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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §163;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der S OHG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 28. Oktober 1991, Zl. 6/3 - 3241/91-05, betreffend Umsatzsteuer, Feststellung der Einkünfte, Gewerbesteuer und Gewerbesteuerzerlegung für die Jahre 1985, 1986 und 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende OHG betreibt an zwei Standorten das Friseurgewerbe. Eine im Oktober 1987 abgeschlossene Betriebsprüfung der Jahre 1982 bis 1984 hatte Buchführungsmängel zutage gefördert und auf Nachkalkulationen beruhende Erlöszuschätzungen ergeben und zu einem Rechtsmittelverzicht der Beschwerdeführerin hinsichtlich der den Prüfungsergebnissen entsprechenden Bescheide geführt.
Im Zuge einer die Streitjahre betreffenden neuerlichen Betriebsprüfung fand die Prüferin ungeachtet der Feststellung einzelner Mängel keinen Anlaß, die Bücher der Beschwerdeführerin als nicht ordnungsmäßig im Sinne des § 131 BAO zu beurteilen, nahm jedoch neben einigen Korrekturen auf der Ausgabenseite Umsatz- und Gewinnzuschätzungen in Höhe von S 400.000,-- für das Jahr 1985 und von S 500.000,-- für das Jahr 1986 vor, welche sie anhand einer Nachkalkulation nach dem Lohnaufschlagskoeffizienten ermittelte; für den von der Beschwerdeführerin nicht berücksichtigten Eigenverbrauch setzte sie Beträge von S 18.000,-- für das Jahr 1985, von S 20.000,-- für das Jahr 1986 und von S 22.000,-- für das Jahr 1987 an.
Gegen die auf der Basis des Prüfungsberichtes erlassenen Umsatzsteuer-, Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerbescheide für die Streitjahre berief die Beschwerdeführerin ebenso wie auch gegen die für die Streitjahre erlassenen Gewerbesteuerzerlegungsbescheide. Sie wandte sich dabei sowohl gegen die Erlöszuschätzungen für die Jahre 1985 und 1986, als auch gegen die von der Prüferin ermittelten Eigenverbrauchsansätze und führte ins Treffen, daß die von der Betriebsprüferin angestellte Kalkulation auf Grund des Lohneinsatzes unrichtig sei, weil der Personalstand bei schlechtem Geschäftsgang kein Kriterium für die erzielbaren Umsätze sein könne. Bedacht sei vielmehr auf den Materialeinsatz und den sich daraus ergebenden Erlösfaktor zu nehmen, welcher branchenüblich sei und die erklärten Umsätze als richtig erweise. Dies versuchte die steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin anhand einer für die Streitjahre dargestellten Kalkulation zu belegen, in welcher sie vom Gesamtwareneinsatz jeweils jenen für Hilfs- und Betriebsstoffe, jenen für Verkaufsware und Beträge für "Personalverbrauch" abzog, die erklärten Leistungserlöse durch den solcherart ermittelten "Nettowareneinsatz" dividierte und auf diese Weise zu Vervielfältigungsfaktoren von 12,7 für das Jahr 1985, 12,3 für das Jahr 1986 und 13,5 für das Jahr 1987 gelangte; die unter dem Titel "Personalverbrauch" vom "Bruttowareneinsatz" abgezogenen Beträge bezifferte die Beschwerdeführerin für das Jahr 1985 und 1987 mit je S 20.000,-- und für das Jahr 1986 unter dem Hinweis "incl. Schulung" mit S 40.000,--. Die von der Betriebsprüfung ermittelten Erlöszuschätzungen ergäben hingegen Faktoren von 14,3 für das Jahr 1985 und 14,08 für das Jahr 1986, welche absolut branchenunüblich seien. Es sei der schlechte Geschäftsgang in den Jahren 1985 und 1986 auch erklärbar durch die vermehrte Aufnahme von Fremdmitteln. Ein Eigenverbrauchstatbestand bestehe nicht, weshalb auch keine Aufzeichnungen über einen Eigenverbrauch zu führen gewesen seien und demgemäß auch keine Hinzuschätzungsberechtigung bestanden habe.
In ihrer zur Berufung der Beschwerdeführerin erstatteten Stellungnahme vollzog die Prüferin die von der Beschwerdeführerin angestellte Rechnung mit der Abänderung nach, daß sie vom jeweiligen Wareneinsatz die in der Prüfung angesetzten Eigenverbrauchszahlen abzog, jedoch die von der Beschwerdeführerin abgezogenen Beträge für "Personalaufwand" mit der Begründung wieder hinzuzählte, daß es für die von der Beschwerdeführerin genannten Werte keinerlei Aufzeichnungen gegeben habe und diese Werte auch nicht glaubhaft seien. Die aus dieser Kalkulation zu ermittelnden Vervielfältigungsfaktoren erwies die Prüferin auf der Basis der von ihr vorgenommenen Hinzuschätzungen mit 14,39 für das Jahr 1985, 13,19 für das Jahr 1986 und 13,64 für das Jahr 1987.
Einen auf der Basis dieser Stellungnahme der Prüferin zur Berufung erlassenen Vorhalt ließ die steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin unbeantwortet, brachte jedoch in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde ergänzend vor, daß es unrichtig von der Prüferin gewesen sei, bei Ermittlung des Lohnaufschlagskoeffizienten die Lehrlinge zu berücksichtigen, weil diese nur Hilfsarbeiten durchführten und keine Leistung erbrächten. Die hohe Lehrlingszahl (acht Lehrlinge) drücke den Umsatz, wozu noch in Rechnung gestellt werden müsse, daß Lehrlinge nach Abschluß des Lehrvertrages nicht gekündigt werden könnten. Im Jahre 1985 sei eine Gesellin ausgeschieden und habe einen Teil der Kundschaft in das von ihr eröffnete Lokal mitgenommen, ein weiterer Geselle haben ebenfalls den Arbeitsplatz gewechselt. Bei den für Angestellte verwendeten Materialien handle es sich überwiegend um neue Produkte, die an den Angestellten ausprobiert würden; ebenso würden an den Angestellten neue Frisuren ausprobiert, damit junge Leute als Kunden gewonnen werden könnten. Schließlich bestritt die steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin auch noch die Richtigkeit der von der Prüferin der Kalkulation zugrunde gelegten Stehzeiten. Nicht nachvollziehbar sei die von der Prüferin angestellte Eigenverbrauchsberechnung. Es könne die Bestimmung des § 184 BAO im vorliegenden Fall überhaupt nicht zur Anwendung kommen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Daß im Betrieb der Beschwerdeführerin kein Eigenverbrauch vorliege, führte die belangte Behörde begründend aus, sei nach den allgemeinen Erfahrungen in dieser Branche als unglaubwürdig zu beurteilen. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin die schon bei der letzten Betriebsprüfung erfolgte Hinzurechnung von Eigenverbrauchbeträgen akzeptiert habe, entspräche es der Erfahrung des Lebens, daß die Gesellschafter der Beschwerdeführerin, eine Dame und ein Herr, einen entsprechenden Eigenverbrauch an Material und Dienstleistungen aufweisen würden; die von der Betriebsprüfung angesetzte Höhe der Eigenverbrauchsbeträge sei als wirtschaftlich glaubhaft zu beurteilen, es habe die Beschwerdeführerin der Höhe dieser Beträge auch nichts entgegengesetzt. Auch die Erlöszuschätzungen für die Jahre 1985 und 1986 seien nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, daß die Aufzeichnungen keinesfalls als ordnungsgemäß bezeichnet werden könnten, ergebe die Kalkulation der Prüferin sowohl nach dem Lohnaufschlagskoeffizienten als auch nach dem von der Beschwerdeführerin gewünschten Erlösfaktor für das Jahr 1987 jeweils den im wesentlichen von der Beschwerdeführerin erklärten Betrag. Dementsprechend erwiesen sich aber die für die Jahre 1985 und 1986 vorgenommenen Hinzuschätzungen als zutreffend, weil sie nach beiden Kalkulationsmethoden ergäben, daß die für diese Jahre von der Beschwerdeführerin erklärten Umsätze nicht richtig sein könnten. Wenn die Beschwerdeführerin schlechten Geschäftsgang für die Jahre 1985 und 1986 behaupte, sei dies angesichts der im Jahre 1986 erfolgten Pesonalvermehrung nicht einsichtig, was ebenso für die von ihr ins Spiel gebrachte Kreditaufnahme gelten müsse. Die von der steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin in der mündlichen Berufungsverhandlung unternommene Bestreitung der von der Prüferin angesetzten Stehzeiten übersehe, daß diese Stehzeiten den eigenen Unterlagen der Beschwerdeführerin entstammten. Daß die Arbeitsleistung von Lehrlingen überhaupt nicht berücksichtigt hätte werden dürfen, widerspreche wirtschaftlicher Erfahrung; den ins Treffen geführten Personalabgang habe die Beschwerdeführerin durch Neueinstellungen aufgefangen, ohne behaupten zu können, daß das neu eingestellte Personal weniger tauglich gewesen sei. Die Schätzungsberechtigung folge aus der sachlichen Unrichtigkeit der Aufzeichnungen, welche sich nach beiden Kalkulationsmethoden ergeben habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Bescheidaufhebung.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Beschwerdeabweisung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bestreitet die Schätzungsberechtigung der Behörde, indem sie ins Treffen führt, daß die Beweiskraft ihrer Aufzeichnungen im Betriebsprüfungsbericht nicht bestritten worden sei, weshalb § 163 BAO anzuwenden sei. Gerade die von ihr zitierte Gesetzesbestimmung schließt aber eine Heranziehung auch solcher Bücher, die den Vorschriften des § 131 BAO entsprächen, als Grundlage der Abgabenerhebung für den Fall aus, daß begründeter Anlaß gegeben ist, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen; die im § 163 BAO normierte Vermutung ist nicht unwiderleglich. Demgemäß begründet nach § 184 Abs. 3 BAO auch die Feststellung sachlicher Unrichtigkeit formell mängelfreier Bücher Berechtigung und Verpflichtung der Abgabenbehörde, die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen.
Die im angefochtenen Bescheid übernommene Feststellung der Betriebsprüfung, daß die Bücher der Beschwerdeführerin im Ausmaß der vorgenommenen Hinzuschätzungen sachlich unrichtig waren, begründete die von der Beschwerdeführerin bekämpfte Schätzungsbefugnis rechtlich dann, wenn diese Feststellung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle standhält. Diese Kontrolle hat sich in Sachverhaltsfragen auf die Prüfung zu beschränken, ob die behördliche Feststellung Ergebnis eines von relevanten Mängeln freien Verfahrens ist und ob die behördliche Beweiswürdigung vor dem Maßstab der Denkgesetze und des allgemeinen menschlichen Erfahrungsgutes bestehen kann (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 548 ff, angeführten Judikaturnachweise). Dies ist im Beschwerdefall zu bejahen.
