TE Vwgh Beschluss 1994/5/19 92/07/0040

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.05.1994
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
21/01 Handelsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §59;
AVG §68 Abs4;
AVG §8;
AVG §9;
HGB §124 Abs1;
HGB §161 Abs2;
HGB §17 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, in der Beschwerdesache des Ferdinand S in X, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen die als "Berufungsbescheid" überschriebene Erledigung des Landeshauptmannes von Tirol vom 2. Jänner 1992, Zl. IIIa1-11.664/4, betreffend Feststellung des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einem an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) gerichteten Anbringen vom 26. Mai 1988 erstattete die Ferdinand S. Gesellschaft m.b.H. & Co KG folgendes Vorbringen:

"Die Firma Ferdinand S. KG in ST. ist seit 1971 Eigentümer und Betreiber des E-Werkes auf der Grundparzelle 245 in der Einlagezahl 22 II der KG ST. Vormalige Besitzer Hermann H. und Elfriede R., ST.

Die seinerzeit bewilligte Erhöhung der Betriebswassermenge von 1.430 l/sec auf 3.000 l/sec läuft am 31.12.1988 ab.

Wir ersuchen daher um Verlängerung der Differenzbetriebswassermenge von 1.570 l/sec um weitere 40 Jahre bis zum 31. Dezember 2028, Wasserbuch Postzahl 1098. Bescheid der letzten Verlängerung Zahl III-427/1."

Mit einer Eingabe vom 12. Juli 1989 ersuchte ein Ingenieurbüro "im Auftrag des Herrn Ferdinand S." um die Wiederverleihung des Wasserrechtes zur Entnahme der von

1.430 l/s um 1.570 l/s auf 3.000 l/s erhöhten Wassermenge zum Betrieb der gegenständlichen Wasserkraftanlage. Diese Eingabe war unter Beisetzung einer Firmenstampiglie auch von Reinhard S. unterzeichnet, welcher schon die zuvor beschriebene Eingabe für die Gesuchstellerin unterschrieben hatte.

Am 14. November 1989 richtete die Ferdinand S. Gesellschaft m. b.H. & Co KG, nunmehr anwaltlich vertreten, an die BH ein Ansuchen um Änderungen des Wasserbuches, in welchem sie unter Vorlage eines Grundbuchsauszuges darstellte, Eigentümerin des von der Anlage betroffenen Grundstückes zu sein, und begehrte, die Eintragung des Berechtigten im Wasserbuch auf ihre Person zu ändern. Gleichzeitig machte sie geltend, daß die Befristungseintragung im Wasserbuch insofern unrichtig sei, als die Ausnützung eines Wasserquantums von 1.430 l/s nicht befristet worden sei, was ebenso im Wasserbuch richtiggestellt werden möge.

Im Zuge einer am 25. April 1991 durchgeführten Verhandlung über das Ansuchen um Verlängerung des Wasserbenutzungsrechtes erklärte der Verhandlungsleiter, daß die zwischen der Behörde und der Antragstellerin strittige Frage, ob ein Teil der konsentierten Wassermenge unbefristeten Bestandes sei, im Zuge eines Löschungsverfahrens geklärt werden würde, bis zu welchem Zeitpunkt das wasserrechtliche Bewilligungsverfahren bescheidmäßig ausgesetzt werde.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens über die vorzuschreibenden letztmaligen Vorkehrungen erließ die BH am 26. Juni 1991 einen Bescheid, der als "Betreff" seinen Gegenstand mit "Fa. S. Ferdinand (vormals H. Hermann), ST., Säge- und E-Werk in ST., Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes WBP 1098" bezeichnet und sodann einleitend folgendes ausführt:

"Laut Wasserbuchpostzahl 1098 besteht zugunsten der Fa. S. Ferdinand (vormals H. Hermann vor Elfriede R., geb. H.) ein Wasserbenutzungsrecht für eine Säge- und ein E-Werk in St.a.B.

Dieses Wasserbenutzungsrecht wurde auf 40 Jahre befristet, das ist bis zum 31.12.1988."

