Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde der S in M, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. Juli 1993, Zl. 313.860/2-III/A/2a/93, betreffend Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: A in M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in M), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 21. Dezember 1992 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 81 GewO 1973 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz die Genehmigung zur Änderung bzw. Erweiterung der mit Bescheid vom 28. Februar 1993, Zl. 1992/1D-83, genehmigten Betriebsanlage zur Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart Bar im näher bezeichneten Standort im Sinne der Betriebsbeschreibung und nach Maßgabe der vorgelegten Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.
Eine dagegen von der nunmehrigen Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 26. April 1992 hinsichtlich der Arbeitsräume im Keller als unzulässig zurückgewiesen, im übrigen gemäß § 81 und §§ 74 ff GewO 1973 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dem Berufungsvorbringen, der Bescheid sei erlassen worden, ohne die Gutachten des Amtsarztes und des gewerbetechnischen Sachverständigen abzuwarten bzw. den Parteien in diese Gutachten Einsicht zu gewähren, sei entgegenzuhalten, daß vom Amtsarzt am 18. Dezember 1992 ein ausführliches Gutachten abgegeben worden sei. Grundlage dieses Gutachtens sei unter anderem ein am 11. Dezember 1992 in der Wohnung der Beschwerdeführerin vorgenommener Ortsaugenschein. In diesem Gutachten sei der Sachverständige zu folgendem Ergebnis gekommen:
"Am Emissionspunkt ist das Geräusch als ein typisches Ventilatorgeräusch ohne tonhältige, impulshältige oder informationshältige Komponenten zu hören. Beim Ortsaugenschein war selbst bei voller Gebläsestufe der Schall von seiten der Lüftungsanlage im Immissionspunkt nicht hörbar. Dies deckt sich mit den Beobachtungen des lärmtechnischen Sachverständigen. Selbst bei der vollen Gebläsestufe kommt es nur zu einer geringgradigen Erhöhung des Umgebungsgeräuschpegels beim Nachbarn. Das Störgeräusch selbst ist weder meßtechnisch noch durch akustische Wahrnehmung vom Umgebungsgeräusch zu differenzieren (Beobachtungen des medizinischen und lärmtechnischen Sachverständigen). Auch aufgrund des Geräuschcharakters des Gebläses ist am Immissionspunkt eine Differenzierung nicht möglich. Zusammenfassend wird auf Basis des Ortsaugenscheines und der vorgenommenen Lärmmessungen festgestellt, daß bei Einhaltung der Auflagen des lärmtechnischen Sachverständigen aus dem Lokalinneren (ohne Berücksichtigung des Parkplatzes) weder eine Gesundheitsgefährdung noch eine unzumutbare Belästigung am vorgegebenen Immissionspunkt zu erwarten ist."
Als Immissionspunkt sei im gegenständlichen Gutachten der zweite Stock südöstlich im Haus M 468 (Wohnhaus der Beschwerdeführerin) festgelegt worden. Sowohl dieses Gutachten als auch dessen Zusammenfassung seien im angefochtenen Bescheid angeführt. Es sei zwar richtig, daß vor Bescheiderlassung in dieses Gutachten keine Akteneinsicht mehr gewährt worden sei, aufgrund der Anführung des Gutachtens wäre es der Beschwerdeführerin jedoch ohne weiteres möglich gewesen, in das Gutachten Einsicht zu nehmen. Die Behauptung, der Bescheid sei, ohne die Ergänzungsgutachten des Sachverständigen abzuwarten, erlassen worden, sei jedenfalls unrichtig. Zum Vorbringen, vom gewerbetechnischen Sachverständigen sei festgestellt worden, daß durch den Lüftungsschacht nach wie vor Lärmimmissionen für die Nachbarn zu erwarten seien, wurde ausgeführt, dieses Vorbringen stütze sich auf das Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 18. September 1992, der damals festgestellt habe, daß das Dach über dem Aggregatraum mangelhaft ausgeführt sei, sodaß durch einen ca. 50 x 20 cm großen Spalt zwischen der Hausmauer und dem Abluftkanal Schallemissionen gegeben seien. Diesbezüglich sei vom gewerbetechnischen und vom ärztlichen Sachverständigen am 16. Dezember 1992 festgestellt worden, daß die Verkleidung des Lüftungsaggregates fertiggestellt worden sei. Auch dieser Umstand sei bereits im erstinstanzlichen Bescheid angeführt worden, ganz abgesehen von den bereits angeführten Feststellungen des medizinischen Sachverständigen in seinem Gutachten vom 18. Dezember 1992.
