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50/01 Gewerbeordnung;Norm
BAG 1969 §2 Abs6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde der Kammer für Arbeiter und Angestellte für das Burgenland, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 9. November 1993, Zl. VI/1-1270/1-1993, betreffend Feststellung gemäß § 3a Berufsausbildungsgesetz (mitbeteiligte Partei: J in F), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 9. November 1993 wurde gemäß § 3a Abs. 1 Berufsausbildungsgesetz (BAG) festgestellt, daß der Betrieb des J in F, H-Straße 95, so eingerichtet sei und geführt werde, daß die für die praktische Erlernung im Lehrberuf "Einzelhandelskaufmann" wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse (§ 2 Abs. 6; §§ 2a Abs. 1 und 3 Abs. 1 BAG) dort überwiegend selbst "ausgebildet" werden könnten. Zugleich wurde unter Bezug auf § 2a Abs. 2 BAG festgelegt, daß eine ergänzende Ausbildung für im einzelnen genannte Fertigkeiten und Kenntnisse im jeweils bezeichneten Lehrjahr in einem anderen hiefür geeigneten Betrieb oder einer anderen hiefür geeigneten Einrichtung zu erfolgen habe und die Ausbildung nur bei Erfüllung dieser Auflage zulässig sei. In der Begründung dieses Bescheides traf der Landeshauptmann die Feststellung, der Mitbeteiligte sei Inhaber einer Gewerbeberechtigung für Marktfahrer (Fieranten) "gemäß § 103 Abs. 1 lit. c Z. 13 GewO 1973" (offenbar in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993) am Standort F, H-Straße 98. Der Betrieb umfasse eine Lagerhalle mit ca. 200 m2, welche mit einer Waage ausgestattet sei und einen Marktstand am Wiener Rochusmarkt. Die anfallenden Büroarbeiten würden im Wohnhaus des Mitbeteiligten verrichtet. Zentrale Ausbildungsstätte stelle der Marktstand dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 6 BAG ist die Ausbildung von Lehrlingen nur zulässig, wenn der Betrieb oder die Werkstätte so eingerichtet ist und so geführt wird, daß den Lehrlingen die für die praktische Erlernung im betreffenden Lehrberuf nötigen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden können. Gemäß § 3 Abs. 1 BAG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 23/1993 hat, bevor in einem Betrieb erstmalig Lehrlinge in einem bestimmten Lehrberuf ausgebildet werden sollen, die Lehrlingsstelle festzustellen, ob die im § 2 Abs. 6 angeführten Voraussetzungen für diesen Lehrberuf, allenfalls nach Maßgabe des § 2a, vorliegen. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung gilt die Feststellung, daß die im § 2 Abs. 6 angeführten Voraussetzungen für die Ausbildung in einem bestimmten Lehrberuf vorliegen, nur für den örtlichen Wirkungsbereich der Lehrlingsstelle.
Im Ergebnis zu Recht macht die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die zuletzt zitierte Gesetzesstelle geltend, die im vorliegenden Fall eingeschrittene Erstbehörde habe bei Erlassung ihres Bescheides die Grenze ihres örtlichen Wirkungsbereiches überschritten.
Aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 6 leg. cit., der zwischen "Betrieb" und "Werkstätte" unterscheidet, ergibt sich, daß die Feststellung im Sinne des § 3a Abs. 1 leg. cit. unabhängig von der Struktur des Unternehmens, in dessen Rahmen die Ausbildung des Lehrlings geschehen soll, auf die örtliche betriebliche Einheit abzustellen ist, in der die Ausbildung tatsächlich vollzogen werden soll. Das schließt zwar die Berücksichtigung der Besonderheiten eines Betriebes, die etwa darin gelegen sein können, daß einzelne Tätigkeiten - wie etwa bei einem Montagebetrieb - außerhalb des Betriebes bzw. der Werkstätte vorgenommen werden, nicht aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1985, Zl. 84/04/0034). Ein solcher Fall liegt hier allerdings nicht vor:
Nach den Feststellungen der belangten Behörde wird vom Mitbeteiligten das Gewerbe des Marktfahrers ("Gewerbetreibende, die aus dem Beziehen von Märkten ein eigenes Gewerbe machen"; § 268 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992) nämlich nicht in der Form ausgeübt, daß er von seinem Standort in F aus jeweils verschiedene Märkte beschickt, sondern die Verkaufstätigkeit erfolgt offensichtlich ständig von einem fix bestehenden Marktstand in Wien aus, wobei dieser nach den Feststellungen der belangten Behörde im Rahmen des verfahrensgegenständlichen Lehrbetriebes die "zentrale Ausbildungsstätte" darstellt.
Da nach dem letzten Satz des § 3a BAG die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 leg. cit. nur für den örtlichen Wirkungsbereich der Erstbehörde gilt, war es daher verfehlt, wenn im vorliegenden Fall die belangte Behörde auch diesen in Wien gelegenen Marktstand in ihre Beurteilung einbezog.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994040001.X00Im RIS seit
20.11.2000