TE Vfgh Erkenntnis 1991/12/12 V53/91, V107/91, V175/91, V261/91, V264/91, V303/91, V308/91

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Veröffentlicht am 12.12.1991
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
LiebhabereiV des Bundesministers für Finanzen vom 18.05.90, BGBl 322 Abschnitt I ArtI
LiebhabereiV des Bundesministers für Finanzen vom 18.05.90, BGBl 322 Abschnitt I ArtI §1 Abs3 Z1
LiebhabereiV des Bundesministers für Finanzen vom 18.05.90, BGBl 322 Abschnitt I ArtI §5
LiebhabereiV des Bundesministers für Finanzen vom 18.05.90, BGBl 322 Abschnitt I ArtII
EStG §2
EStG 1988 §2
KStG 1988 §7 Abs2
KStG 1966 §8 Abs1
BAO §167 Abs1
BAO §307 Abs2

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der Annahme des Vorliegens von Einkünften in der LiebhabereiV auch im Falle der Inkaufnahme von Verlusten aus gesamtwirtschaftlichen oder im öffentlichen Interesse liegenden regionalen Gründen; Gesetzwidrigkeit der Anordnung der Rückwirkung; keine Bedenken gegen das System von "Vermutungen" in Abschnitt I der LiebhabereiV mangels Gestaltung des Beweisverfahrens; keine Unsachlichkeit der Abgrenzung des Geltungsbereiches der Verordnung

Spruch

In Abschnitt I der Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 18. Mai 1990 über das Vorliegen von Einkünften und über die Erlassung vorläufiger Bescheide (Liebhabereiverordnung), BGBl. Nr. 322, werden Artikel I §1 Abs3 Z1 und Artikel II als gesetzwidrig aufgehoben.

Die aufgehobenen Bestimmungen sind auch auf jene Sachverhalte nicht mehr anzuwenden, die den vom Verwaltungsgerichtshof zu V303/91 und V308/91 gestellten Anträgen zugrundeliegen.

Der Bundesminister für Finanzen ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Im übrigen werden die Anträge abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Das der Einkommensteuer zugrunde zu legende Einkommen umschreiben die Einkommensteuergesetze 1972 und 1988 jeweils in §2 Abs2 als den "Gesamtbetrag der Einkünfte aus dem in Abs3 bezeichneten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben" (und Abzug jeweils näher bezeichneter Beträge). Nach §2 Abs3 unterliegen der Einkommensteuer nur Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbständiger Arbeit, aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung sowie - jeweils in §29 näher bezeichnete - sonstige Einkünfte. Einkünfte sind nach §2 Abs4 bei Land- und Forstwirtschaft, selbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb der Gewinn, bei den anderen Einkunftsarten der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten.

Nach §8 Abs1 Körperschaftsteuergesetz 1966 bestimmt sich, was als Einkommen gilt, nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes, nach §7 Abs2 Körperschaftsteuergesetz 1988 ist Einkommen im Sinne des Körperschaftsteuerrechts der "Gesamtbetrag der Einkünfte aus den in §2 Abs3 des Einkommensteuergesetzes 1988 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben" (und Abzug näher bezeichneter Beträge).

Unter Berufung auf all diese Gesetzesstellen (und §200 Abs1 BAO) hat der Bundesminister für Finanzen eine Verordnung über das Vorliegen von Einkünften und über die Erlassung vorläufiger Bescheide (Liebhabereiverordnung) erlassen, die am 22. Juni 1990 unter der Nr. 322 im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde.

Ihr Abschnitt I lautet:

"Einkommen- und Körperschaftsteuer

Artikel I

§1. (1) Das Vorliegen von Einkünften ist zu vermuten bei einer Betätigung (einer Tätigkeit oder einem Rechtsverhältnis), die

-

durch die Absicht veranlaßt ist, einen Gesamtgewinn oder einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§3) zu erzielen, und

-

nicht unter Abs2 fällt.

Die Vermutung kann widerlegt werden, wenn die Absicht nicht anhand objektiver Umstände (§2 Abs1 und 3) nachvollziehbar ist. Das Vorliegen einer derartigen Absicht ist für jede organisatorisch in sich geschlossene und mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattete Einheit gesondert zu beurteilen. Als derartige Einheit gilt weiters eine Betätigung, die für sich die Voraussetzungen des Abs3 Z1 erfüllt.

(2) Liebhaberei ist zu vermuten bei einer Betätigung, wenn Verluste entstehen

1. aus der Bewirtschaftung von Wirtschaftsgütern, die sich nach der Verkehrsauffassung in einem besonderen Maß für eine Nutzung im Rahmen der Lebensführung eignen (zB Wirtschaftsgüter, die der Sport- und Freizeitausübung dienen, Luxuswirtschaftsgüter, Wirtschaftsgüter, die der Befriedigung des persönlichen Wohnbedürfnisses dienen) und typischerweise einer besonderen in der Lebensführung begründeten Neigung entsprechen oder

2. aus Tätigkeiten, die typischerweise auf eine besondere in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen sind.

Die Vermutung kann nach Maßgabe des §2 Abs4 widerlegt werden. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Z1 und 2 ist für jede organisatorisch in sich geschlossene und mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattete Einheit gesondert zu beurteilen. Als derartige Einheit gilt weiters eine Betätigung, die für sich die Voraussetzungen des Abs3 Z1 erfüllt.

(3) Liebhaberei liegt nicht vor,

1. wenn Verluste aus einer auf Erzielung angemessener Einnahmen gerichteten Betätigung aus gesamtwirtschaftlichen Gründen oder im Hinblick auf öffentliche Interessen aus besonderen regionalen Gründen (zB besondere wirtschaftliche Bedeutung für die Infrastruktur) in Kauf genommen werden, oder

2. wenn eine Betätigung bei einer einzelnen Einheit im Sinn des Abs1 vorletzter Satz, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit weiteren Einheiten steht, aus Gründen der Gesamtrentabilität, der Marktpräsenz oder der wirtschaftlichen Verflechtung aufrechterhalten wird.

§2. (1) Fallen bei Betätigungen im Sinn des §1 Abs1 Verluste an, so ist das Vorliegen der Absicht, einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§3) zu erzielen, insbesondere anhand folgender Umstände zu beurteilen:

1. Ausmaß und Entwicklung der Verluste,

2. Verhältnis der Verluste zu den Gewinnen oder Überschüssen,

3. Ursachen, auf Grund deren im Gegensatz zu vergleichbaren Betrieben, Tätigkeiten oder Rechtsverhältnissen kein Gewinn oder Überschuß erzielt wird,

4. marktgerechtes Verhalten im Hinblick auf angebotene Leistungen,

5. marktgerechtes Verhalten im Hinblick auf die Preisgestaltung,

6. Art und Ausmaß der Bemühungen zur Verbesserung der Ertragslage durch strukturverbessernde Maßnahmen (zB Rationalisierungsmaßnahmen).

(2) Innerhalb der ersten drei Kalenderjahre (Wirtschaftsjahre) ab Beginn einer Betätigung (zB Eröffnung eines Betriebes) im Sinn des §1 Abs1, längstens jedoch innerhalb der ersten fünf Kalenderjahre (Wirtschaftsjahre) ab dem erstmaligen Anfallen von Aufwendungen (Ausgaben) für diese Betätigung liegen jedenfalls Einkünfte vor (Anlaufzeitraum). Dieser Zeitraum wird durch die Übertragung der Grundlagen der Betätigung auf Dritte nicht unterbrochen. Nach Ablauf dieses Zeitraumes ist unter Berücksichtigung der Verhältnisse auch innerhalb dieses Zeitraumes nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen, ob weiterhin vom Vorliegen von Einkünften auszugehen ist.