Eine auch dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. Juli 1993 "aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides abgewiesen". Zur Begründung wurde ausgeführt, die Berufungswerberin mache in ihrer Berufung umfangreiche allgemeine Ausführungen über das Betriebsanlagengenehmigungsverfahren und über Verfahrensvorgänge im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren, ohne allerdings dadurch die konkrete Verletzung subjektiver Nachbarrechte darzutun. In der Berufung der Beschwerdeführerin vom 19. Mai 1993 werde darauf hingewiesen, daß das amtsärztliche Gutachten der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 18. Dezember 1992 dem Vertreter der Beschwerdeführerin und auch dieser selbst nie zur Kenntnis gebracht worden sei. Dem werde entgegen gehalten, daß Grundlage dieses Gutachtens unter anderem ein am 11. Dezember 1992 in der Wohnung der Beschwerdeführerin vorgenommener Ortsaugenschein gewesen sei. Schon bei diesem Ortsaugenschein hätte die Beschwerdeführerin die Möglichkeit gehabt, eine entsprechende Stellungnahme abzugeben, welche dann in das Gutachten eingeflossen wäre. Es seien darüberhinaus umfangreiche Schallpegelmessungen vorgenommen worden, die allesamt bewiesen hätten, daß Gefährdnungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1973 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO auf ein zumutbares Maß beschränkt seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legt die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtgenehmigung der Änderung der gewerblichen Betriebsanlage verletzt. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, da der sanitätspolizeiliche Sachverständige im mündlichen Verfahren kein Gutachten abgeben habe können, sei es nach dem AVG durchaus erlaubt, daß dieses Gutachten außerhalb des Verfahrens abgegeben werde, allerdings sei die Bescheiderlassung vor dem Vorliegen dieses Gutachtens rechtswidrig. Der Beschwerdeführerin hätte vor Bescheiderlassung die Möglichkeit der Stellungnahme zum sanitätspolizeilichen Gutachten gegeben werden müssen. Es reiche nicht aus, daß im Bescheid zweiter Instanz dieses Gutachten offensichtlich zum Großteil wiedergegeben worden sei, da die Beschwerdeführerin keine Gelegenheit gehabt habe, dieses Gutachten von einem Sachverständigen ihres Vertrauens überprüfen zu lassen. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin nach wie vor ein unangenehmes Störgeräusch aus der Lüftung, oder einer sonstigen Anlage der Diskothek der mitbeteiligten Partei wahrnehme, wobei ganz offensichtlich auch der sanitätspolizeiliche Sachverständige ein Störgeräusch wahrgenommen habe, allerdings behaupte, daß dies vom Umgebungsgeräusch nicht zu differenzieren sei. Der Sachverständige räume zumindest laut Bescheid des Landeshauptmannes (Seite 3) ein, daß das Geräusch am "Immissionspunkt" als ein typisches Ventilationsgeräusch ohne tonhältige, impulshaltige oder informationshältige Komponenten zu hören sei. In einer allfälligen Stellungnahme der Beschwerdeführerin, die dieser nicht "genehmigt" worden sei, hätte diese vor allem darauf hingewiesen, daß das Störgeräusch nicht notwendig, daher unzumutbar, sei. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin müsse bei derartigen Geräuschen auch auf die Sozialadäquanz derartiger Geräusche abgestellt werden, da es einen Unterschied darstelle, ob eine Lärmbelästigung aus einer Diskothek, also aus einem Vergnügungsbetrieb stamme, oder aus einer Anlage, die für die Gemeinschaft notwendig und auch nützlich sei (beispielsweise Geräusche einer Straßenbahn). Auf diese Frage der sozialen Zumutbarkeit gehe das Gutachten überhaupt nicht ein, die Tatsache, daß der Beschwerdeführerin eine Akteneinsicht nicht gewährt worden sei, werde im Bescheid des Landeshauptmannes jedoch bestätigt. Es