TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/16 94/19/0116

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Veröffentlicht am 16.06.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §45 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des B in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Dezember 1993, Zl. 4.343.726/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, der am 18. November 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. November 1993, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 27. Dezember 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Das Bundesasylamt hat den erstinstanzlich Bescheid unter anderem damit begründet, daß beim Beschwerdeführer der Ausschließungsgrund gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 vorliege, da er "über Bulgarien, Rumänien und Ungarn, also Drittstaaten, illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist" sei. Ungarn sei Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention, wende diese auf irakische Staatsbürger zwar nicht an, hätte dem Beschwerdeführer gegenüber aber der Europäischen Menschenrechtskonvention konform gehandelt und gemäß Art. 3 dieser Konvention eine Abschiebung "unter den dortigen Voraussetzungen" nicht durchgeführt. Eine Verfolgung in diesen Staaten habe der Beschwerdeführer nicht behauptet.

Schon in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, er sei in keinem der angeführten Länder vor Verfolgung sicher gewesen. Es könne auch nicht davon die Rede sein, daß er auch nur in einem dieser Länder "Rückschiebungsschutz vor einer Abschiebung in mein Heimatland" gefunden hätte.

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer auf Grund seines Aufenthaltes in Rumänien bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 die Gewährung von Asyl ausgeschlossen sei. Dem hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde insbesondere entgegengehalten, daß auf Grund einer regen militärischen Zusammenarbeit Rumäniens mit dem Irak ernsthafte Zweifel an einem Rückschiebungsschutz für irakische Staatsangehörige in Rumänien bestünden.

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde insbesondere vor, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Dazu ist zunächst festzuhalten, daß der Beschwerdeführer nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten mit der Frage, ob und in welchem der im Verlauf seiner Flucht bereisten Staaten er bereits vor Verfolgung sicher gewesen ist, im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht konfrontiert wurde. Mit seinem in der Berufung dagegen erhobenen Einwand, in keinem dieser Staaten vor Verfolgung sicher gewesen zu sein und keinen Rückschiebungsschutz erlangt zu haben, hat sich die belangte Behörde aber nicht auseinandergesetzt, sondern lediglich ausgeführt, daß der Beschwerdeführer bereits in Rumänien sicher gewesen sei. Hiebei gehen die Ausführungen der belangten Behörde, betreffend die Mitgliedschaft Rumäniens bei der Genfer Flüchtlingskonvention und die Annahme, daß nichts dafür spreche, daß dieser Staat die sich aus dieser Mitgliedschaft ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren

Artikel 33 verankerte Refoulement-Verbot, etwa vernachlässige, über die seitens des Bundesasylamtes dem Beschwerdeführer gegenüber gebrauchte Argumentation hinaus, ohne daß ihm Gelegenheit geboten worden wäre, dazu Stellung zu nehmen. Demgemäß war es dem Beschwerdeführer, ohne gegen das gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot zu verstoßen, nicht verwehrt, weitere Ausführungen zur Untermauerung seiner Behauptung, nicht vor Verfolgung sicher gewesen zu sein, in der Beschwerde vorzutragen. Bei Zutreffen der in diesem Zusammenhang aufgestellten Behauptung könnte aber nicht mehr ohne weiteres davon die Rede sein, daß - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides - nichts dafür spreche, daß Rumänien die sich aus seiner Mitgliedschaft zur Genfer Flüchtlingskonvention ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot, etwa vernachlässige.

Im Hinblick darauf, daß ein diese Aussagen der belangten Behörde belegendes Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht vorlag, das der Entscheidung der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hätte zugrunde gelegt werden können, war dieses Ermittlungsverfahren mit wesentlichen Mängeln behaftet, was den an die Behörde erster Instanz gerichteten Auftrag zu dessen Ergänzung erfordert hätte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1994, Zl. 93/01/1428). Darin, daß die belangte Behörde dies unterlassen hat, ist ein Verfahrensmangel gelegen, dessen Wesentlichkeit der Beschwerdeführer - wie aufgezeigt - in der Beschwerde dargetan hat.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III.

Schlagworte

Parteiengehör Allgemein Sachverhalt Verfahrensmängel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190116.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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