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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §67c Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 29. März 1993, Zl. UVS-02/12/00055/92, betreffend die Fesselung durch Gendarmeriebeamte der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung am 16. und 17. Juli 1992 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde im Zusammenhalt mit einer "Rauferei" vor dem Cafe "Limit" in Himberg, als er vor einschreitenden Gendarmeriebeamten der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung flüchtete, am 16. Juli 1992 um 7.25 Uhr angeschossen, (offensichtlich) gemäß § 177 Abs. 1 Z. 2 iVm § 175 Abs. 1 Z. 2 StPO festgenommen und mittels eines Rettungsfahrzeuges nach Wien in das Meidlinger Unfallkrankenhaus gebracht. Am selben Tag um 18.35 Uhr wurde nach Bericht der Gendarmeriebeamten über die Ausforschung und Festnahme des Mittäters vom zuständigen Richter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ein Haftbefehl wegen Verdunkelungsgefahr gemäß § 180 Abs. 2 Z. 1 und 2 StPO iVm §§ 83 und 91 StGB erlassen. Nach den unbestrittenen Ausführungen des angefochtenen Bescheides seien dem Beschwerdeführer mittels Handschellen die Arme auf seinen Rücken und seine Beine mittels Schließkette an der Tragbahre gefesselt gewesen. Die Fesselung sei auch während der ärztlichen Behandlung aufrecht erhalten worden bzw. sei es den behandelnden Ärzten überlassen worden, die Fesselung zu lösen oder nicht. Die Fesselung sei auch während eines Transportes in das Krankenhaus Lainz und zurück, während der im Unfallkrankenhaus Lainz erfolgten Operation und nach der Operation im Krankenbett bis zur Übergabe des Beschwerdeführers an die Justizwachebeamten am 17. Juli 1992 um 17.30 Uhr aufrecht erhalten worden.
Der Beschwerdeführer machte gegen die am 16. Juli 1992, von ca. 7.25 Uhr, bis 17. Juli 1992, 17.30 Uhr, andauernde, von Gendarmeriebeamten im Rahmen der Anhaltung durchgeführten Fesselung von Händen und Füßen vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien geltend, daß er durch diese "in seinem durch Art. 3 MRK eingeräumten Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung unterworfen zu werden, verletzt wurde".
Die belangte Behörde wies die Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß § 67 c Abs. 3 AVG als unbegründet ab. Sie vertrat nach Darlegung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und des ermittelten Sachverhaltes im wesentlichen die Auffassung, der Beschwerdeführer sei durch die Fesselung in seinem Recht gemäß Art. 3 MRK nicht verletzt worden, da kein Fesselungsexzeß vorliege. Die Fesselung sei gerechtfertigt gewesen, da für die Organe hinreichende Verdachtsmomente in bezug auf verschiedene begangene gerichtlich strafbare Handlungen gegeben gewesen seien, zumal der Beschwerdeführer offensichtlich geflohen sei und seine weitere Flucht nur durch den Gebrauch von Schußwaffen verhindert habe werden können. Aufgrund weiterer Gewalttätigkeiten sei die Schließung der Beine des Beschwerdeführers auch während des Transportes und der ärztlichen Behandlungen erforderlich gewesen. Der Beschwerdeführer sei mit den herkömmlichen, der Behörde zur Verfügung stehenden technischen Mitteln, wie Handschellen und Schließkette, gefesselt worden und seien Spuren an den Handgelenken im Hinblick auf das Verhalten des Beschwerdeführers unvermeidbar gewesen. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten weitergehenden Verletzungen an seinen Händen seien nicht erwiesen und habe er sich diese allenfalls selbst durch Legen seines Körpers auf die geschlossenen Arme selbst zuzuschreiben. Auch die Fesselung der Beine neben jenen der Arme stehe im Lichte des Umstandes, daß der Beschwerdeführer Gewalttätigkeiten durch Treten mit seinen Beinen gesetzt habe, mit dem Grundsatz der Anwendung des jeweils gelindesten Mittels im Einklang. Die bei länger andauernder Fesselung erforderliche Kontrolle, ob der Betreffende nicht unnötige Qualen dadurch erleide, sei erfolgt und seien die Handfesseln auch immer wieder gelockert worden, wenn sie sich aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers zu fest zusammengezogen hätten. Die Fesselung sei daher unter Einhaltung der Vorschriften und Grundsätze rechtmäßig und daher spruchmäßig zu entscheiden gewesen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht nach § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG, da Beweisanträge nicht zugelassen worden seien, weiters im Recht auf richtige Beweiswürdigung und im Recht gemäß Art. 3 MRK verletzt.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Gemäß Art. 133 Abs. 1 Z. 1 B-VG sind die Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören, von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.
Gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden, einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
In der Frage, ob der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, die in einem unmittelbar gegen die Person gerichteten Zwang besteht (wie Verhaftung, Festnahme, Vorführung und Vollzug einer Arreststrafe), zuständig ist, vertritt der Verwaltungsgerichtshof seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 7. Dezember 1988, Slg. Nr. 12.821/A, die Auffassung, er sei unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einfachgesetzlich eingeräumter Rechte zur Entscheidung über Beschwerden zuständig, in denen jemand behaupte, in gesetzwidriger Weise festgenommen worden zu sein. Von diesem Grundsatz ausgehend erachtet sich der Verwaltungsgerichtshof auch für Beschwerden gegen Bescheide der unabhängigen Verwaltungssenate, in denen gemäß § 67c AVG über die Rechtmäßigkeit der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt abgesprochen wird, für zuständig, sofern in der Beschwerde die Verletzung einer einfachgesetzlichen Norm behauptet wird.
Im Beschwerdefall käme somit die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zum Tragen, wenn der angefochtene Bescheid (nicht nur verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte, deren Wahrnehmung dem Verfassungsgerichtshof vorbehalten bleibt, sondern auch) auf einfachgesetzlicher Ebene eingeräumte Rechte verletzt haben könnte. Dies ist jedoch im Hinblick auf den (durch den Antrag des Beschwerdeführers bestimmten) Rahmen des Abspruches des angefochtenen Bescheides nicht der Fall: Dieser spricht (dem Antrag des Beschwerdeführers entsprechend) ausschließlich über die Frage ab, ob der Beschwerdeführer durch die Ausübung von Zwangsgewalt in dem Recht, nicht unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden (Art. 3 MRK), verletzt worden sei. Durch diesen den ausschießlich die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte betreffenden Antrag des Beschwerdeführers zur Gänze erledigenden Abspruch wird der Prozeßgegenstand des Beschwerdeverfahrens bereits dahin bestimmt, daß er nur verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte, deren Verletzung - unter Ausschluß der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes - der Verfassungsgerichtshof wahrzunehmen hat, umfaßt. Im Hinblick auf die eingeschränkte, ausschließlich die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte betreffende Fassung seines Antrages vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat war es dem Beschwerdeführer auch verwehrt, eine allenfalls darin gelegene Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides (auf einfachgesetzlicher Ebene) geltend zu machen, daß die belangte Behörde nicht im Sinne des § 67c Abs. 3 AVG umfassend über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme, sondern nur über die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte abgesprochen hat. Bei der vorliegenden Verfahrenskonstellation konnte der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid somit nicht in vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbaren Rechten verletzt werden (vgl. die hg. Beschlüsse vom 20. September 1993, Zl. 93/10/0118, vom 23. Februar 1994, Zl. 93/01/0456 und vom 23. März 1994, Zl. 93/01/0003). Dies gilt auch im Hinblick auf die nunmehr in der Beschwerde geltend gemachten einfachgesetzlichen Verfahrensverletzungen in bezug auf das Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, wobei die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erfolgte.
Bei diesem Ergebnis war auf die Frage, ob die verfahrensgegenständliche faktische Amtshandlung ab 16. Juli 1993, 18.30 Uhr, in Ausübung eines richterlichen Haftbefehles gemäß § 180 Abs. 2 Z. 1 und 2 StPO und ohne dessen Überschreitung erfolgte und somit insofern gar nicht in die Zuständigkeit der belangten Behörde gefallen wäre, nicht einzugehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993010552.X00Im RIS seit
12.02.2002Zuletzt aktualisiert am
14.06.2010