möge zwar richtig sein, daß es der Beschwerdeführerin möglich gewesen wäre, in das Gutachten Einsicht zu nehmen, allerdings sei der Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Landeshauptmann gar nicht bekannt gewesen, daß das Gutachten bereits vorliege, es könne nicht ihre Aufgabe sein, immer wieder die Einholung dieses Gutachtens zu urgieren und die Vorlage des Gutachtens durch den Sachverständigen zu kontrollieren. Vielmehr wäre es Aufgabe der Behörde gewesen, die Beschwerdeführerin vor Einlangen des Gutachtens zu benachrichtigen und zur Abgabe einer Stellungnahme aufzufordern.
Dieses Vorbringen ist begründet:
Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1973 - in der hier anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 23/1993 - ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen oder sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen, die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist das Tatbestandselement, ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 zumutbar sind, danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.
Zufolge § 81 Abs. 1 leg. cit. bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, handelt es sich bei der Berurteilung eines Sachverhaltes daraufhin, ob eine Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn (§ 77 Abs. 1 GewO 1973 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Z. 1 leg. cit.) vorliegt, ebenso wie bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Belästigungen der Nachbarn (§ 77 GewO 1973 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit.), um die Lösung einer Rechtsfrage. Das Ergebnis der Beweisaufnahme durch Sachverständige (§ 52 AVG) bildet lediglich ein Element des für die Erlassung des Bescheides "maßgebenden Sachverhaltes" (§§ 37 bis 56 AVG).
Was zunächst das Vorbringen der Beschwerdeführerin betrifft, die Bescheiderlassung vor Vorliegen des Gutachtens des sanitätspolizeilichen Sachverständigen sei rechtswidrig, ist festzuhalten, daß nach der Aktenlage der erstinstanzliche Bescheid erst nach Vorliegen des schriftlichen Gutachtens des medizinischen Sachverständigen erlassen wurde.
Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften weiters vorbringt, es hätte ihr vor Bescheiderlassung die Möglichkeit zur Stellungnahme zum sanitätspolizeilichen Gutachten eingeräumt werden müssen und insofern eine Verletzung des Parteiengehörs geltend macht, wobei es nicht ausreiche, daß im Bescheid zweiter Instanz dieses Gutachten "offensichtlich zum Großteil" wiedergegeben worden sei, da die Beschwerdeführerin keine Gelegenheit gehabt habe, dieses Gutachten von einem Sachverständigen ihres Vertrauens überprüfen zu lassen, ist sie im Recht.
Nach § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
Nach § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zufolge und von der Aktenlage gedeckt, wurde der Beschwerdeführerin im Zuge des Verwaltungsverfahrens das Gutachten des medizinischen Sachverständigen vom 18. Dezember 1992 nicht zur Kenntnis gebracht. Die belangte Behörde vermeint im angefochtenen Bescheid jedoch in Erwiderung eines dahingehenden Berufungsvorbringens, daß Grundlage dieses Gutachtens unter anderem ein am 11. Dezember 1992 in der Wohnung der Beschwerdeführerin vorgenommener Ortsaugenschein gewesen sei und die Beschwerdeführerin die Möglichkeit gehabt hätte, bei diesem Ortsaugenschein eine entsprechende Stellungnahme abzugeben. Von der belangten Behörde wird dabei die Regelung des § 45 Abs. 3 AVG übersehen. Danach geht es eben darum, den Parteien Gelegenheit zu geben, VOM ERGEBNIS DER BEWEISAUFNAHME Kenntnis und DAZU Stellung zu nehmen; nicht aber darum - vor Erstattung der Sachverständigenäußerung - eine "entsprechende" Stellungnahme abzugeben, welche dann in das Gutachten "eingeflossen" wäre.
