TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/20 92/01/0953

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Veröffentlicht am 20.05.1994
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1965 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des R in P, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. September 1992, Zl. I/3-S-6524-91, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. September 1992 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 39 Abs. 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Verleihungsantrages des staatenlosen Beschwerdeführers, der seit 29. März 1976 seinen ordentlichen Wohnsitz ununterbrochen in Österreich habe, damit begründet, daß dieser die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG, wonach die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden kann, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet, nicht erfülle. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in den Jahren 1989 bis 1991 von inländischen Gerichten insgesamt dreimal (wegen Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten, wegen des Vergehens der Unterhaltspflichtsverletzung und wegen Vergehens der fahrlässigen Krida) rechtskräftig verurteilt worden sei. Vom Amtsgericht München sei der Beschwerdeführer 1974 wegen Diebstahls und 1975 wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden. Von der Praetur San Dona di Piave sei der Beschwerdeführer 1976 wegen Diebstahls verurteilt worden. Weiters habe der Beschwerdeführer wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung von der Bezirkshauptmannschaft Baden insgesamt neunmal bestraft werden müssen. Aus diesen Verurteilungen sei eine Gleichgültigkeit des Beschwerdeführers gegenüber strafrechtlichen Normen deutlich zu ersehen, wobei er offenbar weder bereit sei, die in Österreich geltenden Rechtsvorschriften einzuhalten, noch auch durch wiederholte Bestrafung durch Gerichte und Verwaltungsbehörden zu einer grundlegenden Änderung seiner Einstellung zu bewegen gewesen sei. Durch die begangenen Verwaltungsübertretungen habe der Beschwerdeführer demonstriert, daß er als Lenker von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Verkehr eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer darstelle, wobei auf Grund der Häufigkeit eines solchen Verhaltens nicht ausgeschlossen werden könne, daß er auch in Hinkunft Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Verkehrs dienen, leichtfertig mißachten werde. Die gegen den Beschwerdeführer im Ausland ausgesprochenen Verurteilungen, die schon mehr als fünfzehn Jahre zurücklägen, habe die belangte Behörde nicht als ausschlaggebend für die negative Beurteilung seines Gesamtverhaltens angesehen; es sei aber nicht außer acht gelassen worden, daß es sich bei den begangenen Diebstählen um vorsätzliche Straftaten gehandelt habe, woraus schon damals seine negative Einstellung gegenüber einer Rechtsordnung zum Ausdruck gekommen sei. Soweit der Beschwerdeführer darauf hingewiesen habe, daß einige Vorstrafen bereits getilgt und drei Polizeistrafen aus seiner Strafkarte gestrichen worden seien, übersehe er, daß bei der Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG auch solche Tathandlungen miteinbezogen werden könnten, hinsichtlich derer die Verurteilung bereits getilgt sei, wobei es unmaßgeblich sei, ob die Vorfälle von Gerichten oder von Verwaltungsbehörden zu ahnden gewesen seien.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer insbesondere dagegen, daß die belangte Behörde lediglich seine strafbaren Handlungen, nicht aber auch sein positives Wirken während seines - abgesehen von einem dreijährigen Auslandsaufenthalt - seit seiner Geburt andauernden Aufenthaltes im Bundesgebiet berücksichtigt habe. Er sei niemals gegen einen Menschen aggressiv geworden, wobei es sich beim Imstichlassen eines Verletzten um eine von ihm nicht bemerkte, einer Dame durch seinen vorbeilaufenden Hund zugefügte Verletzung (blauer Fleck) gehandelt habe. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Krida sei auf kaufmännisches Versagen, nicht aber auf staatsfeindliche Gesinnung zurückzuführen; die Unterhaltspflichtverletzung habe auf den damit zusammenhängenden finanziellen Schwierigkeiten beruht. Bei den Verwaltungsübertretungen habe es sich - wie schon aus der Heranziehung des § 99 Abs. 3 StVO erkennbar sei - um geringfügige Ordnungsdelikte gehandelt, die ohne Gefährdung von Personen erfolgt und daher mit minimalen Geldstrafen belegt worden seien. Die belangte Behörde habe entgegen der in § 10 Abs. 1 StbG enthaltenen Aufzählung von zur Versagung der Verleihung der Staatsbürgerschaft führenden Strafen solche Strafen herangezogen, "die den Tatbestand des § 10 StbG nicht erfüllen". Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt der Beschwerdeführer darin, daß entgegen seiner Bitte die belangte Behörde die Strafakten "offenbar" nicht beigeschafft habe. Auch stehe der angefochtene Bescheid mit sich selbst im Widerspruch, weil einerseits getilgte Vorstrafen nicht berücksichtigt worden seien, diese andererseits aber nicht hätten außer acht gelassen werden können.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG darf die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur dann verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bildet.

