TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/31 92/11/0242

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Veröffentlicht am 31.05.1994
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Index

L94406 Krankenanstalt Spital Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

KAG Stmk 1957 §3 idF 1991/043;
KAG Stmk 1957 §4 idF 1991/043;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter in Wien, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 25. Juni 1992, Zl. 12-87 Ga 7/9-1992, betreffend Bewilligung der Errichtung eines Zahnambulatoriums (mitbeteiligte Parteien: 1) Ärztekammer für Steiermark in Graz und 2) Österreichische Dentistenkammer in Wien, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist schuldig, den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Juni 1992 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 30. August 1991 auf Bewilligung der Errichtung eines Zahnambulatoriums an einem näher genannten Standort in Graz gemäß den Bestimmungen der §§ 3 und 4 des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes, LGBl. "Nr. 57/1978" (gemeint wohl: Nr. 78/1957), in der Fassung LGBl. Nr. 43/1991, mangels Bedarfes abgewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 28. September 1992, B 1031/92, die Behandlung der dagegen an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit auf Grund Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift jedoch nicht erstattet. Die mitbeteiligten Parteien beantragen in ihrer gemeinsam erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 1992, G 198/90 und 31 andere, wurden (unter anderem) die Bestimmungen der §§ 3 Abs. 2 lit. a, 3 Abs. 3 erster Satz und 4 Abs. 2 des Gesetzes vom 29. Oktober 1957, LGBl. für die Steiermark Nr. 78/1957, als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof sprach aus, daß die Aufhebung mit Ablauf des 31. Jänner 1993 in Kraft trete und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit träten, ferner, daß die aufgehobenen Bestimmungen auch auf jenen Sachverhalt nicht mehr anzuwenden seien, der den vom Verwaltungsgerichtshof zu G 14, 15/92, gestellten Anträgen - hg. Zl. 92/11/0013, früher:

90/18/0201 - zugrundeliege. Da der vorliegende Fall kein Anlaßfall ist und der Verfassungsgerichtshof eine Frist für das Außerkrafttreten der genannten Normen bestimmt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid anhand der Rechtslage im Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides zu prüfen. Es ist daher auf die Beurteilung des vorliegenden Falles insbesondere auch die Bestimmung des § 3 Abs. 3 erster Satz des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes, LGBl. Nr. 78/1957 (KALG) anzuwenden, die folgenden Wortlaut hat:

"Der Bedarf ist nach dem örtlichen Bereich und nach dem Personenkreis, für welche die Anstalt zunächst bestimmt ist (Einzugsgebiet), nach der Anzahl und der Größe der in angemessener Entfernung gelegenen gleichartigen oder ähnlichen Krankenanstalten und nach der Verkehrslage, bei selbständigen Ambulatorien (§ 1 Abs. 3 Z. 7) überdies unter Bedachtnahme auf die Behandlungsmöglichkeiten durch die in der Umgebung niedergelassenen praktischen Ärzte oder Fachärzte der einschlägigen Fachgebiete zu beurteilen".

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß die Beschwerdeführerin den Bedarf nach einem kasseneigenen Ambulatorium mit drei "Zahnstühlen" mit dem Umstand begründet habe, daß hinsichtlich der zahnärztlichen Betreuung der anspruchsberechtigten Versicherungsnehmer im Bereich der Landesgeschäftsstelle Steiermark allgemein und im kieferorthopädischen Bereich speziell eine Unterversorgung bestehe. Da mit den zuständigen öffentlich-rechtlichen Interessenvertretungen der Ärzte bzw. Dentisten bezüglich des geplanten Zahnambulatoriums kein Einvernehmen habe hergestellt werden können, sei gemäß § 3 Abs. 5 KALG ein Bedarfsprüfungsverfahren einzuleiten gewesen. Ein Bedarf nach der geplanten Einrichtung der Beschwerdeführerin habe aber nicht festgestellt werden können. Es sei als Einzugsgebiet für die Beurteilung des Bedarfes die Stadt Graz und der Bereich Graz-Umgebung zugrundegelegt worden; bei einer Einwohnerzahl von 350.496 (Volkszählung 1991) würden 177 Fachärzte für Zahnheilkunde und 14 Dentisten eine Praxis betreiben, sodaß auf 1835 Einwohner ein Zahnbehandler entfalle. Hiezu seien noch das Zahnambulatorium der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, das Zahnambulatorium der Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahner und fünf Schulzahnambulatorien der Stadt Graz zu berücksichtigen. Nach der Forderung der Federation Dentaire Internationale sei eine Schlüsselzahl von 2000 Bewohnern pro Zahnbehandler anzustreben. Im zugrundeliegenden Einzugsgebiet liege somit die Schlüsselzahl von 1835 wesentlich darunter. Es ergebe sich daher die ausreichende Versorgung im Bereich der Stadt Graz und im Bezirk Graz-Umgebung - die Beschränkung des Einzugsgebietes hierauf sei mit der Erreichbarkeit begründet - durch die bestehenden Praxen der niedergelassenen Fachärzte für Zahnheilkunde und Dentisten sowie durch die vorhandenen einschlägigen Ambulatorien.

