Index
19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des V in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. April 1994, Zl. St 110/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 11. April 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien (seinen Angaben nach: von Bosnien-Herzegowina), gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein bis 8. März 2004 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer, der sich seit 8. Jänner 1980 in Österreich aufhalte, sei im Zeitraum von 1984 bis 1992 zweimal wegen Vergehens der Körperverletzung rechtskräftig gerichtlich verurteilt und darüber hinaus wegen zahlreicher Verwaltungsübertretungen, darunter mehrmals wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes und einmal wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 StVO, rechtskräftig bestraft worden. Nachdem dem Beschwerdeführer bereits im Jahr 1985 von der BH Wels-Land im Fall der Begehung weiterer strafbarer Handlungen die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes angedroht worden sei, habe diese Behörde die erwähnten zahlreichen strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers (begangen nach der besagten Androhung) zum Anlaß genommen, mit Bescheid vom 10. November 1992 gegen ihn ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren zu erlassen. Der dagegen erhobenen Berufung habe die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. Mai 1993 Folge gegeben und das Aufenthaltsverbot aufgehoben. Dies ausschließlich deswegen, weil der belangten Behörde die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie doch noch als schwerer wiegend erschienen seien als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme (§ 20 Abs. 1 FrG). Abgesehen davon, daß sich der Beschwerdeführer bereits seit dem Jahr 1980 in Österreich aufgehalten hätte, sei darauf Bedacht zu nehmen gewesen, daß er mit seiner Gattin drei Kinder und mit seiner Lebensgefährtin ein Kind gehabt hätte (mit seiner Lebensgefährtin habe er nunmehr ein zweites, am 22. September 1993 geborenes Kind). Die belangte Behörde habe in ihrem der Berufung stattgebenden Bescheid aber darauf hingewiesen, daß, sollte sich der Beschwerdeführer wieder etwas zu Schulden kommen lassen, dies letztlich zu einem Überwiegen der öffentlichen, für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden Interessen führen könnte. Dem Beschwerdeführer habe also bewußt sein müssen, daß ihm eine letztmalige Chance eingeräumt worden sei.
Dessen ungeachtet sei der Beschwerdeführer am 23. Februar 1994 vom Landesgericht Wels neuerlich rechtskräftig verurteilt worden, und zwar zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon zwei Monate unbedingt, wegen Körperverletzung und Nötigung, begangen im Zustand voller Berauschung (§§ 83, 105 und 287 StGB). Dieser Verurteilung sei eine tätliche Auseinandersetzung des Beschwerdeführers mit seiner Gattin in deren gemeinsamer Wohnung zugrunde gelegen. Er habe sich deshalb in Untersuchungshaft befunden (vom 3. Jänner bis 23. Februar 1994) und sei anschließend bis zum 7. März 1994 in Schubhaft genommen worden. Nachdem der Beschwerdeführer bereits am 12. Dezember 1993 beim Marktgemeindeamt abgemeldet worden sei, hätten sich seine Besuche in dieser Wohnung auf das Bedrohen seiner Gattin und das Abholen von Geld, das er ihr abgenötigt habe, beschränkt.
Schon allein die rechtskräftige Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten (§ 18 Abs. 2 Z. 1 FrG) rechtfertige die Annahme, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde (§ 18 Abs. 1 Z. 1 leg. cit.). Dies umso mehr, wenn man jene strafbaren Handlungen mitberücksichtige, die schon einmal zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer geführt hätten.
Da es dem Beschwerdeführer nicht einmal unter dem Druck eines ihm drohenden Aufenthaltsverbotes gelungen sei, sich straffrei zu halten, erscheine die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen dringend geboten (§ 19 FrG), selbst wenn durch diese Maßnahme in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen werde.
Aus denselben Überlegungen müßten nunmehr aber auch die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie als bereits weniger schwerwiegend angesehen werden als die nachteiligen Folgen von seiner Abstandnahme. Die von ihm angestrebte Scheidung von seiner Gattin und die starke Zuneigung seiner Lebensgefährtin zu ihm änderten nichts daran, daß der Beschwerdeführer nach dem derzeitigen Stand als gewalttätiger Alkoholiker angesehen werden müsse, dessen weiterer Verbleib im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle, selbst wenn sich die Straftaten "lediglich" im Familienkreis zugetragen hätten. Die Gefahr, daß dem Beschwerdeführer sein Vorhaben, abstinent von Alkohol zu werden, mißlinge und es wieder zu Ausschreitungen gegenüber seiner Gattin oder auch seiner Lebensgefährtin komme, sei zu groß, als daß ihm die Möglichkeit hiezu noch während eines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet eingeräumt werden könnte.
Da das Aufenthaltsverbot lediglich zum Inhalt habe, das Bundesgebiet zu verlassen, komme den Ausführungen des Beschwerdeführers über die Situation in seinem Heimatland im vorliegenden Verfahren keine Relevanz zu.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde zieht die - zutreffende - rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, daß die in Rede stehende - unbestritten gebliebene - rechtskräftige gerichtliche Verurteilung den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirkliche, nicht in Zweifel.
Wenn indes in der Beschwerde - ohne dafür eine Begründung zu geben - die Auffassung vertreten wird, der Aufenthalt des Beschwerdeführers stelle keine Gefährdung i.S. des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG dar, so kann dem schon im Hinblick auf die Vielzahl der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden gerichtlich wie auch verwaltungsbehördlich strafbaren Handlungen aus der jüngeren Vergangenheit, die durchaus eine Neigung des Beschwerdeführers zur Mißachtung der österreichischen Rechtsordnung erkennen lassen, nicht beigepflichtet werden.
2. Die zahlreichen und zum Teil auch schwerwiegenden Rechtsbrüche ließen die belangte Behörde überdies - ausgehend von dem von ihr zutreffend bejahten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch das Aufenthaltsverbot - mit Recht zu dem Ergebnis gelangen, daß diese Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten sei. Hiebei ist nicht zu übersehen, daß dem zuletzt genannten Gesichtspunkt im vorliegenden Fall besondere Bedeutung zukommt, hat sich doch der Beschwerdeführer ungeachtet der Androhung eines Aufenthaltsverbotes im Jahr 1985 und der den Ernst seiner fremdenrechtlichen Situation darstellenden Ausführungen in dem seiner Berufung gegen die erstmalige Erlassung eines Aufenthaltsverbotes stattgebenden Bescheid der belangten Behörde vom 19. Mai 1993 nicht davon abhalten lassen, jeweils neuerlich strafbare Handlungen zu begehen.
3.1. Der Beschwerdeführer hält die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes über ihn aus dem Blickwinkel des § 20 Abs. 1 FrG für unzulässig. Dies aus folgenden Gründen: Es sei ihm wegen des seit Jahren andauernden Belagerungszustandes seiner Heimatstadt wie auch im Hinblick darauf, daß er dort keine Angehörigen mehr habe, unmöglich nach Bosnien-Herzegowina zurückzukehren; er würde im Fall der Abschiebung in seine Heimat der Gefahr unmenschlicher Behandlung oder des Todes ausgesetzt sein (§ 37 FrG); er würde überdies in Serbien und in Kroatien als Feind betrachtet und auch von Slowenien und Tschechien nicht aufgenommen werden; er befinde sich derzeit wegen seines "Alkoholproblems" in ärztlicher Behandlung, welches Problem mit seiner psychischen Belastung (Verlust eines 18jährigen Neffen, Zerstörung seines Hauses in seiner Heimat) zusammenhänge. Die Behörde habe auch seine familiäre Situation nicht ausreichend gewürdigt. Er habe die Absicht sich in nächster Zeit von seiner Gattin - die Zerwürfnisse mit ihr seien mitursächlich für seine Verurteilung vom 23. Februar 1994 gewesen - scheiden zu lassen, was derzeit nur in Österreich möglich sei; er habe seit 10. März 1994 seinen ordentlichen Wohnsitz bei seiner Lebensgefährtin, mit der er zwei Kinder habe und die über eine ausreichend große Wohnung verfüge; er wolle seinen insgesamt fünf Kindern ein guter Vater sein und auch in unterhaltsmäßiger Hinsicht in Zukunft für sie sorgen.
3.2. Mit keinem der vorstehend wiedergegebenen Argumente zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit der nach § 20 Abs. 1 FrG gebotenen Interessenabwägung auf.
Was zunächst den Hinweis auf die Situation in seiner Heimat sowie darauf anlangt, daß er (behauptetermaßen) in bestimmten anderen Staaten nicht aufgenommen werde, so ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, daß der Frage, in welches Land er ausreisen, allenfalls abgeschoben wird, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltsverbotes keine rechtliche Relevanz zukommt, weil mit dieser Maßnahme ausschließlich das Verbot ausgesprochen wird, sich weiter in Österreich aufzuhalten (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/18/0595). Für die Prüfung der Frage, ob eine Gefährdungs- und/oder Bedrohungssituation gemäß § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG vorliegt, ist im Rahmen eines Aufenthaltsverbots-Verfahrens kein Raum; hiefür steht ein eigenes, auf Antrag des Fremden (nicht von Amts wegen) einzuleitendes Feststellungsverfahren zur Verfügung (§ 54 FrG). Psychische Belastungen der vom Beschwerdeführer behaupteten Art und allenfalls daraus resultierende "Alkoholprobleme" haben bei der Abwägung nach § 20 Abs. 1 FrG außer Betracht zu bleiben.
Die konkrete private und familiäre Situation des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde berücksichtigt und ihr erhebliches Gewicht zugemessen. Wenn sie trotzdem zu einem für den Beschwerdeführer ungünstigen Abwägungsergebnis gelangt ist, so begegnet dies nach Lage des Falles, insbesondere in Anbetracht der bereits oben II.2. im Zusammenhang mit dem Dringend-geboten-sein des Aufenthaltsverbotes gemäß § 19 FrG hervorgehobenen Umstände, keinen rechtlichen Bedenken. Angesichts des bisherigen, kontinuierlich von Straftaten begleiteten Lebenswandels des Beschwerdeführers in Österreich, verbunden mit einer offen zutage liegenden Negierung grundlegender Anforderungen für ein geordnetes Zusammenleben vor allem im familiären Bereich relativieren sowohl das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers wie auch die (behauptete) Intensität seiner familiären Bindungen beträchtlich. Absichtserklärungen, sich in "nächster Zeit" von seiner Gattin scheiden zu lassen sowie für den Unterhalt seiner Kinder sorgen zu wollen, ändern daran nichts; im übrigen kann der Beschwerdeführer seiner Unterhaltspflicht auch aus dem Ausland nachkommen.
4. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist den Verfahrensrügen, sofern sie nicht schon von vornherein an der Sache vorbeigehen, der Boden entzogen.
5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180233.X00Im RIS seit
20.11.2000