(3) Abs2 gilt nicht für Betätigungen im Zusammenhang mit der entgeltlichen Überlassung von Gebäuden. Das Vorliegen einer Absicht im Sinn des §1 Abs1 ist in diesem Fall nach dem Verhältnis des Zeitraumes, innerhalb dessen ein Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuß geplant ist, zum üblichen Kalkulationszeitraum zu beurteilen.

(4) Die Vermutung im Sinn des §1 Abs2 kann nur widerlegt werden, wenn die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§3) erwarten läßt. Andernfalls ist das Vorliegen von Liebhaberei ab Beginn dieser Betätigung so lange zu vermuten, als die Vermutung nicht durch eine Änderung der Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit im Sinn des vorstehenden Satzes widerlegt wird.

§3. (1) Unter Gesamtgewinn ist der Gesamtbetrag der Gewinne zuzüglich steuerfreier Einnahmen abzüglich des Gesamtbetrags der Verluste zu verstehen. Steuerfreie Einnahmen sind nur insoweit anzusetzen, als sie nicht zu einer Kürzung von Aufwendungen (Ausgaben) führen. Wertänderungen von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen gehört, sind nur bei der Gewinnermittlung nach §5 EStG anzusetzen.

(2) Unter Gesamtüberschuß ist der Gesamtbetrag der Überschüsse der Einnahmen über die Werbungskosten abzüglich des Gesamtbetrags der Verluste zu verstehen.

§4. (1) Die §§1 bis 3 sind auch bei Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit anzuwenden.

(2) Es ist zuerst für die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) zu prüfen, ob die gemeinschaftliche Betätigung als Liebhaberei im Sinn des §1 zu beurteilen ist.

(3) Zusätzlich ist gesondert zu prüfen, ob jeweils beim einzelnen Gesellschafter (Mitglied) Liebhaberei vorliegt. Dabei sind auch besondere Vergütungen (Einnahmen) und Aufwendungen (Ausgaben) der einzelnen Gesellschafter (Mitglieder) zu berücksichtigen.

(4) Bei der Prüfung im Sinn des Abs3 ist weiters darauf Bedacht zu nehmen, ob nach den Umständen des Einzelfalls damit zu rechnen ist, daß der Gesellschafter (das Mitglied) vor dem Erzielen eines anteiligen Gesamtgewinnes (Gesamtüberschusses) aus der Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ausscheidet. In diesem Fall ist auch für den Zeitraum gemäß §2 Abs2 sowie bei Betätigungen im Sinn des §1 Abs3 das Vorliegen von Liebhaberei zu prüfen.

§5. Die §§1 bis 4 sind nicht anzuwenden auf

1. Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts (§2 KStG 1988, §2 KStG 1966),

2. juristische Personen des privaten Rechts, an denen unmittelbar oder mittelbar ausschließlich Körperschaften des öffentlichen Rechts beteiligt sind, soweit §2 Abs4 dritter Satz KStG 1988 anzuwenden ist,

3. Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke nach Maßgabe der §§34 bis 47 BAO dienen, und

4. wirtschaftliche Geschäftsbetriebe im Sinn des §31 BAO.

Artikel II

Artikel I ist auf alle nicht endgültig rechtskräftig veranlagten Fälle anzuwenden."

1. Der Verwaltungsgerichtshof stellt aus Anlaß einer bei ihm anhängigen Beschwerdesache betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für 1987 den Antrag, Artikel I und II in Abschnitt I dieser Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben (V 53/91). Er legt dar, daß die belangte Behörde sowohl für den Bereich des Ertragwie auch des Umsatzsteuerrechts die Meinung vertrete, es sei Liebhaberei zu unterstellen, wenn Verluste aus der Bewirtschaftung von Wirtschaftsgütern entstanden sind, die der Sport- und Freizeitausübung dienten; eine gesamtwirtschaftliche Bedeutung (des von der beschwerdeführenden Fremdenverkehrsamt GesmbH geführten Freizeitzentrums) sei bei Umsätzen von 600.000 S auszuschließen.

Gegen die angegriffenen Bestimmungen hegt der Verwaltungsgerichtshof folgende Bedenken:

"Abschnitt I ArtII Liebhabereiverordnung erklärt, ArtI sei auf alle nicht endgültig rechtskräftig veranlagten Fälle anzuwenden. Damit wird ein zeitlicher Anwendungsbereich festgelegt, der auch vor der Erlassung der Verordnung (Kundmachung 22. Juni 1990) verwirklichte Sachverhalte umfaßt. Die Verordnung legt sich insofern rückwirkende Kraft bei. Hiezu fehlt dem Verordnungsgeber die hiefür erforderliche ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, die keinem Gesetz im formellen Sinn entnehmbar ist.

Es besteht keine gesetzliche Vorschrift, die auch nur annähernd erkennen ließe, daß es erlaubt sei, das Vorliegen einer Einkunftsquelle der in Abschnitt I ArtI §5 Liebhabereiverordnung angeführten Steuerpflichtigen anders zu beurteilen, als bei Steuerpflichtigen, die von der Verordnung erfaßt sein sollen.

Es besteht kein Gesetz, das auch nur annähernd erkennen ließe, Verluste, die aus gesamtwirtschaftlichen Gründen oder im Hinblick auf öffentliche Interessen aus besonderen regionalen Gründen (zB besondere wirtschaftliche Bedeutung für die Infrastruktur) in Kauf genommen werden (Abschnitt I ArtI §1 Abs3 Z. 1 Liebhabereiverordnung), dürften bei Beurteilung der Einkunftsquelleneigenschaft anders behandelt werden, als Verluste, die aus anderen Gründen in Kauf genommen werden.

Der Ausdruck 'gesamtwirtschaftliche Gründe' hat im übrigen seinerseits keinen bestimmten Inhalt, ist daher nicht vollziehbar und verstieße also auch gegen das Legalitätsprinzip, wenn er vom Gesetzgeber im formellen Sinn selbst im gegebenen Zusammenhang gebraucht würde.

Die Liebhabereiverordnung errichtet ein System von Vermutungen und zwar von widerlegbaren (§1 Abs1, 2 und §2 Abs4) und unwiderlegbaren (§1 Abs3). Dieses System ist gleichsam das Rückgrat der Verordnung. Daß diese Vermutungen nach der Absicht des Verordnungsgebers die Normunterworfenen binden sollen und daher normativen Charakter haben, steht für den Verwaltungsgerichtshof außer Zweifel. Es handelt sich bei den Vermutungen daher um sogenannte 'gesetzliche Vermutungen', die der Verordnungsgeber geschaffen hat.

Unwiderlegbare Vermutungen hindern den Nachweis des Gegenteils, widerlegbare Vermutungen weisen die Beweislast dem zu, der das Gegenteil der Vermutung behauptet. Die Aufstellung einer Vermutung hat außerdem gemäß §167 Abs1 BAO die Folge, daß Tatsachen, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises bedürfen. Nur im übrigen hat die Behörde gemäß §167 Abs2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Durch das System von gesetzlichen Vermutungen greift der Verordnungsgeber in diese Grundsätze, die der einfache Gesetzgeber aufgestellt hat, ein. Durch gesetzliche Vermutungen wird daher die Rechtslage geändert (zur Unterscheidung zwischen praesumptio facti, praesumptio iuris und praesumptio iuris et de iure sowie zu den weiteren Auswirkungen dieser Vermutungen auf die Rechtslage vgl. Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechtes,

2. Aufl., Rz 865 bis 868). Es handelt sich bei der Aufstellung gesetzlicher Vermutungen also nicht bloß um eine Technik der Normsetzung, deren Anwendung und Gestaltung dem Verordnungsgeber schon Kraft der Ermächtigung des Art18 Abs2 B-VG ohne Bindung an eine Vorherbestimmung des Gesetzgebers im Sinne des Art18 Abs1 B-VG zur Verfügung stünde. Auch das Ob und das Wie gesetzlicher Vermutungen unterliegt daher uneingeschränkt dem Legalitätsprinzip. Dafür macht es keinen Unterschied, ob es sich um eine praesumptio facti, eine praesumptio iuris oder eine praesumptio iuris et de iure handelt, bei der nur die Vermutungsbasis entkräftet werden kann (vgl. Fasching aaO).

