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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §1380;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der B Bauträgergesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 19. August 1992, Zl. Jv 864-33/92, betreffend Gerichtsgebühren (Pauschalgebühr), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin war Klägerin im Verfahren 11 Cg 15/90 des Handelsgerichtes Wien, sie entrichtete die Pauschalgebühren nach Maßgabe des Streitwertes bis zur Verhandlung vom 6. Juli 1990 in Höhe von S 34.823,--. Mit Beschluß vom 2. März 1990 erfolgte eine Verbindung mit dem Verfahren 37 Cg 276/89 (Streitwert S 200.430,23); führend blieb der Akt 11 Cg 15/90. Im Protokoll der Verhandlung vom 6. Juli 1990 heißt es u.a.:
"Die Anwesenden schließen nunmehr folgendes
ÜBEREINKOMMEN :
1. Die A HotelbetriebsGes.m.b.H. verpflichtet sich, ihre 99 % Geschäftsanteile an der H Ges.m.b.H. an RA Erhardt Y und Raimund X oder an eine von diesen zu nennende natürliche oder juristische Person um einen Schilling abzutreten.
Die übernehmenden Gesellschafter verpflichten sich, daß die
A Hotelbetriebsges.m.b.H. aus der Haftung gegenüber der CA-BV betreffend das Darlehen in Sachen Grand Hotel H in Höhe von circa S 18,6 Millionen entlassen wird und die
A Hotelbetriebsges.m.b.H. schad- und klaglos gehalten wird.
2. Frau Barbara Y und Herr Raimund X verpflichten sich, ihre Geschäftsanteile an der A Hotelbetriebsges.m.b.H. an Frau Ruth Z oder an eine von ihr zu nennende natürliche oder juristische Person Zug um Zug gegen Zahlung des Betrages von
S 15 Millionen abzutreten.
Herr Raimund X verpflichtet sich weiters, seine Optionsrechte aus dem Syndikatsvertrag, abgeschlossen zwischen der "D-Bank" und der "A Hotelbetriebsges.m.b.H." an Frau Ruth Z oder an eine von ihr zu nennende natürliche oder juristische Person ohne weiteres Entgelt abzutreten.
3. Die Eheleute Barbara und RA Erhardt Y verpflichten sich, ihre Geschäftsanteile an der B Bauträger Ges.m.b.H. und an der
B Bauträger Ges.m.b.H. & Co KG mit Sitz in G, Bayern, an Frau Ruth Z oder an eine von ihr zu nennende natürliche oder juristische Person Zug um Zug gegen Zahlung von S 8 Millionen abzutreten.
Der oder die übernehmenden Gesellschafter verpflichten sich, dafür zu sorgen, daß die Eheleute Barbara und RA Erhardt Y aus sämtlichen persönlichen Haftungen und Verpflichtungen entlassen werden und verpflichten sich, die Genannten für den Fall der Inanspruchnahme von wen immer schad- und klaglos zu halten.
4. Die wechselseitigen Abtretungen erfolgen jeweils mit Stichtag 6. Juli 1990.
5. Die Geschäftsführer Erhardt Y und Raimund X verpflichten sich, bis 18. Juli 1990 zu Handen Dris. S über die
P BetriebsgesmbH und die A Hotelbetriebsges.m.b.H. S einen Status zum Stichtag 6. Juli 1990 zu erstellen (gemeint offenbar: ... zu Handen Dris. S einen Status über die Hotel P BetriebsgesmbH und die A Hotelbetriebsges.m.b.H. zum Stichtag ...) und zu überreichen.
6. Die Parteien vereinbaren vorerst zeitliches Ruhen sämtlicher Zivilprozesse in Österreich, wobei das zeitliche Ruhen bei Nichtfortsetzung nach Ablauf des vierten Monats in ein Ewiges Ruhen bei Kostenaufhebung gehen soll. Die beiden anhängigen Privatanklageverfahren werden zurückgezogen, in bis heute anhängigen weiteren allfälligen Offizialverfahren wird vom jeweils Verletzten die Erklärung abgegeben, an einer weiteren Strafverfolgung nicht interessiert zu sein.
