TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/25 94/20/0095

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Veröffentlicht am 25.05.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
ZustG §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Mai 1993, Zl. 4.331.416/2-III/13/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Asylwesens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 6. März 1992, mit dem festgestellt worden war, beim Beschwerdeführer lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtlinge nicht vor, mit Berufung bekämpft.

Mit Bescheid vom 26. Mai 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich insbesondere in seinem Recht auf Wahrung des Parteiengehörs verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid damit begründet, daß der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer am 11. März 1992 zugestellt worden sei. Die zweiwöchige Berufungsfrist sei daher am 25. März 1992 abgelaufen. Da der Beschwerdeführer die Berufung erst am 26. März 1992 eingebracht habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, die von der belangten Behörde angenommene Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides sei nicht am 11. März 1992 erfolgt, sondern erst am darauffolgenden Tag, was sich aus einem auf dem - der Beschwerde in Ablichtung beigelegten - Kuvert dieses Bescheides angebrachten Vermerk ergebe, in dem der zweite Zustellversuch für den 12. März 1992 angekündigt werde. Die Übernahmsbestätigung sei daher unrichtig datiert worden. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, dem Beschwerdeführer in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit zur Stellungnahme und somit zum Nachweis des tatsächlichen Zeitpunktes der Zustellung zu bieten.

Der in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten enthaltene Rückschein (Formular 3 zu § 22 des Zustellgesetzes) mit dem die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer bescheinigt wird, weist in der Rubrik "Übernahmsbestätigung" das Datum "11. 3. 92" und die eigenhändige Unterschrift des Beschwerdeführers auf. Richtig ist, daß in diesem Formular als Datum des ersten Zustellversuches bzw. der Ankündigung eines zweiten Zustellversuches ebenfalls der "11" aufscheint und daß darin weiters das Einlegen der Ankündigung eines zweiten Zustellversuches in den Briefkasten beurkundet ist. Wohl erweist sich der aus diesem Umstand vom Beschwerdeführer gezogene Schluß, die tatsächliche Übernahme des Schriftstückes, dessen Zustellung an diesem Tag versucht worden war, könne nicht am selben Tag erfolgt sein, nicht als zwingend, weil der Beschwerdeführer die ihm zugekommene Verständigung über den ersten Zustellversuch durchaus zum Anlaß genommen haben könnte, noch am selben Tag die Sendung beim Zustellpostamt zu beheben. Den Verwaltungsakten ist aber zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid angegeben hat, dieser sei ihm am 12. März 1992 zugestellt worden. Mit diesem Berufungsvorbringen hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt, sondern sie hat, ausgehend von dem im Rückscheinformular als Übernahmszeitpunkt angeführten Datum, die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung als verspätet für gegeben erachtet.

Beim gegebenen Sachverhalt wäre es aber Aufgabe der belangten Behörde gewesen, den Beschwerdeführer über den tatsächlichen Zeitpunkt der Übernahme des erstinstanzlichen Bescheides, der nach der Aktenlage strittig geblieben ist, zu befragen bzw. sonstige geeignet erscheinende Erhebungen zur Ermittlung des tatsächlichen Zustellzeitpunktes anzustellen.

Gemäß der hg. Judikatur trägt die Berufungsbehörde das Risiko der Aufhebung des Bescheides, wenn sie dem Berufungswerber die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist nicht zur Stellungnahme vorhält (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Eisenstadt 1990, S. 499, zitierte Judikatur). Dadurch, daß die belangte Behörde von der Einholung einer derartigen Stellungnahme des Beschwerdeführers bzw. von der Durchführung entsprechender Ermittlungen - deren Ergebnisse dem Parteiengehör zu unterziehen gewesen wären - abgesehen hat, hat sie ihren Bescheid mit einem Verfahrensmangel belastet. Dieser erweist sich angesichts des offenkundigen Mißlingens des ersten Zustellversuches und der dokumentierten Ankündigung eines zweiten Zustellversuches für den "12. 3. 92" sowie des Umstandes, daß dann, wenn die Angaben des Beschwerdeführers zutreffen, die Berufungsfrist gewahrt wäre, als wesentlich, sodaß nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994200095.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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