Nähme man §167 Abs1 BAO beim Wort, so bedürfte es zur Aufstellung einer Vermutung der Anordnung des Gesetzgebers. Dem Verordnungsgeber wäre daher die Aufstellung gesetzlicher Vermutungen verschlossen.

Im Hinblick auf Art18 Abs2 B-VG darf §167 Abs1 BAO aber nicht so verstanden werden, weil die Ermächtigung des Verfassungsgesetzgebers an die Verwaltungsbehörden zur Erlassung von Durchführungsverordnungen eine solche Auslegung verbietet, schließt doch der Verfassungsgesetzgeber von der Ermächtigung ausreichend durch den Gesetzgeber vorherbestimmte Regeln über gesetzliche Vermutungen nicht aus. Auch bei Aufstellung gesetzlicher Vermutungen kommt dem Verordnungsgeber gemäß Art18 Abs2 B-VG jedoch - wie bereits erwähnt - nur die Präzisierung des Gesetzes zu. Die Fälle gesetzlicher (widerlegbarer/unwiderlegbarer) Vermutungen müssen daher vom Gesetzgeber im formellen Sinn vorherbestimmt sein. §167 Abs1 BAO stellt keine derartige Vorherbestimmung dar. Die Bundesabgabenordnung selbst enthält keine Bestimmungen, die inhaltlich die Aufstellung von gesetzlichen Vermutungen durch den Verordnungsgeber determinieren. Es könnte hiezu auch §20 BAO nicht herangezogen werden, weil sich diese Vorschrift nur auf 'Entscheidungen' - individuelle Akte - bezieht, also nicht auf Verordnungen (generelle Akte).

Die Aufstellung gesetzlicher Vermutungen gehört in den Kompetenzbereich des Materiengesetzgebers. Auch dessen Gesetze, die für den sachlichen Anwendungsbereich der Liebhabereiverordnung in Betracht kommen, enthalten keine Ansatzpunkte für eine Vorherbestimmung widerlegbarer und/oder unwiderlegbarer gesetzlicher Vermutungen im Zusammenhang mit der Frage der Einkunftsquelleneigenschaft (Liebhaberei).

Im Hinblick auf Art18 Abs2 B-VG bedarf es zwar zur Erlassung einer Durchführungsverordnung keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung. Die Verordnung darf sich jedoch nicht mit einem Gesetz in Widerspruch setzen oder selbständig neues Recht schaffen, sondern nur Gesetzesrecht präzisieren. Ein Gesetz, das in der Richtung der Aufstellung gesetzlicher Vermutungen hinsichtlich des Vorliegens von Liebhaberei durch den Verordnungsgeber präzisierbar wäre, existiert nicht.

Für das von der Liebhabereiverordnung aufgestellte System gesetzlicher Vermutungen fehlt daher die Grundlage im formellen Gesetz.

Mangels Vorherbestimmung durch den einfachen Gesetzgeber scheint die Liebhabereiverordnung daher hinsichtlich der von ihr geschaffenen gesetzlichen Vermutungen verfassungs- und damit gesetzwidrig zu sein.

Da die §§1 und 2 der Verordnung auf dem System der Vermutungen aufbauen und die §§3 bis 5 der Verordnung vom Bestand der §§1 und 2 unabhängig keinen Anwendungsbereich mehr hätten, erstreckt sich der Aufhebungsantrag auf den gesamten Abschnitt I der Verordnung."

2. Der Bundesminister für Finanzen hält den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes folgendes entgegen:

"I. Allgemeines

Mit 'Liebhaberei' umschreibt man Betätigungen, die nicht Steuergegenstand sind und auf die die Einkunftstatbestände keine Anwendung finden. Zur richtigen Erfassung des Phänomens der Liebhaberei ist nicht vom Begriff 'Liebhaberei', sondern umgekehrt davon auszugehen, ob die Voraussetzungen für eine Einkunftsart vorliegen (siehe bereits bei Enno Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, 397f). Liebhaberei ist daher eine Art komplementärer Begriff zu den steuerlich beachtlichen Einkunftsarten bzw. Einkunftsquellen. Fällt schon unter die steuerlich beachtlichen Einkunftstatbestände eine ungeheure Vielzahl von Betätigungen, so ist die Zahl der Betätigungen außerhalb der Einkunftsquellen wohl eine noch viel größere.

Weder das EStG 1988 noch Vorgängergesetze enthalten konkrete Aussagen zur Abgrenzung zwischen steuerlich beachtlicher Einkunftsquelle einerseits und Liebhaberei andererseits. Im Zusammenhang mit der Vielfalt des menschlichen Lebens und der Vielzahl der daraus resultierenden Abgrenzungsfragen hat sich dazu seit dem Entstehen des modernen Einkommensteuerrechts in Judikatur, Schrifttum und Praxis eine Reihe von Theorien entwickelt.

II. Liebhabereitheorien

1. Theorie der subjektiven Ertragsfähigkeit

Nach dieser Theorie begründet das Ertragsstreben eine Einkunftsquelle. Der Liebhabereibegriff ist dabei rein subjektiv zu verstehen (siehe dazu Deutsch, Die einkommensteuerrechtliche Liebhaberei, 49 mwN; zur Entwicklung auch Stoll, Verluste und Verlustquellen im Steuerrecht, 63, insbesondere 66 FN mit Hinweis auf die jüngst feststellbare Zuwendung des BFH zur Maßgeblichkeit der subjektiven Ertragsfähigkeit; weiters Zöchling, SWK 1986, A I 348). Die Theorie der subjektiven Ertragsfähigkeit ist unmittelbar auf das Leistungsfähigkeitsprinzip gestützt. Es soll jener Bereich der menschlichen Betätigung, der seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestimmt, von jenem anderen Bereich, der für seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unmaßgeblich ist (eben Liebhaberei), abgegrenzt werden. Oder anders gesagt: Es soll die Sphäre der Einkommenserzielung (Schaffung von Leistungsfähigkeit) von jener der Einkommensverwendung (Konsum von Leistungsfähigkeit), also der Lebensführung, abgegrenzt werden.

Zentrales Abgrenzungskriterium ist wie erwähnt das subjektive Ertragsstreben. Dieses Abgrenzungskriterium gewährleistet, daß Passionen, Neigungen und Hobbies nicht bloß deswegen zu Lasten des Steueraufkommens und somit letztlich der Allgemeinheit betrieben werden können, weil sie im Gewande einer Einkunftsart ausgeübt werden. Technisch bedient man sich bei der Abgrenzung der Liebhaberei von einer steuerlich beachtlichen Einkunftsquelle jener Mechanismen, die auch für die Abgrenzung zwischen Betriebsausgabe und Privatausgabe herangezogen werden, nämlich der Prüfung der betrieblichen (beruflichen) Veranlassung von Aufwendungen (Wassermeyer, StuW 1982, 355f). An die Stelle der Prüfung der Motivation einzelner Aufwendungen tritt lediglich das Gesamtmotiv der Betätigung (Wassermeyer, aaO, 360). Analog zur Unbeachtlichkeit der Zweckmäßigkeit einzelner Betriebsausgaben ist es nach dieser Auffassung auch unbeachtlich, ob eine Betätigung wirtschaftlich zweckmäßig (objektiv ertragsbringend) ist. Es genügt das Erzielenwollen von Erträgen. Durch diese Betrachtung soll insbesondere auch verhindert werden, daß derjenige, der sich erfolglos aber redlich um positive Erträge plagt, steuerlich gegenüber erfolgreichen Unternehmen benachteiligt wird (Deutsch, aaO, 48).