Schon die von der Betriebsprüferin auf der Basis des Lohnkostenaufwandes vorgenommene Kalkulation war schlüssig und ist von der Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerdeschrift tauglich erschüttert worden. Daß bei einem Friseurbetrieb die Bedeutung des Wareneinsatzes im Verhältnis zur Bedeutung der erbrachten Dienstleistung völlig in den Hintergrund tritt, bedarf keiner Erläuterung. Dementsprechend war die von der Betriebsprüferin auf der Basis des feststehenden Lohneinsatzes angestellte Erlöskalkulation von vornherein schon wesentlich aussagekräftiger, als es eine am vergleichsweise viel weniger bedeutsamen Wareneinsatz orientierte Kalkulation sein konnte. Dem behaupteten schlechten Geschäftsgang in den Jahren 1985 und 1986 hält der angefochtene Bescheid unwidersprochen den Umstand entgegen, daß sich die Beschwerdeführerin im Jahre 1986 zu einer Personalvermehrung entschloß, was für Zeiten schlechten Geschäftsganges eine ungewöhnliche kaufmännische Entscheidung gewesen wäre. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hat die Betriebsprüferin bei Ermittlung des Lohnaufschlagskoeffizienten auch dem Umstand in ausreichender Weise Rechnung getragen, daß die von Lehrlingen erbrachten Leistungen denen ausgelernter Kräfte nicht gleichgehalten werden können. So hat die Prüferin die Lehrlingsleistungen ohnehin nur in Prozentsätzen der Leistungen einer ausgelernten Kraft, gestaffelt nach dem Ausbildungsstand, in einer Weise in Ansatz gebracht, welche Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht begegnet. Auf die im Berufungsverfahren erhobene Rüge zu niedrig angesetzter Stehzeiten kommt die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr zurück; sie sei aber zu ihrer Schlüssigkeitsrüge der von der Prüferin angestellten Kalkulation denn doch daran erinnert, daß sie der im Betriebsprüfungsbericht getroffenen Feststellung über das Vorhandensein einer Empfangsdame und einer Kassiererin und der daraus gezogenen Schlußfolgerung auf eine hohe Auslastung des Friseurbetriebes in der Sache nichts entgegengesetzt hat.
War die in der Berufung angestellte Kalkulation auf der Basis des Wareneinsatzes schon von ihrem Ansatz her nicht geeignet, die Kalkulation der Betriebsprüferin zu widerlegen, dann rundet das von der Prüferin in ihrer Stellungnahme zur Berufung mit Recht korrigierte Ergebnis diese Kalkulation das Gesamtbild nur noch zugunsten der behördlichen Beweiswürdigung ab. Schließlich ist auch die Überlegung der Behörde nicht als unschlüssig zu erkennen, daß aus der Übereinstimmung zweier auf unterschiedlichem Wege vorgenommene Kalkulationen mit dem Betriebsergebnis des Jahres 1987 ein nicht ungewichtiges Indiz dafür zu gewinnen war, daß die übereinstimmenden Kalkulationsergebnisse aus beiden Verfahren auch für die beiden anderen Streitjahre geeignet sein mußten, das tatsächlich erzielte Betriebsergebnis im Gegensatz zu den deklarierten Zahlen wiederzugeben.
Auch der von der Betriebsprüferin vorgenommene Ansatz für Eigenverbrauch ist unbedenklich. Unerfindlich bleibt, weshalb die Beschwerdeführerin den Eigenverbrauch lediglich dem Material-, nicht hingegen auch dem Dienstleistungssektor zuzuordnen bereit ist. Daß die Gesellschafter der Beschwerdeführerin ihren persönlichen Dienstleistungsbedarf an Haarpflege in den Streitjahren bei einem Konkurrenzunternehmen gedeckt hätten, hat die Beschwerdeführerin nie behauptet und wäre ebensowenig wahrscheinlich wie die Annahme, daß ein solcher Bedarf nicht bestanden hätte. Die im angefochtenen Bescheid bestätigten Hinzuschätzungen aus dem Titel des Eigenverbrauchs entsprechen sowohl dem Grunde, als auch ihrer Höhe nach allgemein menschlicher Erfahrung.
Der angefochtene Bescheid hat somit weder in der Beurteilung des Vorliegens abgabenbehördlicher Schätzungsberechtigung noch im gefundenen Schätzungsergebnis die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt. Ihre Beschwerde gegen die Umsatzsteuer- und Gewinnfeststellungsbescheide erwies sich demnach als unbegründet. Ihre Beschwerde gegen die Gewerbesteuerbescheide konnte schon aus dem Grunde des § 252 Abs. 1 BAO nicht erfolgreich sein, gegen die Gewerbesteuerzerlegungsbescheide hat sie zu keiner Zeit ein Sachargument vorgetragen.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1991130253.X00Im RIS seit
20.11.2000