TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/25 94/20/0091

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Veröffentlicht am 25.05.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 94/20/0073 E 10. Oktober 1994 94/20/0115 E 21. Juni 1994 94/20/0117 E 21. Juni 1994 94/20/0142 E 21. Juni 1994

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des D in A, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Mai 1993, Zl. 4.329.615/2-III/13/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit des Asylwesens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg hatte mit Bescheid vom 14. Februar 1992 den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft abgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. Mai 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück. Begründend führte sie aus, der gegen den am 2. März 1992 zugestellten erstinstanzlichen Bescheid (rechtzeitig) am 16. März 1992 erhobenen Berufung mangle es an dem in § 63 Abs. 3 AVG normierten Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages. Die Nachreichung eines solchen Antrages sei erst am 22. März 1992, also nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgt, weshalb die Berufung als verspätet zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene, am 16. März 1992 zur Post gegebene Berufung weist nachstehende wesentliche Passagen auf:

"Wenn es in der Begründung heißt, daß ich in meinem Heimatstaat nicht aus einem der im Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Verfolgung erlitten habe oder eine solche befürchten müßte, so entspricht dies nicht den Tatsachen.

Die näheren Gründe für meine Berufung kann ich noch nicht ausführen, weil ich derzeit keinen Dolmetscher erreichen kann. Ich werde die Gründe jedoch binnen 14 Tagen bekanntgeben."

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Strittig und von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Beschwerde ist im vorliegenden Fall die Frage, ob die oben wiedergegebene Berufung einen begründeten Berufungsantrag enthält. Als Berufung ist eine Eingabe nur dann anzusehen, wenn ihr entnommen werden kann, daß der bezeichnete Bescheid angefochten wird, d.h. daß die Partei mit der Erledigung der erkennenden Behörde nicht einverstanden ist, und daß aus ihr ersichtlich ist, aus welchen Erwägungen die Partei die Entscheidung der Behörde bekämpft. Das Gesetz verlangt somit nicht nur einen Berufungsantrag, sondern darüber hinaus seine Begründung, d.h. Ausführungen, aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft wird.

Im Beschwerdefall kann entgegen der Ansicht der belangten Behörde der Berufung des Beschwerdeführers entnommen werden, worin er die Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Bescheides erblickt. So ergibt sich aus der zwar knappen Formulierung dieses Rechtsmittels, daß der Beschwerdeführer die Beurteilung der von ihm geltend gemachten Fluchtgründe durch die Behörde erster Instanz bzw. die im erstinstanzlichen Bescheid zum Ausdruck gekommene Auffassung, der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung erlitten, bekämpft. Damit ist aber klar, gegen welchen Bescheid sich der Beschwerdeführer wendet und aus welchen Gründen er dessen Unrichtigkeit behauptet. Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, bereits auf Grund der am 16. März 1992 erhobenen Berufung vom Vorliegen eines begründeten Berufungsantrages auszugehen. Daraus folgt, daß sie die erst nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgte Nachreichung einer weiteren Begründung der Berufung nicht hätte zum Anlaß nehmen dürfen, die Berufung als verspätet zurückzuweisen. Vielmehr wäre sie verpflichtet gewesen, das Rechtsmittel des Beschwerdeführers einer Sachentscheidung zuzuführen.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtlage dies unterlassen hat und mit Zurückweisung vorgegangen ist, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Ersatz von Stempelgebühren nur im gesetzlich erforderlichen Ausmaß auferlegt werden kann.

Schlagworte

Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994200091.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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