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19/07 Diplomatischer und konsularischer Verkehr;Norm
Konsularvertrag Jugoslawien 1968 Art19;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde der P in X, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 23. Juni 1992, Zl. MA 61/IV-O 138/91, betreffend Feststellung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin wurde am 25. November 1971 in Böblingen, BRD, als eheliches Kind des jugoslawischen Staatsangehörigen PS und der österreichischen Staatsbürgerin IS geboren. Die Ehe der Eltern wurde am 25. Jänner 1980 geschieden. Am 29. Juli 1986 gab die Mutter der Beschwerdeführerin für diese vor dem österreichischen Generalkonsulat in Ljubljana eine Erklärung gemäß Art. I des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechtes 1985, BGBl. Nr. 311/1985, ab, wonach sie der Republik Österreich als getreue Staatsbürgerin angehören wolle. Diese Erklärung wurde vom österreichischen Generalkonsulat in Ljubljana am 22. August 1991, also rund fünf Jahre später, der Wiener Landesregierung übermittelt, wo sie am 28. August 1991 einlangte.
Mit Bescheid vom 23. Juni 1992 "entschied" die belangte Behörde "von Amts wegen", daß die von der Mutter der Beschwerdeführerin für die Beschwerdeführerin abgegebene Erklärung gemäß Art. I des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechtes 1985 nicht zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft geführt habe. Begründend führte sie aus, daß eine solche Erklärung bis spätestens 31. Dezember 1988 bei der gemäß § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 zuständigen Behörde abzugeben gewesen wäre. Zuständige Behörde sei das Amt der Wiener Landesregierung, wo die Erklärung allerdings erst am 28. August 1991, also nicht zeitgerecht eingelangt sei. Da die Erklärung überdies nicht von der antragslegitimierten Person - die Beschwerdeführerin sei im Zeitpunkt des Einlangens der Erklärung bei der belangten Behörde bereits volljährig und damit selbst zur Abgabe der Erklärung legitimiert gewesen - unterfertigt sei, lägen die Voraussetzungen zur Feststellung der Staatsbürgerschaft nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, worin die Beschwerdeführerin ausführt, das österreichische Generalkonsulat in Ljubljana sei für ihre Mutter stets die einzige Anlauf- und Informationsstelle gewesen. Nach Abgabe der Erklärung und Vorlage aller notwendigen Unterlagen sei ihr zugesichert worden, daß diese an die zuständige Behörde weitergeleitet würden. Das österreichische Generalkonsulat sei zur Entgegennahme des betreffenden Antrages befugt und gemäß § 6 Abs. 1 AVG zu dessen unverzüglichen Weiterleitung verpflichtet gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. I § 1 des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechtes anläßlich der Novellen zum Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 (Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985), Anlage 2 zu BGBl. Nr. 311/1985, erwerben vor dem 1. September 1983 geborene eheliche und legitimierte Kinder unter bestimmten Voraussetzungen die Staatsbürgerschaft durch Erklärung, der Republik Österreich als getreue Staatsbürger angehören zu wollen. Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen ist diese Erklärung innerhalb von drei Jahren, ab dem 1. September 1983, schriftlich bei der nach § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 zuständigen Behörde abzugeben. Diese Frist wurde durch die Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1986, BGBl. Nr. 386, bis 31. Dezember 1988 verlängert. Liegen alle Voraussetzungen vor, so hat die Behörde gemäß Absatz 4 mit Bescheid festzustellen, daß die Staatsbürgerschaft mit dem Tag des Einlangens der Erklärung bei der zuständigen Behörde erworben wurde.
Für die Ermittlung der zuständigen Behörde - auch betreffend die Abgabe der Erklärung - verweist das Gesetz auf § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, wo für die Erlassung von Bescheiden in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft unbeschadet des § 41 die Landesregierung vorgesehen ist.