Die Kostenaufhebung bedeutet, daß jede natürliche Person den von ihr beauftragten Rechtsanwalt bezahlen soll.
7. Die B Bauträger Ges.m.b.H. und die
A Hotelbetriebs-Ges.m.b.H. gestatten der H Ges.m.b.H. bis 31.8.1995 die Bezeichnung "A" in ihrem Geschäftsverkehr für dieses Hotel zu verwenden.
8.
...
9.
Mit Erfüllung dieses Übereinkommens sind sämtliche weschselseitigen Ansprüche zwischen den Beteiligten hier unter Einschluß der von RA Dr. S hiemit auch vertretenen
M Hotelbetrieb & ManagementberatungsGes.m.b.H. bereinigt. Dies gilt auch für die nunmehr gleichfalls auch von RA Dr. S vertretenen Firmen B Bauträger Ges.m.b.H. und
B Bauträger Ges.m.b.H. & Co KG mit Sitz in G, Bayern.
10. In den heutigen Verfahren wird Ruhen vereinbart."
Ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 41,710.000,-- schrieb der Kostenbeamte mit Zahlungsauftrag vom 9. Juni 1992 restliche Pauschalgebühren in Höhe von S 387.477,-- vor. In ihrem Berichtigungsantrag machte die Beschwerdeführerin geltend, daß in dieser Verhandlung kein Vergleich geschlossen, sondern lediglich eine vergleichsweise Lösung zwischen den Streitteilen erörtert und schriftlich festgehalten worden sei. Diese lediglich außerprozessualen Erklärungen der am Verfahren beteiligten bzw. neu hinzutretenden Parteien seien am 30. August 1990 durch notarielle Abtretungsverträge, gerichtliche Vergleiche und Vertragsvereinbarungen, die alle ordnungsgemäß vergebührt worden seien, durchgeführt worden. Allenfalls sei am 6. Juli 1990 ein prätorischer Vergleich abgeschlossen worden. Sollte dieses Verhandlungsprotokoll als Vergleich behandelt werden, so müßten die entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von S 310.435,30 in jenen
13 Zivilprozessen vor dem Handelsgericht Wien, welche mitverglichen wurden, zur Anrechnung gelangen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag keine Folge. Es sei unerheblich, ob ein Vergleich als Übereinkommen, Vereinbarung oder ähnliches bezeichnet werde. Der Umstand, daß ein exekutionsfähiger Titel nicht geschaffen worden sei, könne an der Gebührenpflicht nichts ändern. Ein prätorischer Vergleich könne nur außerhalb eines Verfahrens abgeschlossen werden. Eine Aufrechnung mit einzelnen anhängig gewesenen Klagen sei nicht möglich, da im Übereinkommen eine konkrete Zuordnung der einzelnen Vergleichspunkte zu den einzelnen anhängigen Akten fehlt. Die Bemessungsgrundlage von S 41,710.000,-- habe sich anhand der Vergleichspunkte wie folgt ergeben:
Punkt 1. 18,6 Millionen
Punkt 2. 15 Millionen und 30.000,-- (Verpflichtung von Raimund X)
Punkt 3. 8 Millionen
Punkt 5. 30.000,--
Punkt 7. 50.000,-- (§ 17 GGG - Zweifelsstreitwert).
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und "mangelnder Sachverhaltsfeststellung" begehrt wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf richtige, nicht überhöhte Gebührenvorschreibung verletzt.
Die belangte Behörde legte die Gerichts- und Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 18 Abs. 1 Gerichtsgebührengesetz, BGBl. Nr. 501/1984 (GGG) bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Nach der Vorschrift des Abs. 2 Z. 2 dieser Gesetzesstelle tritt hievon u.a. folgende Ausnahme ein:
Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.
