TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/9 91/06/0079

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Veröffentlicht am 09.06.1994
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L80006 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Steiermark;
L80206 Flächenwidmung Bebauungsplan einzelner Gemeinden Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39;
BauO Stmk 1968 §61 Abs1;
BauRallg;
FlWPl Graz 1982;
ROG Stmk 1974 §25 Abs2;
ROG Stmk 1974 §25 Abs3 Z1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der N-Gesellschaft m.b.H. in V, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 21. März 1991, Zl. A 17-K-6749/1991-1, betreffend Abweisung eines Bauansuchens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem am 17. Juli 1989 eingebrachten Antrag hat die Beschwerdeführerin um die baubehördliche Bewilligung für die Herstellung von oberirdischen PKW-Abstellplätzen sowie einer Kanalanlage zur Ableitung der Oberflächenwässer und eines Sprinklerbeckens auf der Liegenschaft Z, Grundstück Nr. n1, EZ m8, KG X, angesucht. Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 17. Dezember 1990 wurde der Antrag abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Mit Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz (belangte Behörde) vom 21. März 1991 wurde der Berufung keine Folge gegeben und die Entscheidung der Behörde erster Instanz bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß das Grundstück Nr. n1, EZ m8, KG X, nach dem Flächenwidmungsplan 1982 der Landeshauptstadt Graz als "Freiland" und zwar ohne Festsetzung einer Sondernutzung ausgewiesen sei. Aus diesem Grunde sei das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Erteilung der Widmungsbewilligung für dieses Grundstück zu einem Bauplatz wegen eines Widerspruches zum Flächenwidmungsplan 1982 der Landeshauptstadt Graz abgewiesen worden. Auch die Berufung gegen diesen Bescheid im Widmungsverfahren sei abgewiesen worden. Da somit zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Bauansuchen durch die Behörde zweiter Instanz ein rechtskräftiger, das Widmungsansuchen abweisender Bescheid vorliege, sei auch die Baubewilligung zu versagen.

Eine Bewilligungsfähigkeit sei auch dann nicht gegeben, wenn man davon ausgehe, daß die beantragten Bauvorhaben in mehrere trennbare, selbständige Vorhaben geteilt werden können, da zwar für die Kanalanlage zur Ableitung der Oberflächenwässer als "bauliche Anlage größeren Umfanges unter der Erde" nach § 57 Abs. 1 lit. g der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, die Pflicht zum Nachweis der Widmung nach § 58 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung 1968 entfallen würde, wohl aber ein Widerspruch zur Ausweisung Freiland im Flächenwidmungsplan gegeben wäre. Weder die Kanalanlage noch das Sprinklerbecken dienten nämlich der zulässigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung. Auf Grund dieses Widerspruches zu gesetzlichen Bestimmungen seien die Bewilligungen für die beantragten Bauvorhaben zu versagen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Baubewilligung gemäß der Steiermärkischen Bauordnung 1968 zusammenfassend dadurch verletzt, daß die Behörde einerseits vom Fehlen einer das Bauansuchen deckenden Widmungsbewilligung ausgegangen sei und die Behörde andererseits auf Grund des § 57 Abs. 1 lit. g der Steiermärkischen Bauordnung 1968 auch hinsichtlich der Kanalanlage zur Ableitung der Oberflächenwässer und hinsichtlich des Sprinklerbeckens zu einem Widerspruch mit den gesetzlichen Bestimmungen gekommen sei und daher das Bauansuchen abgewiesen habe. Im Hinblick auf § 61 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 sei davon auszugehen, daß nur ein "unlösbarer" Widerspruch zum Flächenwidmungsplan die Behörde zur Abweisung berechtigt hätte. Die Behörde sei - wie schon ihre eigene Diktion zeige - jedoch nur von einem möglichen unlösbaren Widerspruch ausgegangen. Es hätte ergänzender Erhebungen bedurft, ob die Kanalanlage bzw. das Sprinklerbecken keiner land- und forstwirtschaftlichen Nutzung dienten.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen:

Gemäß § 2 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, darf vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung eine Baubewilligung nicht erteilt werden.