Im Spruch des Bescheides stellte die BH sodann gemäß § 29 Abs. 1 WRG 1959 fest, daß "das eingangs erwähnte Wasserbenutzungsrecht gemäß § 27 Abs. 1 lit. c leg. cit. durch Ablauf der Zeit erloschen ist" (Spruchpunkt I), ordnete letztmalige Vorkehrungen unter der Bedingung an, daß nicht in der Zwischenzeit ein neues Wasserbenutzungsrecht erteilt worden ist (Spruchpunkt II), und traf einen auf § 29 Abs. 5 WRG 1959 gestützten Ausspruch (Spruchpunkt III). Nach dem Inhalt der Zustellverfügung ordnete die BH das Ergehen dieses Bescheides an "Fa. Ferdinand S." zu Handen jenes Rechsanwaltes an, der schon im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren für die Ferdinand S. Gesellschaft m.b.H. & Co KG eingeschritten war und für diese Gesellschaft auch das vorerwähnte Ansuchen um Änderungen des Wasserbuches eingebracht hatte.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung nennt im Rubrum als "Betreff" die "Fa. Ferdinand S." (vormals Hermann H.), vertreten durch eben denselben Rechtsanwalt, während auf der letzten Seite der Berufungsschrift die Ferdinand S. Gesellschaft m.b.H. & Co KG genannt wird.

Den nunmehr angefochtenen Bescheid verfaßte die belangte

Behörde wie folgt:

"Betreff: Wasserbenutzungsrecht WBPZl. 1098

in ST.;

              E-Werk der Firma Ferdinand S.,

              Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes -

              Berufungsbescheid

                       BERUFUNGSBESCHEID

Der Landeshauptmann von Tirol als Wasserrechtsbehörde

entscheidet über die Berufung der Firma Ferdinand S., H. 11,

St., vertreten durch ... gegen den Bescheid der

Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 26.6.1991 ... betreffend

die Feststellung des Erlöschens des Wasserbenutzungsrechtes zum Betrieb einer Wasserkraftanlage an der Sill WBP 1098 samt Anordnung letztmaliger Vorkehrungen gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG wie folgt:

SPRUCH

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen."

Nach dem Inhalt der Zustellverfügung wurde das Ergehen dieses Bescheides an "die Firma Ferdinand S.", zu Handen des die Berufung verfassenden Rechtsanwaltes angeordnet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird. Auf der ersten Seite der Beschwerdeschrift wird Ferdinand S. als Beschwerdeführer bezeichnet, wobei sich der die Beschwerde verfassende Rechtsanwalt auch auf eine von diesem erteilte Vollmacht beruft; am Ende der Beschwerdeausführungen werden diese allerdings mit Ferdinand S. Ges.m.b.H. & Co KG unterschrieben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Notwendiges Inhaltserfordernis eines jeden Bescheides ist die mit der Personsumschreibung getroffene Wahl des Normadressaten (vgl. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 472, Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, RZ 411/1, sowie die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, E 31f zu § 59 AVG, wiedergegebene hg. Judikatur). Die Benennung jener Person, der gegenüber die Behörde die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechtes in förmlicher Weise gestalten will, ist einer Umdeutung nur in Fällen zugänglich, in welchen der gesamte Bescheidinhalt die von der Behörde gewählte Personsumschreibung als ein - den wahren behördlichen Willen verfälschendes - Vergreifen im Ausdruck erkennen läßt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. Mai 1992, 91/15/0085).

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß einer "Firma" als dem Namen, unter dem ein Kaufmann seine Geschäfte betreibt, und mit dem er fertigt, Rechtspersönlichkeit nicht zukommt (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 440, angeführte Judikatur); ebenso wurde ausgesprochen, daß der an eine "Firma" gerichtete Bescheid keinen normativen Gehalt entfalten könne, weil er an eine "Nichtperson" ergehe (vgl. Walter-Mayer, a.a.O., RZ 443). Ob diese Judikatur im Lichte der im bereits zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. Mai 1992, 91/15/0085, angestellten Überlegungen in Fällen aufrecht erhalten werden kann, in denen einem in seiner Identität überhaupt nicht zweifelhaften Bescheidadressaten die Bezeichnung "Firma" vorangestellt wurde, braucht im Beschwerdefall nicht untersucht zu werden. Festzuhalten ist an dieser Judikatur nämlich in solchen Fällen, in denen die behördliche Erledigung auch in einer Zusammenschau von Bescheidadressierung, Spruch, Gründen und Zustellverfügung das von dieser Erledigung betroffene Rechtssubjekt nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise benennt. Ein solcher Fall liegt hier vor.

