Ermessensbegründung der Art, daß die Verzögerung bei der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes dem Verband angelastet werden müsse, weil nicht zu erkennen sei, daß er die geordnete Abwasserbehandlung und -beseitigung besonders betrieben hätte. Die im § 59 Abs. 2 AVG angeordnete Setzung einer Leistungsfrist hat keinen Strafcharakter. Kriterium der Gesetzmäßigkeit des in der Fristsetzung auszuübenden Ermessens ist allein die Frage der Angemessenheit dieser Frist unter dem Gesichtspunkt, daß sie objektiv geeignet ist, dem Leistungspflichtigen unter Anspannung aller seiner Kräfte der Lage des konkreten Falles nach die Erfüllung der aufgetragenen Leistung zu ermöglichen (vgl. die bei Ringhofer, a.a.O., E 65 f zu § 59 AVG, angeführten Judikaturnachweise). Angemessen war im vorliegenden Fall damit eine Frist, welche den Beschwerdeführer in die Lage versetzt hätte, bei Anspannung aller Kräfte für eine - wie immer beschaffene - anderweitige Beseitigung seiner Abwässer zu sorgen. Daß die vom LH in dem vor der belangten Behörde bekämpften Bescheid gesetzte Frist dazu nicht ausreiche, hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung dargelegt. Sache der belangten Behörde wäre es demnach gewesen, sich mit diesen Behauptungen des Beschwerdeführers in der gebotenen Weise auseinanderzusetzen und sachbezogen nachvollziehbar zu begründen, weshalb die Verlängerung der vom LH gesetzten Frist bloß um die Dauer des Berufungsverfahrens ausreichend sei, um dem Beschwerdeführer die Leistungserfüllung auch tatsächlich zu ermöglichen (vgl. das zu einem ähnlichen Fall unzureichender Begründung der Ermessensübung in der Setzung der Leistungsfrist ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1993, 92/07/0158, sowie auch das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 1993, 92/07/0002).

Es hat dieser Mangel des angefochtenen Bescheides im Beschwerdefall allerdings zur Bescheidaufhebung deswegen nicht zu führen, weil der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 11. Mai 1992, AW 92/07/0013, der Beschwerde über Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat. Durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aber wurden die Folgen des Ablaufes der im angefochtenen Bescheid gesetzten Frist suspendiert, sodaß die Situation des Beschwerdeführers nicht anders ist, als wenn ihm eine längere Frist eingeräumt worden wäre. Daraus folgt, daß der beschwerdeführende Abwasserverband - zumal angesichts seiner Berufungsausführungen über die voraussichtlich benötigte Frist - durch die unzureichende Begründung der seiner Auffassung nach zu kurz bemessenen Frist wegen des zwischenzeitig verstrichenen Zeitraumes nach Lage des Falles nicht mehr beschwert sein kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1993, 92/10/0038). Es erübrigt sich damit ein Eingehen auf die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, mit welcher er der belangten Behörde vorwirft, es in der Beurteilung der zu setzenden Frist an einem von ihm für erforderlich gehaltenen Ermittlungsverfahren fehlen haben zu lassen.

Die Beschwerde erwies sich damit im Ergebnis als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründung von Ermessensentscheidungen Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Ermessen Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Umfang der Abänderungsbefugnis Unbestimmte Rechtsbegriffe Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992070067.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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