TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/16 94/19/0967

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Veröffentlicht am 16.06.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §18 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §39a;
B-VG Art8;
MRK Art6 Abs3 lite;
VolksgruppenG 1976 §16 idF 1976/575;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der T in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. August 1993, Zl. 4.317.003/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine vietnamesische Staatsangehörige, die am 15. Mai 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 4. Juni 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihr lägen die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 23. August 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten ist, habe sie bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 29. Mai 1991 angegeben, weder sie selbst noch ihre Familie seien in ihrem Heimatland aus politischen, religiösen oder sonstigen Gründen verfolgt worden. Sie habe am 9. September 1989 in der Tschechoslowakei in einer Textilfabrik zu arbeiten begonnen; ihr wäre aber am 10. Mai 1991 vorzeitig gekündigt worden, weshalb sie mit ihrer Abschiebung nach Vietnam habe rechnen müssen. In Vietnam gebe es seit der kommunistischen Machtübernahme keine Freiheit und Gerechtigkeit. Aus Angst vor Repressalien habe sie nicht mehr in ihr Heimatland zurückkehren wollen. Da sie in der Tschechoslowakei von der dortigen Bevölkerung "sehr stark diskriminiert" worden sei, habe sie sich zur Flucht nach Österreich entschlossen.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin ergänzend ausgeführt, in ihrer Heimat drohe ihr, weil sie ihr Gastland unerlaubt verlassen habe, eine hohe Gefängnisstrafe.

Die belangte Behörde hat zunächst die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Ablehnung des in ihrem Heimatland herrschenden kommunistischen Systems nicht als Umstand angesehen, aus dem auf individuelle Verfolgung der Beschwerdeführerin aus in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Gründen bzw. auf begründete Furcht vor Verfolgung geschlossen werden könnte. Mit dieser Auffassung befindet sich die belangte Behörde im Einklang mit der hg. Rechtssprechung, derzufolge die innere Abneigung eines Asylwerbers gegen ein herrschendes System oder gegen die allgemein herrschenden politischen Verhältnisse nicht geeignet ist, Furcht vor Verfolgung objektiv zu begründen (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S. 28, angeführte Judikatur). Daß die Beschwerdeführerin aber etwa diese Abneigung in einer der Öffentlichkeit zugänglichen Weise zum Ausdruck gebracht hätte, hat sie selbst nicht behauptet.

Der belangten Behörde kann auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Befürchtungen der Beschwerdeführerin, wegen der Übertretung von Reisebestimmungen bzw. sonstiger den Aufenthalt im Ausland regelnder Vorschriften bestraft zu werden, nicht als für die Gewährung von Asyl ausreichend gewertet hat (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, 1990, S. 32, angeführte Judikatur).

Auch ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn sie die von der Beschwerdeführerin bei ihrer niederschriftlichen Befragung ins Treffen geführte Diskriminierung durch die tschechische Bevölkerung deshalb nicht als für die Glaubhaftmachung von Verfolgung im Sinne der angeführten Gesetzesstelle geeignet erachtet hat, weil nur solche Verfolgungshandlungen, die vom Heimatland eines Asylwerbers ausgehen, der angeführten Gesetzesstelle unterstellt werden können (vgl. abermals die bei Steiner, aaO, S. 28, angeführte Judikatur).

Erstmals in der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, in ihrem Heimatland als Angehörige der nur noch eine Minderheit bildenden Urbevölkerung und auf Grund ihrer gegen das herrschende Regime gerichteten politischen Gesinnung durch Verpflichtung zur Zwangsarbeit in einem Arbeitslager verfolgt und im Austausch gegen Waren oder Rohstoffe zur Arbeitsleistung in die damalige CSFR verfrachtet worden zu sein. Daß die Beschwerdeführerin diese Umstände erst in der Beschwerde vorbringe, sei darin begründet, daß der ihrer erstinstanzlichen Vernehmung beigezogene südvietnamesische Dolmetscher aus Haßgefühlen gegenüber Kommunisten ihre Aussagen teils verkehrt und teils unvollständig wiedergegeben habe. Mangels Kenntnis der deutschen Sprache habe sie die Befangenheit des Dolmetschers im Berufungsverfahren nicht gelten machen können. Dem ist entgegenzuhalten, daß gemäß § 15 AVG eine gemäß den Bestimmungen des § 14 leg. cit. aufgenommene Niederschrift, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis liefert. Den gemäß § 14 leg. cit. zulässigen Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges - nämlich der Einvernahme der Beschwerdeführerin durch die Behörde erster Instanz - hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht erbracht. Dazu wäre sie aber - wollte sie die Richtigkeit der über ihre Einvernahme aufgenommenen Niederschrift in Zweifel ziehen - ungeachtet ihrer mangelnden Sprachkenntnisse verpflichtet gewesen, weil gemäß Art. 8 B-VG die deutsche Sprache Staatssprache der Republik ist und gemäß § 39 a AVG die Verpflichtung zur Beigabe eines Dolmetschers nur für den mündlichen Verkehr der Behörde mit den Verfahrensparteien gilt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Jänner 1989, Zl. 88/01/0187). Daraus folgt aber, daß die Beschwerdeführerin mit dem angeführten, erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erhobenen Vorbringen dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG in diesem Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegt.

Unter der sohin gebotenen Zugrundelegung der in der Niederschrift über ihre Erstbefragung bekundeten Angaben der Beschwerdeführerin erweist sich ihre Argumentation, die belangte Behörde habe, da der Beschwerdeführerin eine sanktionslose Rückkehr in ihr Heimatland nicht möglich gewesen sei, die ihr widerfahrene Diskriminierung in der Tschechoslowakei, einem Mitgliedstaat des COMECON, zu Unrecht nicht als von ihrem Heimatstaat ausgehende Verfolgung gewertet, nicht als schlüssig, weil dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht entnommen werden kann, sie hätte nicht sofort nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ohne Furcht vor Verfolgung nach Vietnam zurückkehren können.

Soweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen . Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da ein konkreter Mangel des Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz - der unwidersprochen gebliebenen Darstellung des Berufungsvorbringens zufolge - von der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung nicht geltend gemacht wurde, nicht verpflichtet, eine Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190967.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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