TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/31 94/11/0051

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Veröffentlicht am 31.05.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §63 Abs3;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §74 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 20. Dezember 1993, Zl. 11-39 Ko 62-1993, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Kraftfahrwesens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit (Vorstellungs-)Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 28. Oktober 1993 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 die Lenkerberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für drei Monate (für die Zeit vom 30. August bis 30. November 1993) vorübergehend entzogen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung. In der Berufung wurden die Zahl und das Datum des erstinstanzlichen Bescheides vom 28. Oktober 1993 angeführt und die Begehung der diesem Bescheid zugrundeliegenden Übertretung bestritten. Der Beschwerdeführer, der sich in diesem Schriftsatz als Beschuldigter bezeichnete, stellte den Berufungsantrag, "der Berufung Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und das gegen ihn eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 VStG einzustellen".

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1993 wies der Landeshauptmann von Steiermark die Berufung gemäß § 63 Abs. 3 AVG mangels begründeten Berufungsantrages zurück.

In der Begründung wurde nach Hinweis auf § 63 Abs. 3 AVG ausgeführt, aus der Berufung sei nicht zu erkennen, daß sich diese gegen den Inhalt des Bescheides vom 28. Oktober 1993 richte. Dies ergebe sich auch daraus, daß die Einstellung des Verfahrens gemäß § 45 VStG beantragt werde. Es liege somit kein begründeter Berufungsantrag vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsmittel einen begründeten Antrag enthält, ist entscheidend, ob aus ihm zumindest erkennbar ist, aus welchen - wenn auch vielleicht nicht stichhältigen - Gründen der Bescheid bekämpft wird. Durch die genannte Gesetzesstelle soll erreicht werden, daß die Berufungsbehörde der Eingabe, mit der gegen die Entscheidung der Unterbehörde ein Rechtsmittel erhoben wird, entnehmen kann, was mit dem Verfahrensschritt nach Absicht der Partei bezweckt wird. Die Partei hat darzutun, was sie anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1986, Zl. 85/11/0229, mwN).

Diesen Erfordernissen genügte die gegenständliche Berufung. Der in der Berufung verwendeten Terminologie ("Beschuldigter", "Verwaltungsstrafsache", "Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens") kann entnommen werden, daß der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer der Auffassung war, bei dem die Entziehung der Lenkerberechtigung betreffenden Verfahren handle es sich um ein Verwaltungsstrafverfahren. Die Entziehung der Lenkerberechtigung ist jedoch keine Strafe sondern eine Verwaltungsmaßnahme, wenn sie auch in ihrer Wirkung von demjenigen, der davon betroffen ist, subjektiv als Strafe empfunden wird. Die auf Grund dieses Rechtsirrtums verwendeten verfehlten Ausdrücke rechtfertigten jedoch nicht den von der belangten Behörde gezogenen Schluß, es sei nicht zu erkennen, daß sich die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 28. Oktober 1993 richte. Die Berufung enthält die Angabe des Datums und der Zahl des angefochtenen Bescheides, sodaß es keinem Zweifel unterliegen konnte, wogegen der Beschwerdeführer Berufung erhoben hat.

Die Berufung enthält den Antrag, den erstinstanzlichen Bescheid vom 28. Oktober 1993 ersatzlos zu beheben, woraus erkennbar ist, daß der Beschwerdeführer damit die vollständige Beseitigung des erstinstanzlichen Bescheides anstrebte. Das in der Berufung enthaltene Vorbringen, in dem der Beschwerdeführer die Begehung der ihm zur Last gelegten Übertretung bestreitet, enthält die Gründe, aus welchen der Bescheid angefochten wird. Der Beschwerdeführer bekämpfte damit das Vorliegen jener bestimmten Tatsache, auf die die erstinstanzliche Behörde die Entziehung der Lenkerberechtigung gegründet hatte (siehe zum Ganzen das einen vergleichbaren Fall betreffende hg. Erkenntnis vom 18. April 1989, Zl. 89/11/0003).

Durch die rechtswidrige Zurückweisung der Berufung hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Sachentscheidung über seine Berufung verletzt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994110051.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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