Auch die Entwicklung in der deutschen Bundesrepublik geht in die Richtung, Liebhaberei mehr und mehr unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Ertragsfähigkeit zu sehen (Zorn, ÖStZ 1989, 262; für viele Jakob/Hörmann, Finanzrundschau 1989, 665ff).

2. Theorie der objektiven Ertragsfähigkeit

Eine andere Auffassung meint, es kämen als Einkunftsquellen nur solche Betätigungen in Betracht, die eine objektive Ertragsfähigkeit aufweisen. Diese Auffassung wird insbesondere durch die Rechtsprechung des VwGH getragen (zB VwGH 15.4.75, 1296/73; 18.11.87, 86/13/0132; 17.5.88, 85/14/0143; 13.12.88, 86/14/0091; 26.6.90, 89/14/0295; 19.9.90, 89/13/0245; 23.10.90, 90/14/0086; 20.11.90, 90/14/0131). Der Gerichtshof hat diese Ansicht zusehends stärker betont und die in jüngerer Zeit zur subjektiven Liebhabereibetrachtung tendierende Rechtsprechung des BFH ausdrücklich abgelehnt (Erk. 14.6.88, 87/14/0112, dazu Zorn, ÖStZ 1989, 262).

Nach dieser Auffassung ist primär maßgebend, ob eine Betätigung strukturell ertragsbringend angelegt ist. Das subjektive Ertragstreben ist lediglich subsidiär von Bedeutung, und zwar dann, wenn die Beurteilung der objektiven Ertragsfähigkeit kein eindeutiges Ergebnis bringt (zB VwGH 18.11.87, 86/13/0132). Der VwGH leitet seine Ansicht ua aus dem Institut des Verlustausgleichs (§2 Abs2 EStG) ab; dessen ausdrückliche gesetzliche Normierung lasse erkennen, daß grundsätzlich nur positive wirtschaftliche Ergebnisse unter den Begriff 'Einkünfte' fallen (VwGH 28.4.80, 2256/77; 27.11.84, 83/14/0046, 0048).

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch die Auffassung des VwGH zur Einstellung einer Betätigung sowie zur Änderung der Bewirtschaftung. So hat der Gerichtshof ua auch im Einstellen einer Betätigung ein Indiz dafür gesehen, daß die Betätigung keine objektiven Ertragsaussichten aufweist (VwGH 10.5.78, 1332, 1419/77). Ein Fortführen der Betätigung unter Änderung der Bewirtschaftung - dh die strukturelle Umgestaltung einer nicht ertragsbringenden in eine ertragsbringende Betätigung - führt zu einer getrennten Beurteilung der einzelnen Phasen der Betätigung:

Bis zur Änderung der Bewirtschaftung liegt keine steuerlich beachtliche Einkunftsquelle vor (damit auch steuerliche Unbeachtlichkeit von Anlaufverlusten), erst ab der Änderung der Bewirtschaftung beginnt eine steuerlich beachtliche Einkunftsquelle (zB VwGH 6.3.84, 83/14/0188). Als Änderung der Bewirtschaftung werden strukturändernde Maßnahmen wie etwa das Ersetzen eines ungenügend ausgestatteten Fremdenverkehrsgebäudes durch ein modernes komfortables Gebäude (VwGH 6.3.84, 83/14/0188, 0195), die Umstellung der Finanzierung von Fremdmitteln auf Eigenmittel (VwGH 23.10.84, 84/14/0266) oder der Ersatz fremder Arbeitskräfte durch die eigene Arbeitskraft (VwGH 6.11.84, 84/14/9978) angesehen (weitere Fälle siehe bei Zorn, ÖStZ 1989, 266).

3. Theorie des objektiven Ertrags

Diese geht noch weiter in der objektiven Betrachtung. Für die Annahme der Liebhaberei ist entscheidend, daß tatsächlich Verluste auftreten, nicht aber aus welchen subjektiven oder objektiven Gründen (Wieser, FJ 1988, 123). Der tatsächliche Gesamterfolg einer Betätigung wird als Tatbestandsmerkmal des §2 EStG gewertet. Demnach führen auch unvorhergesehene, unfreiwillige und vom Steuerpflichtigen nicht abwendbare Ereignisse, die sich negativ auf den steuerpflichtigen Ertrag auswirken (Schäden, Diebstahl, Konjunktureinbrüche uä), zum Negieren einer Einkunftsquelle (Wieser, aaO, 131). Diese Auffassung geht also sogar so weit, bei Schlagendwerden typischer Unternehmerrisken zur Annahme einer Liebhaberei zu kommen.

4. Theorie der Erwerbstypizität

Stoll vertritt in seiner Monographie 'Verluste und Verlustquellen im Steuerrecht' die Auffassung, die steuerlich beachtliche Einkunftsquelle sei dadurch gekennzeichnet, daß die zu beurteilende Betätigung als erwerbstypisches Handeln und Wirken eingestuft werden kann (aaO, zB 44ff). Stoll arbeitet eine Reihe von Einzelmerkmalen heraus, die gegen eine erwerbstypische Betätigung und somit gegen eine Einkunftsquelle sprechen (aaO, 219ff). Der objektiven Ertragsfähigkeit bzw dem subjektiven Ertragsstreben mißt Stoll demgegenüber keine besondere Bedeutung azu. Auch nach dieser Theorie wird dem Betriebsausgabenbegriff ine bedeutende Rolle beigemessen. Stoll orientiert diesen Begriff allerdings am äußeren Erscheinungsbild eines Aufwandes und gelangt somit zu einer Bestätigung seiner These von Erwerbstypizität (aaO, 73; siehe dazu auch Quantschnigg, ÖStZ 1990, 142).

III. Motive für die Erlassung der Verordnung

Vor einer inhaltlichen Befassung mit der Begründung des Anfechtungsbeschlusses sei auf die Motive zur Erlassung der Liebhaberei-Verordnung eingegangen. Wie gezeigt wurde, hat der VwGH die Maßgeblichkeit der objektiven Ertragsfähigkeit immer mehr in den Vordergrund gerückt. Dies hat tendenziell zu einer Dämpfung der Bereitschaft geführt, wirtschaftliches Risiko einzugehen. Zum wirtschaftlichen Risiko gewagter Vorhaben kam noch das steuerliche Risiko hinzu, nämlich die Gefahr, daß gewagte Vorhaben im Fall ihres Scheiterns steuerlich als Liebhaberei gewertet und damit Verluste steuerlich nicht anerkannt würden. Überdies ist eine Betätigung häufig erst Jahre nach ihrem Beginn als Liebhaberei eingestuft worden. Dispositionen, die durchaus 'steuerredlich' waren (insbesondere Kalkulation der Ertragsteuerbelastung), wurden damit rückwirkend hinfällig. Bei grundsätzlich wirtschaftlich orientierten Betätigungen erwies sich in der Praxis die Auffassung des VwGH besonders problematisch, daß bei einer Änderung der Bewirtschaftung - als insbesondere auch bei strukturverbessernden Maßnahmen - die bis zur Änderung angefallenen Verluste unbeachtlich bleiben. Dies führte aus der Sorge, gerade durch ertragsstärkende Strukturänderungen die steuerliche Wirkung von Anfangsverlusten zu verlieren, vielfach zu einer Versteinerung schlechter Betriebsstrukturen. Man mühte sich auf Grund dieser Sorge - häufig erfolgslos - eher damit ab, mit den schlechten Strukturen doch noch Gewinn zu erzielen. Selbst das - betriebswirtschaftlich uU rechtzeitige - Einstellen eines verlustträchtigen Unternehmens hat, wie oben gezeigt, die Gefahr in sich geborgen, daß dies als Indiz für mangelnde Ertragsfähigkeit gewertet wird.

