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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §916;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der D in V, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 18. Oktober 1993, Zl. Fr 5925/3/92, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 18. Oktober 1993 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 iVm den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die Beschwerdeführerin, die erstmals am 11. Oktober 1990 in Österreich zur Anmeldung gekommen sei, sei in V vom 5. Dezember 1990 bis 10. Mai 1991, vom 13. Mai 1991 bis 19. August 1991 und seit 12. September 1991 "bis laufend" polizeilich gemeldet (gewesen). Nach Art. 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965 idF BGBl. Nr.117/1983, bedürften Staatsbürger der Vertragsstaaten, die sich zum Zweck der Arbeitsaufnahme in das Hoheitsgebiet des anderen Staates begeben, eines Sichtvermerkes. Da für die Beschwerdeführerin am 18. Jänner 1991 und am 29. April 1991 jeweils ein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gestellt worden sei - diese Anträge seien abgelehnt worden -, sei davon auszugehen gewesen, daß sie lediglich zum Zweck der Arbeitsaufnahme in das Bundesgebiet eingereist sei. Mangels eines Sichtvermerkes sei der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich rechtswidrig. Die zweimalige Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Jugoslawien (für die Dauer von drei bzw. 23 Tagen) sei als Versuch, die österreichische Rechtsordnung zu umgehen, zu werten.
Zu den "firmenrechtlichen Angelegenheiten" der Beschwerdeführerin und ihrer Tätigkeit für die "Firma" sei festzuhalten, daß der A-Gesellschaft m.b.H. die Gastgewerbekonzession in der Betriebsart einer Weinschenke mit einem näher bestimmten Standort mit Bescheid vom 21. Februar 1990 erteilt worden; die zunächst vorgesehen gewesene Befristung sei mit Bescheid vom 9. November 1990 aufgehoben worden. Somit sei vom 21.Februar 1990 bis zur Gründung der Dorfschenke A-Gesellschaft m.b.H. & Co.KEG am 4. Dezember 1991 das Lokal von der genannten GesmbH als Konzessionsträger geführt worden. Seit diesem Zeitpunkt betreibe die GesmbH & Co.KEG das Lokal mit der Konzession der GesmbH. Konkrete Gründe für diese Vorgangsweise seien den Akten nicht zu entnehmen. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Stellungnahme vom 14. Mai 1992 ausgeführt, daß die Gründung der GesmbH & Co.KEG nur vorgenommen worden sei, weil die Anträge auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die Beschwerdeführerin abgewiesen worden seien. Ihren Berufungsausführungen zufolge sei die Beschwerdeführerin in der genannten Erwerbsgesellschaft tätig; ihr Aufgabenbereich liege in der Küche. Daraus, daß für die Beschwerdeführerin eine Beschäftigungsbewilligung als Köchin beantragt worden sei, ergebe sich, daß die "Firma nur eine Scheingesellschaft darstellt", um den weiteren Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zu legalisieren. Es widerspreche jeder kaufmännischen Erfahrung, einer Fremden, die, wie die Beschwerdeführerin, erst seit ca. einem Jahr in Österreich aufhältig sei, vorerst als Köchin und als Schuharbeiterin habe tätig sein wollen, sich selbst anläßlich der polizeilichen Anmeldung am 11. Oktober 1990 als Hilfsarbeiterin bezeichnet habe, und somit in geschäftlichen Dingen völlig unerfahren und zudem der deutschen Sprache nicht mächtig sei, die Mehrheitsanteile (51 %) an einer Gesellschaft zu übertragen. Es sei augenscheinlich, daß dies nur geschehen sei, weil Mehrheitseigentümer einer Gesellschaft keiner Beschäftigungsbewilligung bedürften. Wäre die Beschwerdeführerin mit einem geringeren Prozentsatz an der Gesellschaft beteiligt, würde sie eine Beschäftigungsbewilligung benötigen. Da eine solche vom Landesarbeitsamt bereits (zweimal) abgelehnt worden sei, habe die Beschwerdeführerin damit rechnen müssen, daß sich am status quo ihrer Situation nichts ändere. Die Gründung der GesmbH & Co.KEG stelle somit eindeutig ein Scheingeschäft dar, mit dem die Beschwerdeführerin ihren weiteren Aufenthalt in Österreich habe ermöglichen wollen. Die von der Beschwerdeführerin in ihrem Sichtvermerksantrag vom 16. Jänner 1992 gemachten Angeben, daß sie Gastwirtin und Mitinhaberin der besagten GesmbH & Co.KEG sei, seien somit unzutreffend. Demnach habe die Beschwerdeführerin gegenüber der Behörde unrichtige Angaben gemacht, um sich die Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen.
Da unter "unrichtigen Angaben" i.S. des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG auch ohne entsprechende Fragen abgegebene Erklärungen eines Fremden, die von seinen zu diesem Zeitpunkt tatsächlichen Verhältnissen abwichen, zu verstehen seien, sei im Beschwerdefall der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. verwirklicht. Das Vorliegen dieser bestimmten Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 leg. cit. rechtfertige auch die dort umschriebene Annahme.
