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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. November 1993, Zl. 100.098/2-III/11/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung mangels Berufungsantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck als vom Landeshauptmann von Tirol gemäß § 6 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz ermächtigte Behörde wies mit Bescheid vom 10. August 1993 den Antrag des Beschwerdeführers vom 15. Juli 1993 auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz ab. Begründend wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Stellung des Antrages nicht im Besitz einer Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet gewesen sei. Es handle sich um einen Antrag gemäß § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz, der vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen sei. In der Rechtsmittelbelehrung wurde der Beschwerdeführer unter anderem darauf hingewiesen, daß die binnen zwei Wochen einzubringende Berufung einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit nachstehendem Inhalt:
"Betreff: Aufenthaltsbewilligung - Abweisung,
Bescheid vom 10.8.1993, Zahl: 5-Ä-730
Gegen den Bescheid vom 10.8.1993, Zl. 5-Ä-730, erhebe ich, H,
bosn. StA.,
Berufung
ein.
BEGRÜNDUNG: Ich lebe nun schon seit längerer Zeit in Österreich und arbeite in der Fa. X & Co (siehe beiliegende Bestätigung). Meine Arbeitserlaubnis ist bis zum 10.03.1994 gültig. Die verabsäumte Frist zur Verlängerung meines Sichtvermerkes ist damit zu begründen, daß ich damals keinen gültigen Reisepaß hatte, und auf der Ausstellung eines bosnischen wartete.
Leider sehe ich aber im Hinblick auf die Kriegsereignisse in meiner Heimat keine Möglichkeit, in diese zurückzukehren. Gemäß § 4 (1) der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 402/93, haben StA. von Bosnien-Herzegowina, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 01.07.1993 eingereist sind, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Gem. Abs. 3 besteht dieses Aufenthaltsrecht bis zum 30.06.1994.
Zudem stelle ich den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit einer Ausweisung.
Begründung: Aufgrund der Tatsache, daß ich bosnischer Staatsangehöriger bin, werde ich bei meiner Ausweisung unmenschlicher Behandlung ausgesetzt und müßte zudem in den Krieg ziehen, obwohl ich nicht gewillt bin, auf mein Volk zu schießen.
In der Hoffnung auf ein positives Erledigen verbleibe ich
hochachtungsvoll"
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück. In der Begründung wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung keinen Berufungsantrag gestellt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seite 492 f, zitierte verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung) ist bei der Beurteilung einer Berufung daraufhin, ob sie die für ihre meritorische Behandlung unverzichtbaren Voraussetzungen eines Berufungsantrages und einer Berufungsbegründung erfüllt, keine streng formalistische Auslegung vorzunehmen; es müssen demnach Antrag und Begründung nicht als solche bezeichnet und entsprechend getrennt sein. Für die Erfüllung der Voraussetzungen eines begründeten Berufungsantrages ist vielmehr erforderlich (aber auch ausreichend), daß aus einer als Berufung zu wertenden Eingabe einerseits - unter dem Gesichtspunkt des Berufungsantrages - erkennbar ist, was die Partei anstrebt, das heißt, ob sie eine gänzliche oder nur teilweise (und diesfalls welche) Abänderung oder Behebung des bekämpften Bescheides bezweckt, und daß die Eingabe andererseits - unter dem Gesichtspunkt der Begründung des Berufungsantrages - erkennen läßt, womit (das heißt mit welchen - wenn auch vielleicht nicht stichhältigen - Gründen) die Partei ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1993, Zl. 92/08/0220).
Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß die oben wiedergegebene Berufung diesen Anforderungen entspricht. Er führte in der Berufung einleitend aus, daß er gegen den Bescheid vom 10. August 1993 "Aufenthaltsbewilligung - Abweisung" Berufung erhebe und schloß damit, daß er auf eine positive Erledigung hoffe. Daraus ist unschwer erkennbar, daß der Beschwerdeführer die Abänderung des bezeichneten Bescheides dahingehend wünscht, daß ihm die beantragte Bewilligung erteilt werde.
Da die belangte Behörde durch die Zurückweisung der Berufung den Beschwerdeführer in seinem Recht auf eine (wenn auch möglicherweise negative) Sachentscheidung verletzt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180060.X00Im RIS seit
20.11.2000