Der gerichtliche Vergleich ist einerseits ein zivilrechtliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 1380 ABGB andererseits ist er eine Prozeßhandlung, die in der Protokollierung und Beurkundung des Vergleichsinhaltes in allenfalls vollstreckbarer Form besteht (hg. Erkenntnis vom 7. Mai 1987, Zl. 86/16/0031 mwN). Im vorliegenden Fall haben die Prozeßparteien und die an ihnen gesellschaftsrechtlich beteiligten Personen beschlossen, den gegenständlichen, über Personal- und Sachaufwand geführten Abrechnungsprozeß vor Ergehen einer Gerichtsentscheidung dahingehend zu beenden, daß die personellen Verflechtungen durch Trennung der Anteile der Gesellschaftergruppen "Z" einerseits und "Y-X" andererseits beseitigt wurden. Dabei galt es vor allem, strittige Bewertungsfragen zu lösen, wie aus dem Fortsetzungsantrag vom 17. Jänner 1990, GZ 11 Cg 15/90-11, eindeutig hervorgeht:
"... beantragt die klagende Partei, nachdem die Vergleichsgespräche gescheitert sind, weil die Gegenseite sich auf ein Sachverständigengutachten zur Bewertung der wechselseitigen Geschäftsanteile, welche im Zuge der letzten Verhandlung vorgeschlagen wurde, nicht einigen konnte, die Fortsetzung des Verfahrens ...".
Mit dem vorliegenden Übereinkommen wurde nicht nur die Trennung verwirklicht, sondern wurden auch diese Bewertungsfragen gelöst, was in der Bezifferung der Gegenleistungen bzw. Haftungsübernahmen seinen Niederschlag fand. In den der Vergebührung unterzogenen Punkten 1 bis 5 befindet sich das Verbum "verpflichtet sich", im Punkt 7:
"gestattet", womit dem Erfordernis eines gebührenpflichtigen gerichtlichen Vergleiches, der Vergleichsinhalt müsse eine Verfügung über materielle Rechte enthalten (hg. Erkenntnis vom 22. April 1985, 84/15/0138, AnwBl. Nr. 2.325, mwN) vollinhaltlich Rechnung getragen. Es kann keine Rede davon sein, wie die Beschwerdeführerin meint, daß im Protokoll lediglich festgehalten worden sei, welche Verfügungen die einzelnen im Protokoll genannten Personen zu treffen gedenken.
Die in den Punkten 1 bis 3 gewählte Formulierung,
"verpflichtet(en) sich, am ... oder an eine von ihr/diesen
genannte natürliche oder juristische Person ... abzutreten",
macht deutlich, daß der Streit zwischen den
Gesellschaftergruppen beendet wurde, allerdings die
gruppeninterne Neuzuteilung der Anteile noch offen blieb. In
den vorgelegten prätorischen Vergleichen zu den Punkten 1 und 3
bzw. Notariatsakten zum Punkt 2 des Vergleiches erfolgte dann
die Klarstellung, wer Übernehmer sei.
Abgesehen davon, daß im zuletzt zitierten Erkenntnis auch ausgesprochen wurde, es sei unmaßgeblich, ob der im Vergleich geschaffene Titel exekutionsfähig sei oder nicht, kann das Erfordernis einer streitbeendenden Wirkung des Vergleiches nicht allein an die formale Prozeßbeendigung geknüpft werden. Insbesondere bleibt es der Disposition der Parteien überlassen, ob sie die Verwirklichung des im Vergleich zum Ausdruck gebrachten Vertragswillens durch eine Widerrufsmöglichkeit (also durch Abschluß eines "bedingten" Vergleiches) oder durch eine mittels Ruhensvereinbarung geschaffene Fortsetzungsmöglichkeit sichern wollen. Denkbar ist ja auch die Erstreckung der Verhandlung auf einen bestimmten Termin, der nach zwischenzeitiger Erfüllung unbesucht bleiben soll. Wesentlich ist allein die gerichtlich protokollierte Vereinbarung, die eine Verfügung über materielle Rechte enthält und zum Zweck der Beendigung des Rechtsstreites (siehe die Definition des Vergleiches bei Fasching, Lehrbuch des Zivilprozeßrechtes2, RZ 1324) getroffen wurde.