Nun trifft zwar zu - worauf die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gar nicht Bezug nimmt -, daß die in Frage stehende gutächtliche Äußerung - teilweise - im Bescheid zweiter Instanz wiedergegeben wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt im Falle des Nichtzurkenntnisbringens einer Sachverständigenäußerung (nur) dann keine gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zur Aufhebung des bekämpften Bescheides führende Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehöres vor, wenn der Inhalt des Gutachtens in allen wesentlichen Teilen bereits im unterinstanzlichen Bescheid wiedergegeben wurde und die Partei dadurch die Möglichkeit hatte, im Zuge des Berufungsverfahrens diesem Gutachten wirksam entgegenzutreten (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1984, Zlen. 84/07/0175,0176). Der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG unterliegt nun sowohl der Befund als auch die darauf (als Gutachten) beruhenden sachverhaltsbezogenen Schlußfolgerungen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 11. November 1980, Slg. N.F. Nr. 10.290/A). Ausgehend davon, daß im Bescheid zweiter Instanz lediglich das "Gutachten" (im engeren Sinn) wiedergegeben wurde, und nicht auch der Befund - der alle jene Grundlagen und die Art ihrer Beschaffenheit zu nennen hat, die für das Gutachten, das sich auf den Befund stützende Urteil, erforderlich sind -, war es der Beschwerdeführerin auch nicht möglich, mangels Kenntnis der Prämissen des Gutachtens (im engeren Sinn) diesem durch Beiziehung eines privaten Sachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. In der Beschwerde wird dargetan, daß sie - wäre ihr Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worden - einen Sachverständigen ihres Vertrauens beigezogen hätte; diese Darlegung muß als ausreichend angesehen werden, die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels darzutun. Mehr, daß heißt ein konkreteres Vorbringen kann von der Beschwerdeführerin schon deshalb nicht verlangt werden, da ein solches dem Privatgutachter hätte vorbehalten werden sollen. Daß aber das aus der Nichtgewährung des Parteiengehörs resultierende Fehlen der Möglichkeit, mit Hilfe eines Privatgutachtens das amtsärztliche Gutachten wirksam zu bekämpfen, von Einfluß auf die Entscheidung der belangten Behörde gewesen sein kann, liegt auf der Hand.
Daran vermag auch nichts zu ändern, wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auf § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG verweist, wonach die Behörde sich bei allen (diesen) Verfügungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen hat. Das Recht der Partei gehört zu werden, darf nicht unter Berufung auf die Raschheit und Einfachheit des Verfahrens beeinträchtigt werden (vgl. dazu näher Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 275).
Entgegen der von der mitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift vertretenen Auffassung, war es der Beschwerdeführerin aus den oben dargelegten Gründen eben nicht möglich, in der Berufung gegen den zweitinstanzlichen Bescheid "zum Sachbefund" des sanitätspolizeilichen Sachverständigen eine entsprechende Stellungnahme abzugeben.
Aus den dargelegten Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nichterforderlichen Stempelgebührenaufwand sowie den - im Hinblick auf die gesetzliche Kostenpauschalierung nicht zuzuerkennenden - für Umsatzsteuer geltend gemachten Betrag.
Schlagworte
Gutachten Parteiengehör Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Sachverständigengutachten Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an Beweisaufnahmen Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993040196.X00Im RIS seit
27.11.2000