Gemäß § 58 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ist dem Ansuchen um Bewilligung im Bauverfahren der Nachweis der Widmungsbewilligung anzuschließen oder, wenn gleichzeitig um die Widmungsbewilligung angesucht wird, die hiezu erforderlichen Unterlagen. Gemäß § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese unter anderem (lit. a) das Verbot der Erteilung einer Baubewilligung vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung (§ 2 Abs. 1 und § 58 Abs. 1 lit. a) verletzen würde.

Wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, entfällt in den Fällen, in denen bereits auf Grund der Prüfung der Pläne und Unterlagen oder wegen eines unlösbaren Widerspruches zu einem Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan und zu Bebauungsrichtlinien das Ansuchen abzuweisen ist, die Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die belangte Behörde hat somit im vorliegenden Fall dann ihren Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet, wenn sie zu Recht davon ausgehen konnte, daß das beantragte Projekt in einem unlösbaren Widerspruch zum Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Graz 1982 steht.

Wie sich auch aus den Beschwerdeausführungen (die sich nur mit der Kanalanlage und dem Sprinklerbecken näher beschäftigen) ergibt, ist der Widerspruch zum Flächenwidmungsplan für die Errichtung der PKW-Abstellplätze unbestritten. Hinsichtlich der PKW-Abstellplätze konnte die Behörde daher jedenfalls davon ausgehen, daß ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan besteht. Es ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, daß die Beschwerde der Beschwerdeführerin im Widmungsverfahren mit hg. Erkenntnis vom 25. April 1991, Zl. 91/06/0050, abgewiesen wurde.

Die Beschwerdeführerin bestreitet jedoch, daß die Behörde auch für die Kanalanlage und das Sprinklerbecken von einem derartigen Widerspruch ausgehen konnte.

Dazu ist auf folgendes hinzuweisen:

Die gegenständliche Kanalanlage fällt unter den Begriff der baulichen Anlagen größeren Umfanges unter der Erde, insbesondere Schachtbrunnen, Kanalanlagen, Schutzräume, Keller und dgl. gemäß § 57 Abs. 1 lit. g der Steiermärkischen Bauordnung 1968. Die Bewilligungspflicht der Anlage ist damit gegeben. Da für Baubewilligungen gemäß § 58 Abs. 1 leg. cit. der Nachweis der Widmungsbewilligung nur erforderlich ist, soweit nicht gemäß § 58 Abs. 2 diese Pflicht zum Nachweis der Widmung entfällt, ist bezüglich der Kanalanlage die Frage, ob eine Widmungsbewilligung im Sinne der Steiermärkischen Bauordnung vorlag oder nicht, nicht von Bedeutung, da es sich um eine Anlage im Sinne des § 58 Abs. 2 leg. cit. handelt.

Die belangte Behörde hat jedoch die Abweisung hinsichtlich der Kanalanlage zur Ableitung der Oberflächenwässer auf den Widerspruch zur Ausweisung "Freiland" im Flächenwidmungsplan 1982 der Landeshauptstadt Graz gestützt. Gemäß § 61 Abs. 1 Steiermärkische Bauordnung 1968 hat eine bewilligungspflichtige Anlage jedenfalls dem Flächenwidmungsplan zu entsprechen. Da das gegenständliche Grundstück als "Freiland" ausgewiesen ist, ist zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen eine Anlage wie die vorliegende im Freiland errichtet werden dürfte.

Gemäß § 25 Abs. 3 Z. 1 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127, in der Fassung LGBl. 15/1989, dürfen im Freiland nur solche Gebäude, Bauwerke und Anlagen errichtet werden, die als Objekte eines Betriebes für eine bestimmungsgemäße Nutzung gemäß Abs. 2 nachweislich erforderlich sowie in ihrer standörtlichen Zuordnung und Gestaltung betriebstypisch sind. Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß die beantragte Kanalanlage allenfalls dann mit der Flächenwidmung vereinbar wäre, wenn sie der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung im Sinn des § 25 Abs. 2 und 3 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz diente.

Im Zuge der Einräumung des Parteiengehörs im Widmungs- UND im Bauverfahren mit Schreiben vom 24. Jänner 1990 an die Beschwerdeführerin wurde ihr der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt mitgeteilt und dabei unter anderem darauf hingewiesen, daß gemäß § 25 Abs. 3 im Freiland nur solche Bauwerke und Anlagen errichtet werden dürfen, die für die bestimmungsgemäße Nutzung erforderlich sowie in ihrer standortlichen Zuordnung und Gestaltung betriebstypisch sind. Da die angestrebte bauliche und planerische Einheit mit einem Einkaufszentrum nicht betriebstypisch und daher laut Raumordnungsgesetz bzw. laut Flächenwidmungsplan nicht zulässig sei, sei mit einer Abweisung des Widmungsansuchens zu rechnen.

