TE Vwgh Erkenntnis 1994/5/31 91/14/0140

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Veröffentlicht am 31.05.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §188;
BAO §191 Abs1 litc;
BAO §191 Abs2;
BAO §273 Abs1 lita;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1. der N GesmbH, 2. des HH und 3. des FH, alle vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat II) vom 28. Februar 1991, Zl. 2-GA4BK-DP/90, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Feststellung von Einkünften für 1986 sowie betreffend Feststellung von Einkünften und Gewerbesteuer für 1984 bis 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.960,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Erst-, Zweit- und Drittbeschwerdeführer waren Gesellschafter der N GmbH & Co KG. In der Gesellschafterversammlung vom 24. August 1987 beschlossen sie die Einbringung des Betriebes in die Komplementär GmbH (Erstbeschwerdeführerin) auf der Grundlage der Schlußbilanz zum 31. Dezember 1986 unter Erhöhung von deren Stammkapital - Zweit- und Drittbeschwerdeführer erhielten unmittelbar Geschäftsanteile rücksichtlich dieses erhöhten Stammkapitals - sowie die Auflösung der KG unter Verzicht auf eine Liquidation. Im Oktober 1987 wurde die Auflösung der KG und die Löschung der Firma im Handelsregister (nunmehr: Firmenbuch) eingetragen.

Im Zuge einer im Jahre 1989 durchgeführten, die KG betreffenden Betriebsprüfung, vertrat der Prüfer die Auffassung, die Anschaffungskosten eines Puch G seien nur im Ausmaß von S 350.000,-- durch den Betrieb veranlaßt, der darüber hinausgehende Betrag sei aus Gründen der Repräsentation aufgewendet worden. Die für die Jahre 1984 bis 1986 geltend gemachte AfA sei daher entsprechend zu kürzen. Auch sei der durch die Einbringung des Betriebes entstandene Aufwertungsgewinn zu Unrecht im Feststellungsbescheid für das Jahr 1987 ausgewiesen, er müsse dem Jahr 1986 zugeordnet werden. Das Finanzamt erließ der Auffassung des Prüfers folgend entsprechende Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für 1984 bis 1987 - die bisher die Verfahren abschließenden Bescheide waren ebenfalls vom Finanzamt erlassen worden -, Bescheide betreffend Feststellung von Einkünften für 1984 bis 1987 sowie gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Gewerbesteuerbescheide für 1984 bis 1986. Die Bescheide ergingen an die "N GmbH & Co KG" (Bescheidadressat) und wurden der W. Wirtschaftstreuhand GmbH als Zustellungsbevollmächtigter zugestellt.

Gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Feststellung von Einkünften für 1986 sowie gegen die genannten Sachbescheide, soweit sie die Jahre 1984 bis 1986 betreffen, brachte die W. Wirtschaftstreuhand GmbH im Namen der "N GmbH & Co KG" Berufung ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Berufungsentscheidung erging an die Erstbeschwerdeführerin, den Zweitbeschwerdeführer und den Drittbeschwerdeführer und wurde wiederum der W. Wirtschaftstreuhand GmbH zugestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. In dieser wird unter anderem vorgebracht, die erstinstanzlichen Bescheide seien an die "N GmbH & Co KG" gerichtet gewesen, obwohl die KG zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden habe. Die Bescheide seien somit ins Leere gegangen. Die Beschwerdeführer seien im Recht verletzt, daß über die eingebrachte Berufung nicht meritorisch abgesprochen werde.

Die belangte Behörde führte in ihrer Gegenschrift aus, die "N GmbH & Co KG" habe im Zeitpunkt der Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide nicht mehr existiert. Die Bescheide richteten sich aber zumindest indirekt auch an die Beschwerdeführer als Gesellschafter.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 191 Abs. 1 lit. c BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.

Ist eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid ergehen soll, bereits beendigt, so hat der Bescheid gemäß § 191 Abs. 2 BAO an diejenigen zu ergehen, denen gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.

§ 191 Abs. 3 BAO sieht vor, daß einheitliche Feststellungsbescheide gegen alle wirken, denen gemäß § 188 BAO gemeinschaftliche Einkünfte zufließen.

Gemäß § 4 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz ist Steuerschuldner der Unternehmer. Als Unternehmer gilt der, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird. Wird das Gewerbe für Rechnung mehrerer Personen betrieben, so sind diese Gesamtschuldner; bei Gesellschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 (offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und andere Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebes anzusehen sind) ist auch die Gesellschaft als solche Gesamtschuldner.

Die "N GmbH & Co KG" war durch die Einbringung des gesamten Unternehmens mit Aktiva und Passiva in die GmbH und den Beschluß der Auflösung unter Ausschluß einer Liquidation voll beendet und hatte damit zu diesem Zeitpunkt ihre rechtliche Existenz verloren (vgl. Ostheim, GesRZ 1982, 174).

Die erstinstanzlichen Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO sowie betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO hätten gemäß § 191 Abs. 2 BAO an die Gesellschafter der KG gerichtet werden müssen und nicht an die bereits beendigte KG ergehen dürfen. Weil sie an die nicht mehr existente KG ergangen sind, konnten sie keine Rechtswirkungen entfalten (vgl. hg. Beschlüsse vom 13. Dezember 1988, 88/14/0192, und vom 30. Mai 1984, 84/13/0104). Auch die Gewerbesteuerbescheide, die nach Vollbeendigung der KG an diese ergangen sind, konnten keine Rechtswirksamkeit entfalten.

Schon weil keine wirksamen Bescheide vorlagen, wäre die Berufung gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO zurückzuweisen gewesen.

Die abweisende Berufungsentscheidung der belangten Behörde erging - wie der Adressierung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist - an die Beschwerdeführer (als Gesellschafter der KG), sie stellt einen wirksamen Bescheid dar. In den streitgegenständlichen Verfahren hat damit die belangte Behörde, der gemäß § 260 Abs. 1 BAO die Entscheidung über Berufungen obliegt, erstmalig abgesprochen, obwohl dieses erstmalige Absprechen in die Zuständigkeit des Finanzamtes fällt (vgl. § 305 Abs. 1 BAO, § 3 Abs. 1 AVOG). Durch diesen rechtswidrigen Vorgang wurden die Beschwerdeführer in ihrem Recht verletzt, daß die belangte Behörde sie nicht gleich der voll beendeten KG als Steuerpflichtige behandelt und ihnen gegenüber durch Bescheid individuelle Normen schafft, ohne hiezu zuständig zu sein. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Finanzverwaltung und öffentliche Verwaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991140140.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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