Das Bundesministerium für Finanzen wurde angesichts dieser Situation immer häufiger mit dem Wunsch konfrontiert, durch erlaßmäßige Regelungen Abhilfe zu schaffen. Ua sprach die beim Bundesministerium für Finanzen eingerichtete Steuerreformkommission die Empfehlung zu einer Umorientierung des Liebhabereibegriffs aus. Dazu kam, daß die Zahl der Rechtsmittelfälle, in denen das Vorliegen von Liebhaberei zu beurteilen war, in den letzten Jahren drastisch angewachsen ist. Aus all diesen Gründen schien es angezeigt, in einem derart fundamentalen Bereich der Ertragsbesteuerung wie der Abgrenzung steuerlich beachtlicher von steuerlich unbeachtlichen Betätigungen, Maßnahmen zu setzen. Eine erlaßmäßige Regelung, die die Verwaltunspraxis gegen die Auffassung des VwGH geändert hätte, wäre auf Basis der Rechtsprechung des VfGH nur mit unverbindlicher Wirkung möglich gewesen (zB VfSlg 9416/1982, 10170/1984). Dies schien dem Bundesministerium für Finanzen im Hinblick auf die inhaltliche Bedeutung einer derartigen Maßnahme nicht angemessen. Als Alternative wurde schließlich in Zusammenarbeit mit der Steuerreformkommission die Ausarbeitung einer Verordnung in Erwägung gezogen.

Schließlich hat der Finanzausschuß in seinem Bericht zum AbgÄG 1989 (Nr. 1162 der Beilagen/StPrNR XVII GP, 19) den Bundesminister für Finanzen ersucht, eine Liebhaberei-Verordnung zu erlassen.

Dieses Ersuchen lautete: 'Zu §2 Abs2 EStG 1988 stellt der Finanzausschuß fest, daß die Frage der Liebhaberei durch Verordnung in der Weise geregelt werden soll, daß einerseits festgelegt wird, was keinesfalls Liebhaberei ist, andererseits was zunächst als Liebhaberei zu vermuten ist und drittens, daß in umstrittenen Fällen die Zuordnung als Liebhaberei nicht rückwirkend erfolgen soll.'

Der Bundesminister für Finanzen hat diese Anregung begrüßt. Es wurde damit das Beschreiten neuer Wege der Rechtsentwicklung eingeleitet. Die vom Finanzausschuß empfohlene Vorgangsweise trägt vor allem den vom VfGH gegenüber Richtlinien (allgemeinen Erlässen) immer wieder geäußerten Bedenken Rechnung. Diese Entwicklung wurde in der Zwischenzeit auch in der Staatsrechtslehre positiv aufgenommen (Gassner/Lang, FS-Walter, 174ff). Der Bundesminister für Finanzen beabsichtigt, diesen Weg bei Unbedenklichkeit weiterhin zu beschreiten.

IV. Systematische Einordnung der Liebhaberei-Verordnung

1. Verhältnis der Verordnung zum EStG und KStG

Bei der Liebhaberei-Verordnung handelt es sich um eine Durchführungsverordnung iS des Art18 Abs2 B-VG. Sie soll gemäß dem Auftrag des Verfassungsgesetzgebers dazu dienen, das Gesetz - hier §2 Abs2 EStG 1988 (1972), §8 Abs1 KStG 1966 und §7 Abs2 KStG 1988 - zu interpretieren und damit zu präzisieren. Nach Ansicht des Bundesministers für Finanzen darf das Institut der Verordnung nicht etwa in dem Sinn verstanden werden, daß darin nur eine einzige ('die richtigste') Gesetzesinterpretation zulässig wäre. Der Verordnungsgeber hat vielmehr ein Konkretisierungsermessen. Es steht ihm offen, sich innerhalb mehrerer Interpretationsalternativen zu bewegen (Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht, 885f).

Alle unter Pkt. II dargestellten Auffassungen sind nach Ansicht des Bundesministers für Finanzen im Interpretationsbereich des Gesetzes. Dies zeigt sich schon allein daran, daß nicht nur namhafte Fachautoren, sondern auch die Höchstgerichte selbst zu unterschiedlichen Interpretationsergebnissen kommen. Bedient sich die Liebhaberei-Verordnung einer der oben dargestellten Interpretationsalternativen, so kann sie nicht gesetzwidrig sein.

2. Inhaltlicher Ansatz der Verordnung

Die Konzeption der Verordnung ist die, bei Prüfung der steuerlichen Beachtlichkeit einer Betägigung sich zunächst grob an ihrem äußeren Erscheinungsbild zu orientieren. Sodann wird innerhalb der einzelnen Kategorien in einer verfeinerten Untersuchung anhand in der Verordnung vorgegebener Kriterien untersucht, ob die Betätigung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild erwerbs- bzw berufstypisch ist. Diese Konzeption ist unter anderem Ausfluß der Auffassung Stolls (vgl Quantschnigg, ÖStZ 1990, 138).

Die Liebhaberei-Verordnung geht grundsätzlich von einem Liebhabereiverständnis aus, das der Theorie des subjektiven Ertragsstrebens entspricht. Sie bewegt sich damit insofern im Kernbereich ihrer Grundlagengesetze, als etwa §23 Z1 EStG ausdrücklich von Gewinnabsicht spricht. Dieses Liebhabereiverständnis der Verordnung kommt deutlich in §1 Abs1 der Verordnung zum Ausdruck, wonach allgemein Betätigungen als Einkunftsquelle vermutet werden, wenn sie durch die Gesamtgewinn- bzw. Gesamtüberschußabsicht veranlaßt sind. Auf diese Absicht ist aus Gründen der Rechtssicherheit aus bestimmten nach außen in Erscheinung tretenden Umstände rückzuschließen (§2 Abs1 der Verordnung). Es handelt sich dabei um Umstände, die weitgehend betriebswirtschaftliche Parameter darstellen. Die Verordnung ist dabei so angelegt, daß Betätigungen grundsätzlich nicht - jedenfalls nicht rückwirkend - in einzelne zeitliche Phasen zerlegt werden. Es wird vielmehr in einer 'Jahr-zu-Jahr'-Prüfung untersucht, ob (noch) eine steuerlich beachtliche Betätigung vorliegt. Ein rückwirkender Wegfall der Einstufung als Einkunftsquelle wird damit vermieden. Es wird damit eine Art 'Waffengleichheit' zwischen der Finanzverwaltung und dem Steuerpflichtigen hergestellt, der ja ebenfalls seine Ertragchancen im voraus beurteilen und allfällige zukunftsbezogene Dispositionen treffen muß. Anders als nach der Judikatur des VwGH sind Strukturänderungen kein Risikofaktor mehr (siehe oben Pkt. II/2), sondern sichern die Annahme einer Einkunftsquelle (ausführlich Quantschnigg, ÖStZ 1990, 147). Gerade die Verbesserung schlechter Betriebsstrukturen entspricht einem erwerbstypischen Verhalten. Diese Richtungsänderung wird durch §2 Abs2 der Verordnung gestützt, wonach prinzipiell innerhalb der ersten drei Kalenderjahre ab Beginn einer Betätigung eine Einkunftsquelle anzunehmen und erst dann mit der erwähnten 'Jahr-zu-Jahr'-Prüfung zu beginnen ist. Mit dieser Regelung wird überdies gewährleistet, daß typische Anlaufverluste nicht steuerlich verloren gehen. Der Zeitraum von drei Jahren ist analog zu §18 Abs7 EStG 1988 bemessen, wonach in diesem Zeitraum auch Anlaufverluste der Einnahmen-Ausgaben-Rechner vortragsfähig sind (Quantschnigg, ÖStZ 1990, 145). Die Regelung über Anlaufverluste ist somit Ausfluß einer typisierenden Betrachtungsweise.

