TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/31 94/11/0056

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Veröffentlicht am 31.05.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §6 Abs1;
AVG §61 Abs4;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf, sowie die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 23. Dezember 1993, Zl. 421.347/2-I/10/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Kraftfahrwesens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 28. Jänner 1993 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B für die Dauer von 6 Monaten vorübergehend entzogen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.

Mit Schreiben vom 1. Juni 1993 beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 2 AVG den Übergang der Entscheidungspflicht über seine Vorstellung auf den Landeshauptmann von Tirol. Mit Bescheid vom 11. August 1993 gab diese Behörde der Vorstellung keine Folge und wies (unter Punkt 2 des Spruches) zwei weitere mit der Vorstellung verbundene Anträge (auf Bestätigung des Außerkrafttretens des Mandatsbescheides sowie auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Vorstellung) "implizit" ab. Der Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, daß gegen ihn beim Amt der Tiroler Landesregierung oder beim Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr Berufung eingebracht werden könne.

Der Beschwerdeführer brachte bei der belangten Behörde eine Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. August 1993 ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unzulässig zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 5. Jänner 1994 berichtigte der Landeshauptmann von Tirol seinen Bescheid vom 11. August 1993 "gemäß § 68 Abs. 2 AVG.... von Amts wegen in der Weise, als daß der Spruchpunkt Nr. 2 zu entfallen hat". Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, über die nach der Aktenlage noch nicht entschieden worden ist.

Des weiteren hat der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in Ansehung des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. August 1993 eingebracht. Dieser Antrag wurde vom Landeshauptmann mit Bescheid vom 19. Jänner 1994 abgewiesen. Auch über die dagegen erhobene Berufung wurde nach der Aktenlage bisher nicht entschieden.

In seiner gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründet die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. August 1993 damit, daß sie gemäß § 123 Abs. 1 KFG 1967 "im Verfahren zur Entziehung von Lenkerberechtigungen als Rechtsmittelbehörde nicht eingebunden" sei. Da die Rechtsmittelbelehrung insoferne unrichtig gewesen sei, habe der Beschwerdeführer die Möglichkeit, beim Verwaltungsgerichtshof die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist zu beantragen.

Gemäß § 123 Abs. 1 KFG 1967 i.d.F. des Art. IV des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 452/1992 ist für die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Amtshandlungen, sofern darüber nichts anderes bestimmt ist, in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese, und in zweiter Instanz der Landeshauptmann zuständig. Bei Bescheiden, mit denen für die Dauer von mindestens fünf Jahren eine Lenkerberechtigung entzogen oder das Recht, von einem ausländischen Führerschein Gebrauch zu machen, aberkannt wird, entscheiden über Berufungen gegen Bescheide des Landeshauptmannes die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern. Entscheidet der Landeshauptmann in erster Instanz, haben über dagegen eingebrachte Berufungen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern zu entscheiden.

Die belangte Behörde ist insoweit im Recht, als die dem Bescheid vom 11. August 1993 beigegebene Rechtsmittelbelehrung in Ansehung der Angabe des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr als Einbringungsstelle der Berufung unrichtig ist. Im übrigen aber, nämlich hinsichtlich der Konsequenzen dieser Unrichtigkeit, hat sie die Rechtslage verkannt. Der Beschwerdeführer weist zutreffend auf § 61 Abs. 4 AVG als jene Bestimmung hin, die hätte zum Tragen kommen müssen. Danach gilt eine Berufung, wenn sie bei einer unrichtigerweise in der Rechtsmittelbelehrung angegebenen Behörde eingebracht wurde, als richtig eingebracht. Das hat jedenfalls die Rechtswidrigkeit der Zurückweisung der Berufung zur Folge. Die als richtig eingebrachte Berufung wäre von der belangten Behörde an eine Behörde weiterzuleiten gewesen, die als richtige Einbringungsstelle anzugeben gewesen wäre, also entweder an den - in der Rechtsmittelbelehrung zutreffend angeführten - Landeshauptmann von Tirol oder an die zur Entscheidung über die Berufung zuständige Behörde, den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol. Der angefochtene Bescheid ist daher inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Daran vermögen auch die Ausführungen der belangten Behörde nichts zu ändern, weil sie nicht von der entscheidenden Prämisse ausgehen, daß es sich um eine richtig eingebrachte Berufung gehandelt habe. Es handelte sich dabei jedenfalls um keinen Fall, in dem eine Zurückweisung des Anbringens rechtens ist.

Die der unzuständigen Behörde durch § 6 AVG eingeräumte Möglichkeit einer Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Behandlung des Anbringens besteht bei einer im Sinn des § 61 Abs. 4 AVG als richtig eingebracht geltenden Berufung nicht.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil für die überflüssige dritte Ausfertigung der Beschwerde kein Stempelgebührenersatz zugesprochen werden konnte.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Verhältnis zu anderen Materien und Normen AVG Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen Zurückweisung wegen Unzuständigkeit Weiterleitung an die zuständige Behörde auf Gefahr des Einschreiters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994110056.X00

Im RIS seit

24.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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