Der Beschwerdeführer unterliegt, soweit er die Auffassung vertritt, nur bei Vorliegen solche Straftaten, die in § 10 Abs. 1 StbG (gemeint offenbar Z. 2 bis 4) aufgezählt sind, dürfte ein Verleihungsansuchen abgewiesen werden, einem Irrtum. Vielmehr ist bei der gemäß der zitierten Z. 6 dieses Paragraphen vorzunehmenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft - wie die belangte Behörde im Ergebnis richtig erkannt hat - vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches durch das sich aus den von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt ist, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sodaß in diese Beurteilung auch solche Tathandlungen miteinbezogen werden können, hinsichtlich derer die Verurteilung bereits getilgt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. April 1986, Zl. 84/01/0103, und die dort zitierte Judikatur). Ausgehend von dieser Rechtslage kann aber darin, daß die belangte Behörde auch bereits getilgte Verurteilungen des Beschwerdeführers zur Beurteilung seiner Einstellung zur Rechtsordnung herangezogen hat, Rechtswidrigkeit nicht erblickt werden.

Entgegen der Vermutung des Beschwerdeführers hat es die belangte Behörde nicht unterlassen, die seine gerichtlich geahndeten Straftaten betreffenden Akten einzuholen. Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß diese Verurteilungen inländischer Gerichte betreffenden Akten der belangten Behörde übermittelt wurden, wobei sich Ablichtungen wesentlicher gerichtlicher Aktenteile bei den Verwaltungsakten befinden. Auch betreffend die verwaltungsbehördlichen Bestrafungen des Beschwerdeführers sind Ablichtungen der jeweiligen Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaft Baden in den Verwaltungsakten enthalten.

Die belangte Behörde hat aus dem durch die Häufigkeit der gerichtlichen Verurteilungen und verwaltungsbehördlichen Bestrafungen geprägten Charakterbild des Beschwerdeführers den Schluß gezogen, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß er auch in Zukunft die zur Abwehr und Unterbindung von Gefahren für Leben Gesundheit, öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit erlassenen Vorschriften mißachten werde. Dieser Argumentation der belangten Behörde kann angesichts der großen Zahl der vom Beschwerdeführer begangenen Verstöße gegen die Rechtsordnung, mögen diese im einzelnen auch nicht besonders folgenschwer gewesen sein, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zu wiederholten Malen betont, daß Verstöße gegen die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienenden Schutznormen dann ein Einbürgerungshindernis im Sinne des Mangels der Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG darstellen, wenn aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit dieser Übertretungen erkennbar ist, daß der Einbürgerungswerber den zur Vermeidung von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen sowie der allgemeinen Sicherheit erlassenen Gesetzen gegenüber negativ eingestellt ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. April 1990, Zl. 89/01/0430, und die dort angeführte Judikatur). Nach Ausweis der in den Verwaltungsakten enthaltenen Ablichtungen der den Beschwerdeführer betreffenden Strafverfügungen liegen diesen insbesondere vier Fälle erheblicher Überschreitungen der erlaubten Höchstgeschwindigkeit (in einem Fall sogar um mehr als 100 %) und vier Fälle der Mißachtung eines gekennzeichneten Überholverbotes zugrunde. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, wenn sie diese Übertretungen der Straßenverkehrsordnung als eminente Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer und damit als gravierende Verstöße gegen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit erlassenen Vorschriften gewertet hat.

Der belangten Behörde ist aber auch darin beizupflichten, daß sie aus der Häufigkeit und Beharrlichkeit, mit der der Beschwerdeführer gegen die Rechtsordnung verstoßen hat, zu der Auffassung gekommen ist, der Beschwerdeführer stelle zumindest zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die der letzten gerichtlichen Verurteilung vom 1. Juli 1991 zugrundeliegende Straftat betraf einen bis 13. März 1990 reichenden Zeitraum, der letzten verwaltungsbehördlichen Bestrafung vom 16. Jänner 1990 lag ein Vorfall vom 6. Jänner 1990 zugrunde) eine Gefahr für die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar.

Da auf Grund der von der belangten Behörde schlüssig vorgenommenen Einschätzung des künftigen Verhaltens des Beschwerdeführers die Abweisung seines Ansuchens um Verleihung der Staatsbürgerschaft der Rechtslage entspricht, war die sich als unbegründet erweisende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992010953.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

13.04.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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