Betätigungen, die typischerweise eine besondere Nähe zur privaten Lebensführung aufweisen und bei denen überdies Verluste auftreten (§1 Abs2 der Verordnung), wurden mit der Vermutung der Liebhaberei ausgestattet. Die besondere Nähe zur privaten Lebensführung rechtfertigt es, bei Auftreten von Verlusten nur unter besonderen Voraussetzungen eine Einkunftsquelle anzunehmen. Diese strengere Prüfung der Einkunftsquelle ist daher anhand qualifiziert objektiver Umstände vorzunehmen. Es genügt nicht, bloß die Absicht der Gewinn(Überschuß)-Erzielung, es müssen schon ganz besondere Verhältnisse vorliegen, eine Einkunftsquelle anzunehmen. In diesem Bereich schien es dem Bundesminister für Finanzen durchaus für sinnvoll, die Theorie der objektiven Ertragsfähigkeit iS der Judikatur des VwGH heranzuziehen. Damit ist gewährleistet, daß der Aufwand einer typischerweise der Privatsphäre zuzuordnenden Betätigung besonders kritisch geprüft und nur unter qualifizierten Voraussetzungen als steuerlich beachtlich angesehen wird (dazu ausführlich Quantschnigg, ÖStZ 1990, 151).

3. Zur Zulässigkeit widerleglicher Vermutungen

Was die Methode des Aufstellens von Vermutungen innerhalb der Tatbestände des §1 Abs1 und des §1 Abs2 der Verordnung betrifft, so ist festzustellen, daß dies einer vom VwGH selbst jahrzehntelang geübten Praxis entspricht. So hat der Gerichtshof zB für Betätigungen, die im Gewande eines Gewerbebetriebs ausgeübt werden, die Vermutung einer Einkunftsquelle ausgesprochen (VwGH 26.11.79, 2846/78; 23.10.84, 84/14/0055; 19.2.85, 84/14/0079;

20.5.87, 86/13/0088; 20.5.87, 86/13/0095; 27.11.84, 83/14/0266;

jüngst und wiederum ausdrücklich VwGH 15.1.91, 89/14/0187). Andererseits hat er bei Bewirtschaftung von Luxuswirtschaftsgütern die Vermutung der Liebhaberei aufgestellt (VwGH 26.1.68, 866/66;

25.1.89, 84/13/0150). Die Argumentation des Anfechtungsbeschlusses, Vermutungen seien dem Materiengesetzgeber vorbehalten, ist daher schon durch die eigene Praxis des Gerichtshofs widerlegt. Der Bundesminister für Finanzen hegt keine Zweifel daran, daß die Praxis des VwGH gesetzeskonform war. Ist es aber zulässig, im 'einfachen' Vollzug eines Gesetzes mit Vermutung zu operieren, so muß dies in Form des 'gehobenen' Vollzugs durch eine Verordnung umso eher möglich sein. Dies ist letztlich eine Konsequenz der Höherwertigkeit der Verordnung im Stufenbau der Rechtsordnung.

§167 Abs1 BAO kann im konkreten Zusammenhang schon deshalb keine Rolle spielen, weil diese Bestimmung lediglich Tatsachenvermutungen anspricht. Die in der Liebhaberei-Verordnung enthaltenen Vermutungen sind hingegen Rechtsvermutungen; es wird dabei nicht auf rechtserhebliche Tatsachen geschlossen, sondern unmittelbar auf Rechtsverhältnisse, nämlich auf das jeweilige durch die Beurteilung einer Betätigung berührte Steuerschuldverhältnis.

Unabhängig von diesen Argumenten ist auch unter dem Aspekt des Stufenbaus der Rechtsordnung nicht zu erkennen, aus welchem Grund sich der Verordnungsgeber - auch ohne ausdrückliche gesetzliche Vorbestimmung - nicht des Rechtsinstituts der Vermutung bedienen darf. Steht es dem Verordnungsgeber frei, im Rahmen seines Konkretisierungsermessens (siehe oben) dezidierte Rechtsfolgen anzuordnen, so muß auch das Aufstellen von Vermutungen zulässig sein. Bedeutet das Aufstellen von Vermutungen doch bloß, daß die mögliche Intensität an Konkretisierung nicht voll ausgeschöpft wird. Dennoch wird der Inhalt des Gesetzes, zu dem die Verordnung ergeht, durch das Einfügen einer Vermutung keineswegs unbestimmter, sondern sehr wohl in einem höheren Maß bestimmt als der bloße abstrakte Gesetzeswortlaut. Die Vermutung ist daher nichts anderes als eine Zwischenstation auf dem Weg von der Abstraktheit der Gesetzesnorm zur Konkretisierung dieser Norm. Enthält eine Verordnung eine Vermutung, so ist sie lediglich dahingehend zu überprüfen, ob die 'Vermutungsrichtung' im Gesetz gedeckt ist. Dies ist - wie auch die bereits angeführten Judikatur des VwGH zeigt - der Fall. Überdies enthalten §1 Abs1 und Abs2 der Liebhaberei-Verordnung nicht etwa nackte Vermutungen, sondern konkrete Kriterien, nach denen die Vermutungen widerlegt werden können. Diese Kriterien sind einer inhaltlichen Überprüfung zugänglich, ob sie im Gesetz gedeckt sind oder nicht.

