TE Vfgh Erkenntnis 1991/12/12 B144/90

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Veröffentlicht am 12.12.1991
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Feststellung der Gesetzwidrigkeit des letzten Halbsatzes des §9 RL-BA 1977 mit E v 16.10.91, V60/91.

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei die mit S 12.000,-- verzeichneten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt. Des weiteren ist er Zivilingenieur; als solcher ist er nach §2 des Ziviltechnikergesetzes berechtigt, die Berufsbezeichnung "Zivilingenieur" zu führen.

2.1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 18. November 1988 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, gegen die Berufsbezeichnungsvorschrift des §9 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (RL-BA 1977), kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 14. Dezember 1977, verstoßen zu haben, weil er

"zwei bis drei Jahre hindurch im Kopfe seines innerhalb seiner anwaltlichen Berufstätigkeit verwendeten Briefpapieres seiner Berufsbezeichnung 'Rechtsanwalt' die weitere Berufsbezeichnung 'Staatlich beeideter und befugter Zivilingenieur für Elektrotechnik', zusätzlich mit dem Signum 'ZT' und mit dem Bundessiegel angefügt"

habe. Er wurde hiefür gemäß §12 Abs1 lita DSt 1872 zur Strafe des schriftlichen Verweises verurteilt.

2.2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde von der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom 20. November 1989, Z Bkd 27/89-10, nicht Folge gegeben.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß §9 RL-BA 1977 den Rechtsanwalt verpflichte, in Ausübung seines Berufes seinen vollen Namen, seinen akademischen Grad und die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt zu führen, und ihm ausdrücklich die Verwendung einer weiteren Berufsbezeichnung versage. "Hieran vermag auch der Hinweis des Disziplinarbeschuldigten auf andere Rechtsanwälte, die möglicherweise gleichfalls zusätzliche, unerlaubte Berufsbezeichnungen führen, nichts zu ändern, weil die Verletzung einer Vorschrift nicht dadurch straflos werden kann, wenn sie auch andere begehen."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit der Erwerbsausübung und der freien Berufswahl sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung geltend gemacht werden und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde begehrt.

5. Aus Anlaß dieses Beschwerdefalles hat der Verfassungsgerichtshof die Gesetzmäßigkeit des letzten Halbsatzes des §9 RL-BA 1977 idF des Beschlusses des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages vom 8. Oktober 1977 von Amts wegen geprüft.

Mit Erkenntnis vom 16. Oktober 1991, V60/91, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß der letzte Halbsatz des §9 RL-BA 1977 idF des Beschlusses des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages vom 8. Oktober 1977 gesetzwidrig war.

6. Die belangte Behörde hat eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10303/1984, 10515/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.000,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B144.1990

Dokumentnummer

JFT_10088788_90B00144_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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