Zur Frage der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß durch diese Maßnahme nicht in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin eingegriffen werde. Sie sei zwar verheiratet und Mutter eines Kindes, aber weder der Ehegatte noch das Kind hielten sich in Österreich auf. Auch ansonsten bestünden keine Bindungen der Beschwerdeführerin zu Österreich. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet seit Ende 1990 habe kein hohes Maß an Integration bewirkt, was durch die mangelnden Kenntnisse der deutschen Sprache unterstrichen werde. Im Hinblick auf die schwerwiegenden und kontinuierlichen Mißachtungen der österreichischen Rechtsordnung durch die Beschwerdeführerin wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von einem Aufenthaltsverbot bei weitem schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde bringt vor, daß die Beschwerdeführerin "völlig i.S. des bestehenden Gesetzes" Mehrheitsgesellschafter der in Rede stehenden GesmbH & Co.KEG sei und in dieser Funktion hinsichtlich sämtlicher geschäftlichen Belange durch die Möglichkeit, Generalversammlungen einzuberufen, in die Geschäftsführung eingreifen und diese bestimmen könne sowie mit ihrem Anteil geschäftliche Aktivitäten der übrigen Gesellschafter zumindest blockieren könne. Die Beschwerdeführerin gelte sohin als selbständiger Gesellschafter, für den eine Beschäftigungsbewilligung nach § 3 Abs. 1 AuslBG nicht erforderlich sei. Damit aber seien die von der Beschwerdeführerin in ihrem Sichtvermerksantrag gemachten Angaben, daß sie Gastwirtin und Mitinhaberin der GesmbH & Co.KEG sei, nicht unrichtig. Vielmehr wären andere Angaben in Widerspruch zur tatsächlichen Situation, insbesondere zum Gesellschaftsvertrag, gestanden.
1.2. Die belangte Behörde gelangte auf dem Boden der von ihr vorgenommenen Beweiswürdigung zu der Annahme, daß die Gründung der GesmbH & Co.KEG mit der Beschwerdeführerin als Mehrheitsgesellschafterin nur dazu gedient habe, um der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen, somit ein Scheingeschäft dargestellt habe.
Dieser Ansicht kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Im Gegensatz zu der in der Beschwerde vertretenen Meinung ist die Beweiswürdigung (siehe die Sachverhaltsdarstellung oben I.1.) durchaus nicht als unschlüssig zu erkennen. Vielmehr reichen die dazu im angefochtenen Bescheid ins Treffen geführten Beweisergebnisse aus, um die darauf gründende maßgebliche Sachverhaltsannahme (§ 45 Abs. 2 AVG), daß die Gesellschaftsgründung nur zum Schein erfolgt sei, um der Beschwerdeführerin den weiteren Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen, als der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend und solcherart als mit einem sehr hohen Maß an Wahrscheinlichkeit ausgestattet betrachten zu können. Von bloßen Vermutungen, wie die Beschwerde meint, kann keine Rede sein.
Die damit von der belangten Behörde zutreffend als Scheingeschäft (§ 916 ABGB) gewertete Gründung der GesmbH & Co.KEG durch (u.a.) die Beschwerdeführerin läßt den im bekämpften Bescheid daraus gezogenen Schluß, daß die Angaben der Beschwerdeführerin in ihrem Sichtvermerks-Antrag vom 16. Jänner 1992, sie sei "Gastwirt und Mitinhaber" der GesmbH & Co.KEG, unrichtige Angaben i.S. des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG darstellten, welche die Annahme rechtfertigten, daß der (weitere) Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die öffentliche Ordnung, näherhin das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, gefährde (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG), nicht als rechtswidrig erkennen.
1.3. Dazu kommt noch ein Weiteres: Die Beschwerdeführerin benötigte aufgrund des mit 1. Juli 1993 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes, BGBl. Nr. 466/1992, ab diesem Zeitpunkt (jedenfalls) im Grunde des § 1 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. einer besonderen Bewilligung nach § 1 Abs. 1. Ausschließlich auf eine solche Bewilligung vermochte sie die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet zu stützen. Da die Beschwerdeführerin eine solche Bewilligung im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht besaß, hielt sie sich im Grunde des § 15 Abs. 1 Z. 2 FrG nicht rechtmäßig in Österreich auf. Dieser unerlaubte Aufenthalt stellt zweifellos ein Verhalten dar, welches die Gefährdung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen durch die Beschwerdeführerin noch deutlich verstärkt.
2. Was die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes anlangt, pflichtet der Gerichtshof der Auffassung der belangten Behörde bei, daß durch diese Maßnahme nicht in das Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführerin eingegriffen würde. Nach den - unwidersprochen gebliebenen - Feststellungen im bekämpften Bescheid hält sich die Beschwerdeführerin allein in Österreich auf, ihr Ehegatte und ihr Kind leben nicht im Bundesgebiet. Diese Tatsachen sowie der Umstand, daß jedenfalls ein Großteil des - ohnehin nicht allzu langen - Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich ein unerlaubter war, lassen die Annahme eines relevanten Eingriffes in das Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführerin i.S. des § 19 FrG nicht zu. Dies hat zur Folge, daß sich sowohl eine Prüfung der Frage, ob das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist, als auch eine Interessensabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG erübrigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0112, und die seither ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes, etwa die Erkenntnisse vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0437, und vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/18/0534).
3. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß $ 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180598.X00Im RIS seit
11.07.2001