Träger des für erloschen erklärten Wasserbenutzungsrechtes war aktenkundig nicht Ferdinand S., sondern die Ferdinand S. Gesellschaft m.b.H. & Co KG. Diese ist im Rahmen der ihr durch § 124 Abs. 1 HGB in Verbindung mit § 161 Abs. 2 HGB eingeräumten partiellen Rechtsfähigkeit ein von Ferdinand S. verschiedenes Rechtssubjekt. Indem die angefochtene Berufungsentscheidung der belangten Behörde den Adressaten ihrer Erledigung mit der Bezeichnung "Firma Ferdinand S."

benennt, stellt sie nicht zweifelsfrei klar, ob sich ihre Erledigung gegen Ferdinand S. persönlich oder gegen die seinen Namen tragende Kommanditgesellschaft richtet. Daß der Aktenlage nach als materiell-rechtlich richtiger Bescheidadressat nur die Kommanditgesellschaft anzusehen gewesen wäre, erlaubt es noch nicht, den von der belangten Behörde gewählten Adressaten ihrer Erledigung deshalb auch in der Kommanditgesellschaft zu erblicken. Ob die Behörde das nach den Bestimmungen des Wasserrechts rechtlich richtige Rechtssubjekt zum Adressaten ihrer Erledigung gemacht hat, ist eine Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des von ihr erlassenen Bescheides, die nicht mit der Frage verwechselt werden darf, ob die Behörde mit der von ihr vorgenommenen Bezeichnung des Normadressaten eine Erledigung mit Bescheidcharakter überhaupt getroffen hat. Diese Frage ist im Beschwerdefall zu verneinen.

Aus der Anführung von Ferdinand S. als Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift und der Berufung des die Beschwerdeschrift verfassenden Rechtsanwaltes auf eine von diesem erteilte Vollmacht muß gefolgert werden, daß Ferdinand S. als Person existiert. Mit der auch im gesamten Kontext der angefochtenen Erledigung als deren Adressat erkennbaren Bezeichnung einer "Firma Ferdinand S." hat die belangte Behörde nicht zum Ausdruck gebracht, ob sich ihr normativer Ausspruch auf Ferdinand S. oder auf die Kommanditgesellschaft bezog. Das aus diesem Grunde offensichtlich gewordene Fehlen eines im Bescheid individuell bestimmten Adressaten als des Trägers der bescheidmäßig begründeten Rechte und Pflichten aber führt zur absoluten Nichtigkeit eines so erlassenen "Bescheides" (vgl. den hg. Beschluß vom 10. März 1992, 92/07/0047, mit weiteren Nachweisen). Die von der Anfechtung betroffene Erledigung der belangten Behörde geht somit ins Leere und konnte ihres fehlenden Bescheidcharakters wegen in die Rechtssphäre des nach der ausdrücklichen Bezeichnung in der Beschwerdeschrift als Beschwerdeführer anzusehenden Ferdinand S. nicht eingreifen (vgl. erneut die Judikaturnachweise im bereits zitierten hg. Beschluß vom 10. März 1992, 92/07/0047). Der Ferdinand S. Gesellschaft m.b.H. & Co KG gegenüber entfaltete die angefochtene behördliche Erledigung aus dem gleichen Grunde ebensowenig rechtliche Wirkungen. Aus verfahrensökonomischen Gründen sei der Vollständigkeit halber klargestellt, daß die vom Verwaltungsgerichtshof zur angefochtenen Erledigung angestellten Erwägungen für den erstinstanzlichen "Bescheid" in gleicher Weise zutreffen.

Die Beschwerde war somit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluß zurückzuweisen; von der beantragten mündlichen Verhandlung hat der Gerichtshof aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 1 VwGG abgesehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991; gemäß § 58 VwGG gebunden an den gestellten Antrag, konnte der Verwaltungsgerichtshof nur die von der belangten Behörde auf der Basis der zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Aufwandersatzes bereits außer Kraft getretenen Verordnung begehrten Ansätze zusprechen.

W i e n , am 19. Mai 1994

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Bescheidcharakter Bescheidbegriff Inhaltliche Erfordernisse Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit Gebilde ohne Rechtsfähigkeit Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit juristische Person Personengesellschaft des Handelsrechts

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992070040.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten