TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/8 92/13/0156

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Veröffentlicht am 08.06.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4 impl;
BAO §289 Abs1 impl;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat III, vom 23. November 1988, GZ. 6/1-1060/3/87, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für 1973 bis 1975 und Vermögensteuer ab 1. Jänner 1973, 1974 und 1976, sowie betreffend Einkommensteuer 1973 bis 1975 und Vermögensteuer ab 1. Jänner 1973, 1974 und 1976,

Spruch

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Abspruches über Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1973 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Alleinerbe nach dem am 16. Jänner 1976 verstorbenen Ludwig K. Zu dem dem Beschwerdefall zugrunde liegenden Sachverhalt wird auf das Erkenntnis vom heutigen Tag hg. Zl. 92/13/0155 verwiesen.

Die nach dem Tod des Ludwig K. erlassenen Erstbescheide betreffend Einkommensteuer 1974 und 1975 sowie Vermögensteuer zum 1. Jänner 1974, 1975 und 1976 wiesen als Bescheidadressaten Ludwig K. aus. Ebenso ergingen die nach einer in den Jahren 1979 und 1980 hinsichtlich der Jahre 1974 bis 1976 durchgeführten Betriebsprüfung erlassenen Abgabenbescheide an Ludwig K. Nach der neuerlichen Betriebsprüfung im Jahre 1986 wurde der das Einkommen des Ludwig K. für 1973 betreffende, an den Beschwerdeführer als Erben ergangene Einkommensteuerbescheid gemäß § 295 BAO geändert. Weiters wurde ein (Erst-)Bescheid betreffend Vermögensteuer zum 1. Jänner 1973 erlassen.

Hinsichtlich Einkommensteuer 1974 und 1975 sowie Vermögensteuer zum 1. Jänner 1974 und 1976 wurde vom Finanzamt die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt; gleichzeitig wurden Bescheide über diese Abgaben erlassen.

Gegen die Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1975, die Vermögensteuerbescheide ab dem 1. Jänner 1973, 1974 und 1976 sowie die "Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens

... betreffend die vorstehenden Bescheide" wurde Berufung

erhoben.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde über diese Berufung folgendermaßen entschieden:

"1.) Der Berufung gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1973 bis 1975 und Vermögensteuer ab dem 1. Jänner der Jahre 1973, 1974 und 1976 wird Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

Die Berufung gegen den gemäß § 307 Abs. 1 BAO neu erlassenen Bescheid betreffend Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1973 wird als gegenstandslos erklärt.

2.) Der Berufung gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1974 und 1975 und Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1974 wird teilweise stattgegeben.

3.) Die angefochtenen Bescheide betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1973 und Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1976 werden abgeändert."

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 2. Dezember 1991, B 296/89-10, abgelehnt. Gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof werden inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Wiederaufnahme des Verfahrens

In der gegenständlichen Berufung wurde die "ersatzlose" Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt. Nach dem ausdrücklichen Spruchteil 1.) der Berufungsentscheidung wurde der Berufung von der belangten Behörde hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1973 bis 1975 sowie Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1973, 1974 und 1976 Folge gegeben, die erstinstanzlichen Wiederaufnahmebescheide wurden "ersatzlos" aufgehoben. Durch einen derartigen Abspruch, mit dem dem Begehren des Beschwerdeführers Rechnung getragen wird, kann dieser in einem subjektiv-öffentlichen Recht nicht verletzt sein (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 419). Auch dadurch, daß die belangte Behörde nach dem Spruch der Entscheidung gar nicht erlassene Bescheide - eine Wiederaufnahme des Verfahrens wurde hinsichtlich Einkommensteuer 1973 sowie Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1973 gar nicht verfügt (sodaß, wie auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides festgestellt worden ist, die Berufung richtigerweise insoweit zurückzuweisen gewesen wäre) - aufgehoben hat, konnte der Beschwerdeführer nicht in seinem Recht verletzt sein. Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen den die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide betreffenden Teil des Abspruches wandte, in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG zusammengesetzten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 zurückzuweisen.

2. Anwendung des Steueramnestiegesetzes

Wenn für Abgaben, bezüglich derer der Abgabenanspruch 1979 oder 1980 entstanden ist, die für die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der Abgabenbehörde in vollem Umfang entweder

1.

vor dem 1. Jänner 1983 bekannt waren oder

2.

auf Grund einer nach dem 31. Dezember 1982 bis 31. Dezember 1983 erstatteten Selbstanzeige bekannt werden, so haben gemäß § 1 Abs. 1 Steueramnestiegesetz, BGBl. Nr. 569/1982 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 344/1983, nach den näheren Bestimmungen des Abschnittes I dieses Gesetzes bei Festsetzung derartiger Abgaben für die Zeit vor 1979 Umstände unberücksichtigt zu bleiben, die vor dem 1. Jänner 1983 entgegen § 119 BAO nicht offengelegt wurden.

Das Steueramnestiegesetz eröffnete durch gesetzliche Sondermaßnahmen die Möglichkeit, einerseits den in Betracht kommenden Abgabepflichtigen die Rückkehr zu steuerehrlichem Verhalten zu erleichtern und ihnen damit eine goldene Brücke zu bauen und anderseits auch der permanenten Minderung des Abgabenaufkommens entgegenzuwirken. Dabei setzt künftiges, den Abgabenvorschriften entsprechendes Verhalten vielfach die Rückkehr des Abgabepflichtigen zur Steuerehrlichkeit auch für Zeiträume oder Zeitpunkte, hinsichtlich der er bereits Abgabenverkürzungen bewirkt hat, voraus; dies sollte durch die Inanspruchnahme der Begünstigungen des StAmG herbeigeführt werden (Regierungsvorlage zum StAmG, 1212 Blg NR 15. GP).

Voraussetzung für die Anwendung des § 1 Abs. 1 StAmG ist, daß im Beobachtungszeitraum 1979 und 1980 überhaupt ein Abgabenanspruch hinsichtlich Abgaben im Sinne des § 2 StAmG entstanden ist. Die Auffassung des Beschwerdeführers, deswegen, weil sein Vater Ludwig K. als Abgabepflichtiger im Beobachtungszeitraum 1979 und 1980 nicht mehr existent war, seien die Voraussetzungen für die Anwendung der Amnestiewirkungen erfüllt, ist mit dem klaren Wortlaut des Gesetzes und seinem wiedergegebenen Zweck nicht in Einklang zu bringen.

Sollte aber der Beschwerdeführer gemeint haben, die Amnestiewirkungen erstreckten sich auf die seinen Vater treffenden Einkommensteueransprüche aus dem Gesichtspunkt der Gesamtrechtsnachfolge, so steht dem schon das mangelnde Wohlverhalten des Beschwerdeführers in den Jahren 1979 und 1980 entgegen (vgl. dazu das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 92/13/0154).

3. Verjährung

Soweit sich der Beschwerdeführer durch die Anwendung des § 209a BAO beschwert erachtet, ist er auf das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 92/13/0155, zu verweisen; danach steht der im angefochtenen Bescheid getroffenen Entscheidung über die Einkommensteuer 1973 der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.

Auch hinsichtlich der wörtlich weitgehend übereinstimmenden Einwendungen gegen die Anwendung des zweiten Satzes des § 207 Abs. 2 BAO über die zehnjährige Verjährungsfrist bezüglich hinterzogener Abgaben ist auf das Erkenntnis hg. Zl. 92/13/0155 zu verweisen, wonach die Behörde schlüssigerweise von einer vorsätzlich begangenen Verkürzung der in Rede stehenden Abgaben ausgehen konnte.

Soweit im angefochtenen Bescheid jedoch über die Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1973 abgesprochen wurde, wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargestellt, daß es zur Festsetzung dieser Abgabe erst nach Ablauf der Zehn-Jahres-Frist gekommen ist, ohne daß eine Amtshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO die Verjährung unterbrochen hatte. Obgleich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführte, der Berufung sei somit hinsichtlich Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1993 stattzugeben, wurde die Berufung im Spruch des angefochtenen Bescheides "als gegenstandslos erklärt". Wie immer dieser Abspruch - der mit den Vorschriften der Bundesabgabenordnung über eine Gegenstandsloserklärung der Berufung nicht in Einklang zu bringen ist - auch von der belangten Behörde gemeint gewesen ist, hat sie damit jedenfalls die von ihr als rechtswidrig erkannte Vermögensteuervorschreibung der Abgabenbehörde erster Instanz aufrechterhalten. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher hinsichtlich Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1973 als inhaltlich rechtswidrig, sodaß er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

4. Sonstige Einwendungen

Sämtliche übrigen Einwendungen der Beschwerde sowie der Beschwerdeergänzung, die überdies mit den zu

hg. Zlen. 92/13/0154 (vorher Zl. 92/13/0065) und 92/13/0155 (vorher Zl. 92/13/0066) protokollierten Beschwerden (Beschwerdeergänzungen) weitgehend, z.T. wörtlich übereinstimmen, sind inhaltlich gegen die Feststellung der Einkünfte der I. OHG der Jahre 1973 bis 1975 sowie des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1974 und 1. Jänner 1976 gerichtet. Hiezu wird im § 252 Abs. 1 BAO bestimmt, daß ein Bescheid, dem in einem Feststellungsbescheid getroffene Entscheidungen zugrunde liegen, nicht mit der Begründung angefochten werden kann, daß die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Ermittlung des Gewinnes der Streitjahre und die Höhe des Betriebsvermögens zu den strittigen Zeitpunkten wendet, war die Beschwerde somit im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGG unbegründet.

Es war in der Beschwerdesache daher wie im Spruch zu entscheiden, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung zufolge der erst im Ergänzungsschriftsatz vom 15. April 1992 enthaltenen, somit iSd § 39 Abs. 1 Z. 1 VwGG verspäteten Antragstellung abgesehen wurde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Tod des BeschwerdeführersMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONVerhältnis zu anderen Materien und Normen VwGG (siehe auch Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren)Rechtsnatur und Rechtswirkung der Berufungsentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992130156.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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