Daß zunächst ein bedingt abgeschlossener, in der Folge nicht widerrufener Vergleich nach alter Rechtslage die Vergleichsgebühr auslöste, entsprach der einhelligen Rechtsprechung (siehe die Nachweise bei Tschugguel-Pötscher, Die Gerichtsgebühren4, 42); an der gerichtsgebührenrechtlichen Erheblichkeit eines solchen Vergleiches nach Maßgabe des § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG hat sich nichts geändert. Solange die beschriebenen Merkmale eines Vergleiches vorliegen, kann die Ausschöpfung der den Parteien eingeräumten Gestaltungsmöglichkeiten des Prozeßrechtes auf die Gebührenbemessung keinen Einfluß haben.
Ob in der Folge weitere Vereinbarungen, auch in Form prätorischer Vergleiche, geschlossen wurden, ist für die Gebührenbemessung, die allein an eine durch den Vergleich vorgenommene Streitwerterhöhung in einem konkreten Verfahren anknüpft, ohne Belang. Im übrigen gilt der Formzwang bei Übertragung von Geschäftsanteilen (grundsätzlich Notariatsakt, aber auch gerichtlicher Vergleich; siehe Reich-Rohrwig, Das Österreichische GmbH-Recht, 628 mwN) auch für die schuldrechtliche Verpflichtung zu künftigen Übertragungen von Geschäftsanteilen (Reich-Rohrwig aaO, 626, mwN).
Daß kein prätorischer Vergleich vorgelegen sei, räumt die Beschwerdeführerin zunächst selber ein, wenn sie auch in der Folge meint, es läge "jedenfalls" ein prätorischer Vergleich vor. Daß ein vor dem Gerichtshof nach mehreren Streitverhandlungen abgeschlossener Vergleich kein Vergleich nach § 433 ZPO sein kann, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung; diese Bestimmung kann auch nicht als Auffangtatbestand etwa für den Fall, daß ein Vergleich nicht als "Vergleich" sondern als "Übereinkommen" bezeichnet wird, herangezogen werden.
Die Beschwerdeführerin zählte im Berichtigungsantrag 13, in der Beschwerde 14 Zivilprozesse vor dem Handelsgericht Wien auf, die alle im Sinne des Punktes 6 des Vergleiches "mitverglichen" worden seien, sodaß die dortige Pauschalgebühr zur Anrechnung gelangen müsse.
§ 18 GGG regelt, wie auch aus der Überschrift hervorgeht, Wertänderungen; die Regelbestimmung ist § 18 Abs. 1 GGG, wonach die Bemessungsgrundlage für DAS VERFAHREN (also ein bestimmtes Verfahren) gleich bleibt. Abs. 2 dieser Bestimmung nennt Ausnahmen, wobei die Z. 2 die Klagserweiterung neben den Vergleich mit einer das Klagebegehren übersteigenden Leistung stellt. Der letzte Halbsatz des § 18 Abs. 2 Z. 2 sieht vor, daß die bereits entrichtete Pauschalgebühr (also nicht etwa: "Pauschalgebühren") einzurechnen sei. Die Einrechnung einer bereits entrichteten Pauschalgebühr kann also nur in jenem Verfahren erfolgen, in welchem einer der Ausnahmstatbestände des Abs. 2 des § 18 eingetreten ist. Das ist im vorliegenden Fall das Verfahren 11 Cg 15/90 und das damit verbundene Verfahren 37 Cg 276/89. Hinsichtlich dieser beiden Verfahren trat eine "Streitwertänderung" durch den Vergleich ein, sodaß nach Neuberechnung die bereits entrichteten Pauschalgebühren abzuziehen sind. Für die Einrechnung der Pauschalgebühren aus anderen Verfahren, die nicht mitverbunden wurden, bietet
§ 18 GGG aber keine Handhabe.
Nur soweit die belangte Behörde hinsichtlich des auch im Berichtigungsantrag genannten verbundenen Verfahrens 37 Cg 276/89 des Handelsgerichtes Wien eine Anrechnung der entrichteten Pauschalgebühr nicht vornahm, belastete sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992160158.X00Im RIS seit
24.10.2001Zuletzt aktualisiert am
11.09.2009