4. Zur unwiderleglichen Annahme einer Einkunftsquelle

Zur unwiderleglichen Annahme einer Einkunftsquelle in §1 Abs3 der Liebhaberei-Verordnung ist folgendes zu sagen: Es ist dies nichts anderes als der Ausdruck des von der Verordnung gewählten, in den einleitenden Interpretationsalternativen gedeckten Liebhabereiverständnisses. Bei Betätigungen iS des §1 Abs1 der Verordnung ist ein Bezug zur Lebensführung des Steuerpflichtigen nicht auszuschließen, bei Betätigungen iS des §1 Abs2 der Verordnung ist dieser Bezug geradezu typisch. Aus diesem Grund stellt die Verordnung hiefür nur widerlegliche Vermutungen auf. Dies läßt Raum für eine konkrete Feststellung des möglichen Zusammenhangs der Betätigung mit der Lebensführung. Betätigungen iS des §1 Abs3 der Verordnung sind hingegen so umschrieben, daß sie von vornherein keinesfalls einen Bezug zur Lebensführung eines einzelnen Steuerpflichtigen aufweisen können. Dies ist dadurch gewährleistet, daß diese Betätigungen nicht auf den einzelnen Steuerpflichtigen, sondern auf eine 'qualifizierte' Allgemeinheit (arg 'gesamtwirtschaftliche Gründe', 'im Hinblick auf öffentliche Interessen besondere regionale Gründe') ausgerichtet sein müssen. Derartige Betätigungen können im steuerlichen Sinn niemals 'privat' veranlaßt sein. Andererseits fallen aber bei derartigen Betätigungen häufig Dauerverluste an, die das subjektive Ertragsstreben zumindest in Frage stellen. Nun wird das subjektive Ertragsstreben üblicherweise als Abgrenzungskriterium zur Lebensführung herangezogen. Dieses Abgrenzungskriterium paßt aber aus den erwähnten Gründen hier nicht. Aus diesem Grund gibt die Verordnung für jene Fälle, in denen grundsätzlich wirtschaftlich orientiert gehandelt wird (was durch die in der Verordnung verlangte Ausrichtung auf Erzielung angemessener Einnahmen gewährleistet ist), die unwiderlegliche Annahme einer steuerlich beachtlichen Einkunftsquelle vor. §1 Abs3 Z1 der Verordnung ist somit als unmittelbarer Ausfluß der grundsätzlichen Ausrichtung des Liebhabereibegriffs zu verstehen und nicht - wie offensichtlich vom VwGH angenommen - als gesetzwidrige Differenzierung zwischen der Inkaufnahme von Verlusten aus den in §1 Abs3 Z1 der Verordnung genannten Gründen einerseits und anderen vom VwGH nicht näher umschriebenen Gründen andererseits. Zum Vorwurf der Verwendung des nach Ansicht des VwGH unbestimmten und daher nicht vollziehbaren Begriffs 'gesamtwirtschaftliche Gründe' wird angemerkt, daß sich der Gesetzgeber selbst in so tragenden abgabenrechtlichen Bestimmungen wie jener des §21 Abs1 BAO Begriffsverbindungen wie 'wirtschaftliche Betrachtungsweise' bedient. Der Begriff 'gesamtwirtschaftliche Gründe' ist wohl nicht substantiell weniger inhaltlich bestimmt, als der Begriff 'wirtschaftliche Betrachtungsweise'. Verwiesen sei im übrigen darauf, daß sich der Gesetzgeber öfters auch Begriffsverbindungen wie etwa 'volkswirtschaftliche Gründe' (§173 Abs1 Zollgesetz), 'volkswirtschaftliches Interesse' (§1 Abs3 KWG), 'Wirtschaftszweig' (§9 Abs5 Zollgesetz), 'volkswirtschaftliche Rechtfertigung' (§23 Kartellgesetz) bedient; ähnliche Termini finden sich auch in den Bewirtschaftungsgesetzen.

Die weiteren Aussagen in §1 Abs3 Z2 der Verordnung sollen lediglich sicherstellen, daß die an sich bis in die Teilbetriebsebene gehende Untersuchung der Liebhaberei nicht zu einer isolierten und damit wirtschaftsfremden Betrachtung führt (Quantschnigg, ÖStZ 1990, 141, 154). Das der Verordnung zugrunde liegende Liebhabereiverständnis gebietet es selbstverständlich, auf Umwegrentabilitäten uä bestimmter Sparten der Betätigung gegenüber anderen Sparten Bedacht zu nehmen.

5. Zu den Ausnahmen von der Liebhaberei-Verordnung

Als nicht zutreffend erachtet der Bundesminister für Finanzen die Aussage des VwGH, es gäbe kein Gesetz, das es rechtfertigt, Liebhaberei bei den in §5 der Verordnung angeführten Steuerpflichtigen anders zu beurteilen als bei den übrigen Steuerpflichtigen. Es gibt dazu eine Vielzahl konkreter abgabenrechtlicher Bestimmungen. Diese sind:

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Bei Betrieben gewerblicher Art§2 Abs1 KStG 1988 (§2 1966); in dieser Bestimmung wird ausdrücklich ausgesagt, daß Gewinnabsicht für die Annahme eines Betriebes gewerblicher Art nicht erforderlich ist.

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Bei Betrieben gewerblicher Art weiters §2 Abs4 KStG 1988; auch dort wird ausdrücklich ausgesprochen, daß das Fehlen der Gewinnabsicht bei den dort umschriebenen Tätigkeiten die Annahme einer Einkunftsquelle nicht ausschließt.

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Bei gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Rechtsträgern §39 Z2; §45 Abs1 und §45 Abs3 BAO; demnach dürfen derartige Rechtsträger keinen Gewinn anstreben, wohl aber sind die Einkünfte wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe auf Grund der Fiktion des §45 Abs1 letzter Satz 'wie Einkünfte aus einem gleichartigen in Gewinnabsicht geführten Betrieb zu behandeln' bzw auf Grund des Verweises des §45 Abs3 auf den §44 BAO wie Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb oder einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb anzusehen.

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Bei wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben §31 BAO; darin wird eine ohne Gewinnabsicht unternommene Betätigung unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zu einem steuerrelevanten wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erklärt.

Diese Sonderbestimmungen rechtfertigen die in §5 der Verordnung getroffene Einengung des sachlichen Anwendungsbereichs der Liebhaberei-Verordnung. Es ist damit aber keineswegs ausgesagt, daß in diesem Bereich immer steuerlich beachtliche Einkunftsquellen vorliegen müssen. Der Verordnungsgeber hat lediglich die in der Verordnung vorgenommene Konkretisierung im Hinblick auf ausdrückliche gesetzliche Aussagen für den in §5 umschriebenen Bereich für ungeeignet gehalten. Die in §5 der Verordnung vorgenommene Differenzierung im sachlichen Anwendungsbereich ist daher sachlich begründet.

6. Konkrete Auswirkungen gegenüber der bisherigen Judikatur

Auf Grund der obigen Ausführungen ist davon auszugehen, daß die Verordnung gegenüber der bisherigen Judikatur des VwGH in keinem Fall eine Schlechterstellung herbeiführt, sondern in vielen Fällen Besserstellungen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß es auch in den Fällen sogenannter Beteiligungsliebhaberei (§4 der Verordnung) zu keinen Schlechterstellungen kommt. Die Verordnung entspricht in diesem Bereich inhaltlich der Judikatur des VwGH (Erk. 24.10.90, 90/13/0089, 90/13/0090; insbesondere auch VwGH 6.11.90, 90/14/0132 betreffend zeitlich begrenzte Beteiligungen). Im übrigen deckt sich der Verordnungsinhalt auch weitgehend mit der Judikatur des BFH (BStBl 1984, 751ff, Großer Senat).

V. Rückwirken der Verordnung

Der Bundesminister für Finanzen hält im konkreten Fall - in Kenntnis der Lehre und Rechtsprechung (Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht, 1125f; Hackl in Allgemeines Verwaltungsrecht, 187, jeweils mit Hinweisen auf die Judikatur) - das rückwirkende Inkrafttreten der Liebhaberei-Verordnung aus den folgenden besonderen Gründen für zulässig:

Erstens führt die Liebhaberei-Verordnung, wie oben ausgeführt, in jedem Fall zu einer milderen Besteuerung. Im Bereiche eines Eingriffsrechts wie jenem des Steuerrechts muß dies ein rückwirkendes Inkrafttreten rechtfertigen, führt doch die Liebhaberei-Verordnung nur zu Besserstellungen der Steuerpflichtigen und damit zu einer rückwirkenden Lockerung des Eingriffs in die Rechtssphäre der Normadressaten.

Zweitens gerät die Verordnung in keinerlei Konflikte mit Gestaltungen, die im Vertrauen auf die rechtliche Situation vor der Verordnung hätten getroffen werden können. Allfällige Gestaltungen der Vergangenheit, mit denen bewußt die Ertragsstrukturen einer Betätigung beeinflußt werden, unterliegen nunmehr einer für den Steuerpflichtigen jedenfalls günstigeren Beurteilung. Damit treffen aber auch die vom VfGH geäußerten Bedenken gegenüber rückwirkend in Kraft gesetzten Normen (Erk. 5.10.89, G228/89) nicht zu.