Da im vorliegenden Falle um die Widmungsbewilligung und die Baubewilligung gleichzeitig angesucht wurde (Eingabe vom 17. Juli 1989) und die erwähnte Mitteilung zur Einräumung des Parteiengehörs von der belangten Behörde ausdrücklich bezüglich des Ansuchens um Widmungsbewilligung und des Ansuchens um Baubewilligung unter Angabe beider Geschäftszahlen erging, ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführerin auch hinsichtlich des Baubewilligungsverfahrens der von der Behörde festgestellte maßgebliche Sachverhalt mitgeteilt wurde. Die Berufungswerberin hat innerhalb der vom Stadtsenat eingeräumten dreiwöchigen Frist nichts vorgebracht, was gegen die Annahme, daß die Kanalanlage nicht im Zusammenhang mit einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb stünde, spräche. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes befreit aber der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens die Partei nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen (vgl. das hg. Erkenntnis VwSlg. 5007 A/1959 und aus jüngerer Zeit z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1991, Zl. 91/19/0174).

Die Mitwirkungspflicht der Partei erfordert es, daß diese den ihr vorgehaltenen Beweisergebnissen, die sie als unvollständig oder unrichtig erachtet, konkrete Behauptungen entgegensetzt und entsprechende Beweise anbietet. Unterläßt sie dies, bedeutet es keinen Verfahrensmangel, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen durchführt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 1982, Zl. 81/04/0127).

Sowohl die Behörde erster Instanz als auch die Behörde zweiter Instanz waren berechtigt davon auszugehen, daß kein derartiger Zusammenhang vorliegt. Die Beschwerdeführerin hat auch in der Berufung lediglich zur Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer Widmungsbewilligung und zur Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer Abweisung des Bauansuchens im damals gegebenen Verfahrensstadium des Widmungsverfahrens Stellung genommen, ohne etwas zu einer Widmung der Kanalanlage oder des Sprinklerbeckens für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auszuführen. Der in diesem Zusammenhang in der Beschwerde enthaltene Hinweis auf § 13 Abs. 3 AVG übersieht, daß die Frage, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde zu legen hat, die Ermittlung des Sachverhaltes iSd §§ 37 ff AVG betrifft. Für die Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG war - wie auch die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat - bei der im Beschwerdefall gegebenen Sachlage kein Raum.

Ausgehend von diesen - von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren unwidersprochen gebliebenen - Sachverhaltsfeststellungen ergibt sich somit, daß auch die Kanalanlage und das Sprinklerbecken nicht als im Freiland zulässige Bauten angesehen werden können. Die Beschwerdeführerin hat im übrigen auch in der Beschwerde nicht vorgebracht, welche Umstände die Behörde feststellen hätte können, wenn sie die von der Beschwerdeführerin vermißten weiteren Erhebungen durchgeführt hätte. Selbst wenn man somit entgegen den obigen Ausführungen von einem Verfahrensmangel des Verfahrens vor der belangten Behörde ausginge, fehlte diesem Mangel offensichtlich die Wesentlichkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG.

Zu den in der Beschwerde vorgetragenen Einwendungen, die belangte Behörde habe aber jedenfalls keinen "unlösbaren" Widerspruch mit dem Flächenwidmungsplan festgestellt, ist folgendes zu sagen: Der nach § 61 Abs. 1 StmkBauO zur Abweisung berechtigende "unlösbare Widerspruch zu einem Flächenwidmungsplan" liegt dann vor, wenn das Vorhaben auch durch Modifikationen nicht in Übereinstimmung mit dem Flächenwidmungsplan gebracht werden kann. Da die Kanalanlage keinem landwirtschaftlichen Betrieb dient, kann auch durch eine Modifikation der Anlage in baulicher Hinsicht der Widerspruch nicht gelöst werden. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde ist die belangte Behörde daher zu Recht vom Vorliegen eines unlösbaren Widerspruchs im Sinne des § 61 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ausgegangen.

Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Mitwirkungspflicht Verschweigung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991060079.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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