Gemäß § 41 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 ist in Fällen, in denen ein ordentlicher Wohnsitz im Gebiet der Republik nicht gegeben ist, das österreichische Berufskonsulat, wo jedoch ein solches nicht besteht, die österreichische diplomatische Vertretung, in deren Bereich die Person ihren ordentlichen Wohnsitz hat, zur Ausstellung von Bestätigungen in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft und zur Entscheidung über derartige Anträge im Sinne des Abs. 1 dieses Paragraphen zuständig. Die Vertretungsbehörden haben hiebei das AVG (1950) anzuwenden. Daraus folgt zunächst, daß den österreichischen Konsulaten in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft durch eine österreichische Rechtsvorschrift ausdrücklich eine behördliche Zuständigkeit eingeräumt ist.
Gemäß Art. 5 lit. f des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, BGBl. Nr. 318/1969, bestehen die konsularischen Aufgaben unter anderem darin, notarielle, standesamtliche und ähnliche Befugnisse auszuüben sowie bestimmte Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen, soweit die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften des Empfangsstaates dem nicht entgegenstehen. Gemäß lit. j dieses Artikels zählt es auch zu den konsularischen Aufgaben, gerichtliche und außergerichtliche Urkunden zu übermitteln und Rechtshilfeersuchen zu erledigen, soweit dies geltenden internationalen Übereinkünften entspricht oder, in Ermangelung solcher, mit den Gesetzen und sonstigen Rechtsvorschriften des Empfangsstaates vereinbar ist.
Gemäß Art. 19 des Konsularvertrages zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien, BGBl. Nr. 378/1968, sind die Konsuln in ihrem Konsularsprengel, soweit sie nach den Rechtsvorschriften des Sendestaates hiezu ermächtigt sind, berechtigt:
a)
insbesondere in den Konsularämtern von den Angehörigen des Sendestaates auf deren Wunsch Erklärungen entgegenzunehmen und zu beurkunden;
.................
c)
Urkunden, die im Sendestaat liegende Güter, zu erledigende Angelegenheiten oder geltend zu machende Rechte betreffen, zu beglaubigen und entsprechende Erklärungen von Personen, welcher Staatsangehörigkeit immer, entgegenzunehmen.
Gemäß Abs. 2 dieses Artikels werden Urkunden, deren Ausfertigung und Übersetzung, die gemäß Abs. 1 errichtet oder beglaubigt sind, im Empfangsstaat als von den zuständigen Organen des Sendestaates errichtet oder beglaubigt betrachtet, wenn sie nach Form und Inhalt den Gesetzen des Sendestaates entsprechen.
Aus diesen Rechtsvorschriften ergibt sich, daß eine abschließende, taxative Regelung der Befugnisse österreichischer Konsulate und im besonderen der im Gebiet des im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung der Beschwerdeführerin noch bestehenden Föderativen Volksrepublik Jugoslawien eingerichteten Konsulate nicht besteht und daß somit die mit Rechtswirksamkeit verbundene Entgegennahme einer Erklärung in einer Angelegenheit des Staatsbürgerschaftsrechtes durch ein österreichisches Konsulat nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Vielmehr ist aus Art. 19 des angeführten Konsularvertrages abzuleiten, daß der dort den österreichischen Konsuln ausdrücklich eingeräumten Befugnis zur Entgegennahme von im Sendestaat geltend zu machende Rechte betreffenden Erklärungen über die bloße Entgegennahme hinaus auch die Wirkung zukommt, daß eine derartige Erklärung - insbesondere dann, wenn es sich um eine ein Rechtsgebiet betreffende Angelegenheit handelt, auf welchem den Konsulaten zumindest teilweise eine Zuständigkeit ausdrücklich eingeräumt ist - mit dem Zeitpunkt der Entgegennahme als gegenüber der für ihre Behandlung zuständigen österreichischen Behörde abgegeben anzusehen ist. Dies gilt vor allem für Erklärungen auf dem Gebiet des Staatsbürgerschaftswesens, weil das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 im zitierten § 41 Abs. 2 Zuständigkeiten der österreichischen Vertretungsbehörden vorsieht und somit davon auszugehen ist, daß die jeweils zur Entgegennahme von dieses Rechtsgebiet betreffenden Erklärungen zuständige Behörde - im Beschwerdefall die Wiener Landesregierung - als insoweit durch die Vertretungsbhörde repräsentiert anzusehen ist. Für dieses Verständnis spricht auch die Regelung des Art. 19 Abs. 2 leg.cit., derzufolge der Empfangsstaat für im Wege des Abs. 1 dieses Artikels errichtete oder beglaubigte Urkunden das Vorgehen des Konsulates als für die zuständige Behörde des Sendestaates gesetzt anzuerkennen hat.