Die Beschwerdeführerin wendet demgegenüber ein, daß die belangte Behörde nur schematisch und ohne die Angaben im einzelnen zu überprüfen die ihr von den Interessenvertretungen bekannt gegebenen Zahlen der Zahnbehandler zu der Bevölkerungszahl ins Verhältnis gesetzt und mit einer willkürlich herangezogenen Richtzahl verglichen habe, ohne zu berücksichtigen, daß es auf die Behandlungsmöglichkeiten durch die Ärzte der einschlägigen Fachgebiete ankomme. Entscheidend sei nicht ein abstrakter Versorgungsschlüssel, sondern die Bedarfslage. Die belangte Behörde hätte prüfen und feststellen müssen, daß es in den Praxen der freiberuflichen Zahnärzte und Dentisten in der Umgebung des beantragten Ambulatoriums zu unzumutbaren Wartezeiten für Patienten, insbesondere auch für Versicherte der Beschwerdeführerin komme. Die belangte Behörde habe im Ermittlungsverfahren ein Gutachten des Landessanitätsrates vom 30. Jänner 1992 und eine Stellungnahme des Landessanitätsdirektors vom 15. Jänner 1992 eingeholt, aus denen sich ein Bedarf für die Errichtung des von der Beschwerdeführerin beantragten Ambulatoriums ergeben habe. Die belangte Behörde sei auf die Richtigkeit dieser Gutachten jedoch nicht eingegangen und habe nicht begründet, warum sie ihnen nicht gefolgt sei. Sie habe bloß die Äußerung der Ärztekammer für Steiermark und der Österreichischen Dentistenkammer kritiklos übernommen.

Die Beschwerdeführerin ist zunächst im Recht, daß im Vordergrund steht, in welchem Umfang ein Behandlungsbedarf des in Frage kommenden Bevölkerungskreises besteht und inwieweit dieser durch die vorhandenen Zahnbehandler befriedigt werden kann. Der Versorgungsschlüssel ist ein Element bei der Prüfung der Bedarfsfrage; entscheidend ist jedoch nach dem Gesetz nicht ein abstrakter Versorgungsschlüssel, sondern die Behandlungsmöglichkeit durch die in der Umgebung niedergelassenen Zahnbehandler. Ohne Feststellung der außerhalb eines geplanten Ambulatoriums bestehenden einschlägigen Behandlungsmöglichkeiten läßt sich die Bedarfsfrage schlechthin nicht beurteilen (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1993, Zlen. 92/11/0010 u. a., mit weiteren Judikaturhinweisen).

Damit hat die Beschwerdeführerin wohl einen Verfahrensmangel aufgezeigt, der Verwaltungsgerichtshof vermag jedoch nicht, dessen Relevanz zu erkennen. Die belangte Behörde hatte nämlich im Ermittlungsverfahren mit Schreiben vom 10. Feber 1992 die Beschwerdeführerin aufgefordert, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Die Beschwerdeführerin hat sich (mit Schreiben vom 4. März 1992) hiezu geäußert und erklärt, daß sie wohl das negative Abstimmungsergebnis des Landessanitätsrates zur Kenntnis genommen habe, sich aber der äußerst fundierten Stellungnahme des Landessanitätsdirektors vollinhaltlich anschließe und daher erneut den Antrag stelle, daß der Bedarf für das Zahnambulatorium im beschriebenen Umfang als gegeben festgestellt werden möge. Daraus ist erkennbar, daß sich die Beschwerdeführerin die Stellungnahme des Landessanitätsdirektors vom 15. Jänner 1992 abschließend zur Begründung ihres Antrages zu eigen machte. Diese hatte folgenden Wortlaut:

"Zum Ansuchen ist anzuführen, daß die Stmk.

