TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/9 94/06/0036

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Veröffentlicht am 09.06.1994
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

BauO Tir 1989 §4 Abs1;
BauRallg;
B-VG Art139 Abs1;
ROG Tir 1984 §1;
ROG Tir 1984 §10;
ROG Tir 1984 §13;
ROG Tir 1984 §15;
ROG Tir 1984 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der X Gesellschaft m.b.H. & Co. KG in Z, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 3. Jänner 1994, Zl. Ve1-550-2076/1-1, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 26. März 1992, eingelangt bei der mitbeteiligten Gemeinde am 30. März 1992, beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung einer Lagerhalle mit Büroräumen und Ausstellungsraum auf der Gp. 9853. Das Ansuchen war mit einem Lageplan der Ingenieurgemeinschaft J zur GZ. 50204/92 und mit einer Planparie Nr. 4/92 des Architekten D.I.H.W. vom 23. März 1992 belegt. Zu einem aus der Aktenlage nicht nachvollziehbaren Zeitpunkt wurden Pläne desselben Architekten vom 6. August 1992 vorgelegt, die das Bauvorhaben um die Längsachse spiegeln, aber nicht vom Bau- oder Grundeigentümer unterfertigt sind.

Über das Ansuchen vom 30. März 1992 wurde eine mündliche Verhandlung am 16. Oktober 1992 durchgeführt. Mit Bescheid vom 30. April 1993 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dieses Bauansuchen gemäß § 31 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, mit einem am 30. März 1992 eingelangten Ansuchen habe die Beschwerdeführerin die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung beantragt. Der Südteil der Gp. 9853 liege zweifelsfrei - wie auch vom Bauwerber festgestellt - im Freiland und zwar ca. 12 m im Bereich der östlichen und ca. 9 m im Bereich der westlichen Grundstücksgrenze, das restliche Grundstück liege im Bauland - Gewerbe- und Industriegebiet (TROG § 13). Geplante Gebäudeteile kämen im Freiland zu liegen.

Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung der Beschwerdeführerin hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 11. Juni 1993 keine Folge gegeben; die dagegen eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 3. Jänner 1994 abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die gegenständliche Gp. 9853 habe zum Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde die Widmung "Gewerbe- und Industriegebiet" nach § 13 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 und die Widmungskategorie "Freiland" aufgewiesen. Durch diese teilweise Freilandwidmung liege jedoch kein Bauplatz im Sinne des Gesetzes vor. Auch der Umstand, daß der Anteil des Freilandbereiches im Verhältnis zur Widmung Gewerbe- und Industriegebiet als gering angesehen werden könne, vermöge daran nichts zu ändern, daß ein Bauplatz im Sinne des § 3 Abs. 9 TBO und § 4 TBO aufgrund zweier über die betreffende Grundparzelle verlaufender Widmungen nicht gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtwidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Vorstellung der Beschwerdeführerin auf den Umstand gestützt, daß für das gegenständliche Grundstück 9853 teils die Widmung "Gewerbe- und Industriegebiet" nach § 13 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, im übrigen aber die Widmungskategorie "Freiland" festgelegt ist. Durch diese teilweise Freilandwidmung liege kein Bauplatz im Sinne des Gesetzes vor. Diese Rechtsansicht findet in der anzuwendenden Rechtslage keine Deckung. Weder das Tiroler Raumordnungsgesetz 1984, LGBl. Nr. 4/1984, in der Fassung LGBl. Nr. 76/1990 (TROG 1984), noch die Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, schließen die grundsätzliche Möglichkeit der Bebauung eines Grundstückes mit verschiedenen Widmungskategorien aus. Das Vorhandensein zweier Widmungskategorien für ein Grundstück steht auch nicht grundsätzlich im Widerspruch zu den im § 1 TROG 1984 normierten Aufgaben und Zielen der überörtlichen Raumordnung oder zu den im § 8 leg. cit. normierten Zielen der örtlichen Raumordnung. Sachverhaltsbezogen findet sich auch kein Anhaltspunkt dafür, weshalb im Beschwerdefall das insgesamt 3.277 m2 große Grundstück der Beschwerdeführerin, das nur mit seinem südlichen Bereich mit einer Tiefe von etwa 10 m und der Grundstücksbreite von etwa 45 m im Freiland liegt, nicht einer sinnvollen Bebauung zugeführt werden könnte. Auch ein nur teilweise als Bauland gewidmetes Grundstück ist insoweit im Sinne des § 4 Abs. 1 TBO für eine Bebauung unter dem Gesichtspunkt der Widmung geeignet. Von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer teilweisen Widmung geht offenbar auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 1992, V 318/91, zur vergleichbaren Rechtslage nach dem Vorarlberger Raumplanungsgesetz aus. Ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsansicht hat aber die Gemeindeaufsichtsbehörde eine Überprüfung des bei ihr angefochtenen Bescheides durch den Gemeindevorstand auf allfällige Rechtsverletzungsmöglichkeiten der Beschwerdeführerin im Sinne des § 112 Abs. 5 der Tiroler Gemeindeordnung unterlassen; so auch eine Überprüfung dahingehend, inwieweit das vorgesehene Bauwerk in den Freilandbereich ragt und ob nicht die Gemeindebehörden gehalten gewesen wären, allenfalls eine diesbezüglich geringfügige Reduktion oder Verschiebung des Bauvorhabens nach Norden zu veranlassen. Dadurch belastete die Aufsichtsbehörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, die zur Aufhebung des Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen mußte.

Zu einer Antragstellung gemäß Art. 139 B-VG an den Verfassungsgerichtshof betreffend den Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde sah sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, weil allein der Umstand, daß ein Grundstück verschiedene Widmungen aufweist, keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit eines Flächenwidmungsplanes begründet. Im übrigen erscheint es nicht unsachlich, wenn die mitbeteiligte Gemeinde unter Berücksichtigung des Umstandes, daß im Zeitpunkt der Erstellung des Flächenwidmungsplanes (1975) die Trasse der Inntal-Autobahn zwar noch nicht verordnet, aber die Errichtung in diesem Bereich bereits geplant war, für diesen Bereich zwar keine Baulandwidmung vorsah, im übrigen aber die Bebaubarkeit des Grundstückes nicht über das unbedingt erforderliche Maß hinaus beschränken wollte. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin wurde auch nicht ein geringfügiger Teil der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft wieder als "freie Fläche" gewidmet, vielmehr wurde diese Fläche vom bisher einzigen Flächenwidmungsplan, den die mitbeteiligte Gemeinde in diesem Bereich erlassen hat (Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Mötz vom 19. Dezember 1975, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. Juli 1976) weder als Bauland noch als Hauptverkehrsfläche gewidmet und ist somit Freiland verblieben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff WwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in der zitierten Verordnung der Schriftsatzaufwand mit S 12.500,-- pauschaliert ist, in diesem Betrag die Umsatzsteuer bereits inbegriffen ist und Stempelgebühren nur im Umfang von S 450,-- erforderlich waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994060036.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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