TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/20 94/01/0036

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Veröffentlicht am 20.05.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art1;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;
VwGG §41 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/01/0037

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerden 1. des A und 2. des B, beide in Y vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 2. Dezember 1993, Zl. 4.333.747/1-III/13/92 (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers, hg. Zl. 94/01/0036) und Zl. 4.334.200/1-III/13/92 (hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers, hg. Zl. 94/01/0037), betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 2. Dezember 1993 wurde in Erledigung der Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. Februar 1992 (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers) und vom 13. Jänner 1992 (hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers) ausgesprochen, daß Österreich den Beschwerdeführern - Staatsangehörigen "der früheren SFRJ", die am 30. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist sind und am

2. bzw. 3. Jänner 1992 Asylanträge gestellt haben - kein Asyl gewähre.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, vom jeweiligen Beschwerdeführer in Ansehung des ihn betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführern, ohne sich mit ihrer Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihnen der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Erstbeschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 4. Jänner 1992 und jenen des Zweitbeschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 8. Jänner 1992, daß sie sich vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet in Slowenien aufgehalten hätten, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht jeweils gleichlautend näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.

Nach dieser Rechtsprechung ist - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer - rechtlich ohne Bedeutung, daß sie sich "tatsächlich" nur kurzfristig in Slowenien aufgehalten hätten und ihr dortiger Aufenthalt den Behörden nicht bekannt gewesen sei. Die Beschwerdeführer behaupten aber übereinstimmend, daß Slowenien Staatsangehörigen "der ehemaligen SFRJ tatsächlich keinen Rückschiebungsschutz gewährt, sondern derartige Staatsangehörige tatsächlich fürchten müssen, nach Restjugoslawien abgeschoben zu werden, was auch tatsächlich immer wieder geschieht".

Würde diese Behauptung zutreffen, so könnte nicht mehr ohne weiteres davon die Rede sein, daß - entsprechend der Begründung der angefochtenen Bescheide - anzunehmen sei, daß Slowenien von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen den Standard der Genfer Flüchtlingskonvention (siehe dazu die mit Wirksamkeit vom 25. Juni 1991 abgegebene Erklärung dieses Landes BGBl. Nr. 806/1993) entsprechenden Schutz biete, und daß davon auszugehen sei, daß dort "das Nonrefoulementrecht effektiv in Geltung" stehe, dies jeweils bezogen auf den hiebei allein maßgebenden Zeitpunkt des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in diesem Land (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, und vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/1522). Die Beschwerdeführer haben zwar diese Behauptung erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihnen - wie sie mit Recht rügen - im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt. Damit haben die Beschwerdeführer die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels aufgezeigt.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde jeweils zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt) Sachverhalt Verfahrensmängel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994010036.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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