Drittens erstreckt sich die steuerliche Beurteilung einer Betätigung typischerweise über mehrere Perioden. Da die Judikatur des VwGH in vielen Fällen zur Vornahme vorläufiger Veranlagung gezwungen hat und demgemäß bei Erlassen der Verordnung viele Fälle in diesem Sinne 'offen' waren, hätte ein Inkrafttreten der Verordnung etwa erst ab der Veranlagung 1990 eigenartige Konsequenzen gezeigt. So wäre dann ein und dieselbe Betätigung bis 1989 uU grundlegend anders beurteilt worden als ab 1990. Dies hätte zB dazu führen können, daß beispielsweise bis 1989 aus einer Betätigung anfallende Verluste wegen der bis dahin anzuwendenden strengeren Judikatur des VwGH steuerlich nicht anzuerkennen gewesen wären, währenddessen gegebenenfalls ab 1990 anfallende Gewinne (Überschüsse) aus der Betätigung sehr wohl steuerlich zu erfassen gewesen wären. Diese Aussage gilt selbstverständlich auch für solche Fälle, die bisher überhaupt noch nicht veranlagt worden sind. Auch diese Besonderheit periodenübergreifender Auswirkungen rechtfertigt das rückwirkende Inkraftsetzen.

Viertens sieht der Bundesminister für Finanzen in §307 Abs2 BAO auch einen positivrechtlichen Ansatz für die Zulässigkeit des rückwirkenden Inkrafttretens von Verordnungen. Diese Bestimmung besagt, daß eine Änderung der Rechtsauslegung durch höchstgerichtliche Entscheidungen oder allgemeine Weisungen des Bundesministeriums für Finanzen im Falle der Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zum Nachteil der Partei berücksichtigt werden darf. Der VwGH sieht diese Bestimmung nur dann für anwendbar, wenn von einer bestimmten Auslegung der genannten Entscheidungsträger auf eine andere Auslegung durch diese Entscheidungsträger übergegangen wird (Erk. 9.12.80, 3030,3059/79, verstärkter Senat). Dies bedeutet zunächst, daß Änderungen in der Auslegung allgemein grundsätzlich zurückwirken und nur im Sonderfall des §307 Abs2 BAO ein Rückwirkensverbot besteht. Anders gesagt ergibt sich aus §307 Abs2 BAO ein allgemeines Rückwirken der die Partei besserstellenden Änderungen der Rechtsauslegung. Es ist nicht einzusehen, warum dieses allgemeine Rückwirken besserstellender Änderungen der Rechtsauslegung nicht auch durch Verordnung herbeigeführt werden kann, stehen doch Verordnungen im Stufenbau der Rechtsordnung höher als Entscheidungen in konkreten Einzelfällen, anhand derer im Sinn des §307 Abs2 BAO die Änderungen der Auslegung eingeleitet wird. Dazu kommt ein Weiteres:

Nach der bereits oben angeführten ständigen Rechtsprechung des VfGH kann eine allgemeine Weisung des Bundesministeriums für Finanzen nur als ordnungsmäßig kundgemachte Verordnung ergehen. Beurteilt man §307 Abs2 BAO auf Basis dieser Auffassung des VfGH, so gelangt man zum Ergebnis, daß er eine allgemeine - nur in den Fällen nachteiliger Auswirkungen auf die Partei ausgeschlossene - Ermächtigung zur Erlassung rückwirkender Verordnungen enthält, und zwar im Bereich jener Abgabengesetze, auf die die BAO anzuwenden ist (§1 BAO). Dies trifft auf die Grundlagengesetze der Verordnung eindeutig zu."

Diese Äußerung veranlaßte den antragstellenden Verwaltungsgerichtshof zu folgender Replik:

"Es ist richtig, daß es bei der Erscheinung sogenannter steuerlicher Liebhaberei darum geht, unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesbegriffes der 'Einkunftsart' eine Abgrenzung zwischen dem Bereich zu finden, der der sachlichen Steuerpflicht zuzuordnen ist, und jenem Bereich, der außerhalb des sachlichen Anwendungsbereiches des Einkommensteuergesetzes angesiedelt ist, also einkommensteuerrechtlichem Regime gar nicht unterliegt. Diese Abgrenzung ist hinsichtlich aller Einkunftsarten, deren Aufzählung im Gesetz taxativ ist, vorzunehmen. Es geht daher im Grunde um den sachlichen Anwendungsbereich des Einkommensteuergesetzes.

Für die Ermittlung des Inhaltes des gesetzgeberischen Willens zu diesem Abgrenzungsproblem stehen an Aussagen des Gesetzgebers der Ausdruck Einkünfte, der Ausdruck Einkunftsarten, ihre Umschreibung, die Definition der Einkünfte (§2 Abs4 EStG 1972 und 1988), das Merkmal der Gewinnabsicht in der dritten Einkunftsart (§23 EStG 1972 und 1988) und der aus der Umschreibung abzugsfähiger und nicht abzugsfähiger Aufwendungen bzw. Ausgaben ersichtliche Umstand der Unterscheidung zwischen einer einkommensteuerrechtlich relevanten und einer einkommensteuerrechtlich irrelevanten Sphäre zu Gebote. Schließlich bietet auch die Zugehörigkeit der Einkommensteuer zum finanzverfassungsrechtlichen Kompetenztatbestand öffentlicher Abgaben (§§5, 7 F-VG 1948) einen Hinweis dafür, daß nach der Absicht des Gesetzgebers Lebenssachverhalte, die zwar den äußeren Anschein der Zugehörigkeit zu einer Einkunftsart erwecken, bei denen aber dessenungeachtet Gewinne bzw. Einnahmenüberschüsse, die einen Steuerertrag liefern könnten, nie zu erwarten sind, außerhalb des sachlichen Anwendungsbereiches des Gesetzes liegen dürften, könnten sie doch der Aufgabenstellung, einer Gebietskörperschaft Geldeinnahmen zu verschaffen, nicht gerecht werden. Dabei scheint dem Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes eine Differenzierung zwischen jenen Fällen, in denen einem Subjekt nur eine Tätigkeit (ein Verhalten) zurechenbar ist, die (das) den Eindruck der Zugehörigkeit zu einer Einkunftsart erweckt, in Wahrheit aber aus den genannten Gründen nicht dem sachlichen Anwendungsbereich des Einkommensteuerrechtes unterliegt, und jenen Fällen nicht unterstellbar, in denen dem Subjekt daneben auch noch andere Tätigkeiten oder Verhaltensweisen zuzurechnen sind, die dem sachlichen Anwendungsbereich des Einkommensteuerrechtes ohne Zweifel unterliegen, weshalb bei ihnen §2 Abs2 EStG 1972 bzw. 1988 hinsichtlich der Saldierung der Ergebnisse aus verschiedenen Einkünften schlagend wird.

Im Hinblick auf die Zurückhaltung des Gesetzgebers bei der Erläuterung der geschilderten Abgrenzungsfrage bietet sich für die Auslegung des Tatbestandsmerkmales 'Einkünfte' ('Einkunftsarten') ein entsprechend großes Feld von Varianten an, das durch die in der Gegenäußerung beschriebenen Theorien zumindest teilweise besetzt wurde.

Dem Durchführungsverordnungsgeber steht es zu, im Rahmen dieser denkmöglichen Interpretationen unter Beachtung einfach- und verfassungsgesetzlicher Schranken sein Konkretisierungsermessen zu nutzen und solcherart durch die von ihm geschaffene generelle Norm einer der denkmöglichen Interpretationsvarianten zum Durchbruch zu verhelfen. Er darf sich daher bei seiner Durchführungsverordnung etwa dem Gesichtspunkt der subjektiven Ertragsfähigkeit verschreiben oder dieser den Vorrang einräumen und sich dabei auch von der durchaus sachgerechten Erwägung leiten lassen, einer Dämpfung der Bereitschaft entgegenzuwirken, wirtschaftliches Risiko einzugehen. Insofern ist daher weder gegen das Ersuchen des Finanzausschusses, eine L

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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