Im Beschwerdefall ist nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten davon auszugehen, daß die Erklärung im Sinne des Art. I § 1 Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985 am 29. Juli 1986 vor dem österreichischen Generalkonsulat in Laibach abgegeben und die von der die damals fünfzehn Jahre alte Beschwerdeführerin vertretenden ehelichen Mutter unter diese Erklärung gesetzte Unterschrift beglaubigt wurde. Der Abgabe dieser Erklärung war ein von diesem Konsulat abgeführtes Verwaltungsverfahren betreffend die Ausstellung österreichischer Staatsbürgerschaftsnachweise für die Beschwerdeführerin, ihre Mutter und ihren Bruder vorangegangen, in dessen Verlauf die Mutter der Beschwerdeführerin zu einer Vorsprache aufgefordert und ihr unter Fristsetzung die Vorlage einer Schulbesuchsbestätigung für die Beschwerdeführerin aufgetragen worden war. Die Abgabe der angeführten Erklärung erfolgte demnach vor dem gemäß § 41 Abs. 1 und 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 für die Ausstellung von Bestätigungen in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft und zur Entscheidung über derartige Anträge zuständigen österreichischen Generalkonsulat Laibach. Wenn auch, wie dargestellt, eine ausdrückliche Regelung des Inhaltes, daß durch die Abgabe der besagten Erklärung vor dem Generalkonsulat diese im Sinne des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechtes 1985 als vor der nach § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 zuständigen Behörde abgegeben zu gelten habe, fehlt, so ist doch im Hinblick auf das behördliche Agieren des Generalkonsulates und auf die durch keine Verwaltungsvorschrift ausgeschlossene Möglichkeit, Erklärungen insbesondere in Angelegenheiten des Staatsbürgerschaftsrechtes entgegenzunehmen, im Beschwerdefall davon auszugehen, daß mit Abgabe der besagten Erklärung vor dem insoweit die zuständige Wiener Landesregierung repräsentierenden Generalkonsulat Laibach die Rechtswirkungen einer Abgabe dieser Erklärung vor der gemäß § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 zuständigen belangten Behörde eingetreten sind. Daß auch das Generalkonsulat im Ergebnis diese Auffassung vertreten hat, ergibt sich daraus, daß die erst mit 22. August 1991 datierte Übermittlung der Erklärung an die belangte Behörde damit begründet wurde, daß erst der Abschluß eines Feststellungsverfahrens betreffend die österreichische Staatsbürgerschaft der Mutter der Beschwerdeführerin abgewartet worden sei.
Bei diesem Ergebnis geht die Argumentation der belangten Behörde, die Erklärung sei deshalb nicht wirksam, weil sie nicht von der (nunmehr volljährigen) Beschwerdeführerin selbst unterfertigt sei, ins Leere.
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu dessen Aufhebung führen mußte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil gemäß § 28 Abs. 5 VwGG Beschwerden gemäß § 131 B-VG lediglich eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides anzuschließen ist, weshalb nur insoweit eine Verpflichtung zum Ersatz von Stempelgebühren in Frage kommt.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992010869.X00Im RIS seit
13.06.2001