Gebietskrankenkasse und die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahner je ein Zahnambulatorium in Graz betreiben. Nun hat auch die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) die Absicht, für die im Einzugsgebiet doch beachtliche Zahl an Versicherten ein Zahnambulatorium zu errichten. Bei der Prüfung des Bedarfes müssen vor allem ähnliche Einrichtungen berücksichtigt werden, und es war bisher üblich, daß die Versicherten der BVA auch im Ambulatorium der Gebietskrankenkasse zahnärztliche Behandlung erfahren haben. Dabei haben sich allerdings auch immer wieder längere Wartezeiten ergeben und es ist grundsätzlich anzuführen, daß trotz der etwa 145 freiberuflich tätigen Zahnärzte und der 32 freiberuflichen Zahnärzte im Bezirk Graz-Umgebung sowie der insgesamt 14 freiberuflichen Dentisten im Einzugsgebiet von Seiten der Bevölkerung über sehr lange Wartezeiten geklagt wird. Dabei sind Wartezeiten von 14 Tagen auf jeden Fall üblich und verhindert diese lange Zeit oft den bestehenden Entschluß, bei kleineren Zahnschäden doch den Zahnarzt aufzusuchen, wobei dann in der weiteren Folge größere Schäden entstehen. Insbesondere für Kinder ist diese Situation im Hinblick auf die Gesundheitsvorsorge absolut ungünstig. Es kann daher daraus nicht abgeleitet werden, daß die zahnärztliche Versorgung vom Bedarf ausreichend ist.

Bisher war es üblich, daß die Versicherten der BVA auch im Ambulatorium der GKK zahnärztliche Behandlung erfahren haben und dies betraf rund 2000 bis 2500 Versicherte der BVA im Jahr, die dieses Zahnambulatorium in Anspruch nahmen.

Im Hinblick darauf, daß nach der bisherigen Gepflogenheit der Bevölkerung bzw. der Versicherten Zahnambulatorien in Anspruch genommen werden, muß es daher auch durchaus für die Versicherten eine Wahlmöglichkeit zwischen Ambulatorium und niedergelassenen Zahnärzten geben und ist daher bei der doch großen Zahl von Versicherten der BVA im Einzugsgebiet ein Bedarf für die Errichtung eines von dieser Versicherungsanstalt betriebenen Ambulatoriums gegeben.

Die Errichtung eines eigenen Ambulatoriums für BVA-Versicherte ist vom Bedarf her zu bejahen und wird vom Referenten vorgeschlagen, diesem Ansuchen zuzustimmen."

Es bewirkt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, wenn die belangte Behörde trotz Vorliegens dieses Gutachtens dennoch einen Bedarf im Sinne des § 3 Abs. 3 KALG verneinte. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich eine Wartezeit von etwa zwei Wochen in nicht dringlichen Fällen durchaus zumutbar und selbst eine Überschreitung dieses Richtwertes in einzelnen Fällen um einige Tage zeigt noch nicht ein den Patienten nicht mehr zumutbares Versorgungsdefizit auf (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1993,

Zlen. 92/11/0010 u.a., mit weiteren Judikaturhinweisen). Die von der Beschwerdeführerin behaupteten durchschnittlichen Wartezeiten "von vier Wochen bis zwei Monaten" lassen sich nicht einmal aus dem von der Beschwerdeführerin für ihren Standpunkt angezogene Gutachten des Landessanitätsdirektors erschließen. Abgesehen davon hat die belangte Behörde hinreichend deutlich dargelegt, warum sie insbesondere den Angaben der Ärztekammer für Steiermark und der Österreichischen Dentistenkammer folgte. Daraus wurde festgestellt, daß bei keinem der Fachärzte und Dentisten die Wartezeit auf einen Termin mehr als zwei Wochen betrage, Schmerzpatienten würden praktisch überall am gleichen Tag angenommen. Die angegebene Wartezeit von etwa zwei Wochen steht mit dem Gutachten des Landessanitätsdirektors vom 15. Jänner 1992 im Einklang. Gegen die Feststellung, daß Schmerzpatienten "überall am gleichen Tage" angenommen würden, somit Notfälle in allen Fällen sofort behandelt werden können, vermag die Beschwerdeführerin nichts einzuwenden. Auch aus der Stellungnahme des Landessanitätsdirektors vom 15. Jänner 1992 ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, die sofortige Versorgung von Notfällen sei nicht gewährleistet.

Da es die Beschwerde somit nicht vermag, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992110242.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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